(c) Sascha Bors
Gestern Nacht im Taxi ist das Blog des 31-jährigen Sascha Bors. Er arbeitet als Taxifahrer in Berlin und schreibt seit 2010 über seine Erfahrungen und Begegnungen. Ungewöhnliche Fahrgastwünsche sind ebenso Thema wie Konkurrenz unter Kollegen und pointierte Dialoge. Nebenbei lernt man über das Taxigewerbe und Sascha Bors‘ Sicht auf die Welt. Zuletzt berichtete die Berliner Zeitung über den Menschenkenner aus Stuttgart, den man übrigens auch direkt aufsuchen kann: Auf dem Blog lässt sich der aktuellen Standort von Bors‘ Taxi abrufen.
Was ist für Sie der vollkommene Blog?
Ein regelmäßig geführter Blog, der neben der Beschäftigung mit dem zentralen Thema Platz lässt für die Person des Bloggers. Wobei ich mich selbst da schwer tue, das zu verallgemeinern, da der persönliche Touch natürlich bei vielen informativen Blogs zu Recht keine Rolle spielt.
Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten?
Mal mit diesem, mal mit jenem. Über die Gesamtdauer eines Blogs würde ich aber sagen: mit keinem. Ich finde Identifikation bei Bloggern auch weit weniger wichtig als beispielsweise bei Romancharakteren. Blogs lese ich eher, um auch mir völlig fremde Perspektiven zu erfassen, wohlwissend, dass nicht ich der Erzähler bin, sondern eben ein anderer Mensch mit anderen Eigenschaften und einem eigenen Leben.
Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Lesen. Lesen, lesen, lesen. Kreuz und quer, rauf und runter und durch alle Genres. Blogs, Nachrichten, Meldungen aus meinen Social Networks (meist mit Links zu erstgenanntem) – und beim Essen lese ich gerne Artikel aus der Wikipedia, vorrangig aus den Bereichen Geschichte, Wissenschaft und Technik.
Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Was ist offline? Ohne jetzt Statistik geführt zu haben, vermute ich, dass ich mich die meiste Zeit, wenn ich mich nicht unmittelbar mit einem Bildschirm beschäftige, in meinem Bett befinde. Überwiegend zum Schlafen. Und einkaufen! Einkaufen nimmt auch eine Menge Raum ein. Ich bin so unorganisiert, dass ich oft drei Mal für ein Abendessen einkaufen muss. Das scheine ich also auch recht gerne zu machen.
Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit?
Recht oft, aber wohldosiert. Da ich über Erlebnisse während meiner Arbeit als Taxifahrer schreibe, muss ich meist über reale Personen schreiben. Und natürlich teile ich keine Formulare aus, auf denen dann beispielsweise steht: „Bitte unterschreiben Sie hier, dass Sie sich damit einverstanden erklären, dass ich in meinem Blog darüber berichten werde, dass Sie eben Ihr
Geschlechtsorgan mit Godzilla verglichen haben.“ Ich schreibe das einfach so auf. Dazu ist es nötig, die Personen hier und da zu verfremden oder ihnen wenigstens einen anderen Stadtteil anzudichten. Das kommt also häufig vor. Was mich selbst angeht, versuche ich bei der Wahrheit zu bleiben. Ansonsten lüge ich oft in Interviews.
Ihr Lieblingsheld im Netz?
Ich glaube nicht an Helden. Das schöne am Netz ist, dass dort eine Menge Menschen wahnsinnig tolle und wichtige Dinge tun. Mal mehr, mal weniger. Für Über-Figuren wie Helden ist das Netz zu groß, finde ich.
Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit?
Darkwing Duck.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen?
Es ist schön, viele Menschen offenherzig und ohne Vorurteile zu erleben. Überwiegend jedenfalls. Humor, hab ich jetzt oft gelesen, sollte man hier wohl auch antworten, um sich’s nicht ganz zu verscherzen.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen?
Physischen Abstand.
Was mögen Sie im Netz am wenigsten?
Oh, da gab’s mal diese Website, von diesem Typen, hier, ne? Also das, das ging ja gar nicht. Is‘ zum Glück schon eine Weile her, war aber ganz schlimm. Und lila!
Was stört Sie an Bloggern am meisten?
Nichts Allgemeines. Im Großen und Ganzen sind Blogger eine interessante und interessierte Gruppe Menschen.
Was stört Sie an sich selbst am meisten?
Eigentlich hab ich’s mir abgewöhnt, mich an mir selbst zu stören.
Ihr glücklichster Moment als Blogger?
DEN einen Moment gibt es da nicht. Als ich mein eBook geschrieben habe, war es natürlich die Veröffentlichung. Aber beim Bloggen hat man täglich Veröffentlichungen, Premieren, besondere Momente. Es war z.B. schön, das erste Mal von einem von mir geschätzten Blog verlinkt zu werden. Ebenso, als mich das erste Mal jemand auf der Straße angesprochen hat. Als ich das erste Mal Geschenke von Wildfremden bekommen habe, als Leute mir geschrieben haben, dass sie meinen Blog während eines Krankenhausaufenthalts komplett durchgelesen haben und, und, und… Da einen besonderen Punkt rauszugreifen, würde fünf Jahren intensivsten Bloggens nicht gerecht werden.
Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger?
Eine Banalität eigentlich: Ich hab von mehreren Lesern inzwischen die Rückmeldung bekommen, dass sie sich, seit sie bei mir lesen, öfter mal Gedanken über die Situation gemacht haben, in der sich Taxifahrer befinden und jetzt auch mal mehr Trinkgeld geben.
Über welches Talent würden Sie gern verfügen?
Mehr Ausdauer beim Schreiben. Und gelegentlich nicht ganz so relativierend um den heißen Brei herumzureden, sondern vielleicht auch mal ein kleines bisschen direkter sein zu können. Also nicht, dass das jetzt ein wirklich großes Problem wäre, aber…
Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden?
Ähm? 42.
Ihre größte Extravaganz?
Ich trage manchmal Kleidung, obwohl ich nicht müsste. Aber ich kann das mit meinem Gewissen vereinbaren; das gönne ich mir einfach.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Ganz ok, danke der Nachfrage. Vermute aber, dass es daran liegt, dass ich die Wiedergeburtsfrage recht zügig übersprungen habe.
Ihr Motto?
Fünf Minuten anhalten kostet 2 Euro, ins Auto kotzen 200. Entscheidet euch!
Zuletzt füllten Fotografin Birgit Engelhardt, Mode- und Entertainmentbloggerin Niki Blasina, Stilpirat Steffen Böttcher, Strick-Experte Lutz Staacke, „Texterella“ Susanne Ackstaller, Reiseblogger Johannes Klause, Mode- und Lifestylebeobachterin Sandra Olyslager, Porträtfotografin Smilla Dankert, Orientalistikprofessorin Johanna Pink und Kolumnist Maximilian Buddenbohm unseren Proust-Fragebogen für Blogger aus.
[…] Zum Original: Heiter bis glücklich: Proust-Fragebogen für Blogger (69) […]
[…] das in meinen Augen recht gelungene Proust-Interview bei zeit.de ist inzwischen online. Könnt Ihr alle mal draufklicken. Vielleicht lacht ja der ein oder andere […]
[…] gleich aber zeit.de mit auf den Plan gerufen, für die ich dann ja umgehend den “Proust-Fragebogen für Blogger” ausgefüllt […]