Man kann André Krüger (37) schon als alten Hasen unter den Bloggern bezeichnen. Seit 2001 lässt er Leser im Internet an seinen literarischen Alltagsbetrachtungen teilhaben. Sein boschblog bezeichnet er selbst als „Weblog für nutzlose Schönschreibübungen jenseits von Relevanz und Reichweite.“ Er schreibt nicht etwa über Akkubohrer und Stichsägen, wie es der Name des gleichnamigen Elektroimperiums nahelegen könnte, seine Texte sind vielmehr Beobachtungen aus Kultur, Medien, Internet und von Dingen, die unsere Welt umtreiben. In Zeiten von opulent bestückten Design- und Fashionblogs, kommt boschblog angenehm unaufgeregt daher. André ist außerdem Mitbegründer von twitkrit, einem Fachblog für Twitteraturkritik, und Veranstalter der Twitterlesung. Er mag Instagram und Kaffee. Im richtigen Leben verdingt er sich als freier Berater für digitale Kommunikation und lebt in Hamburg oder Berlin.
Was ist für Sie das vollkommene Blog?
Ein Blog, das Geschichten erzählt. Ein Blog, das die Sprache beherrscht. Ein Blog, das nicht gekauft ist.
Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten?
Mit Rolf Dieter Brinkmann. Okay, er hat jetzt nicht direkt ein Blog geschrieben, sondern konkrete Poesie. Manchmal hat er auch Tonbänder mit Alltagsbeobachtungen vollgequatscht. Wenn es Blogs zu seiner Zeit auch gegeben hätte, wäre er möglicherweise ein von mir gern gelesener Blogger geworden. (Außerdem ist er beim Überqueren einer Straße in England gestorben, weil er den Linksverkehr nicht beachtet hat. Das wäre mir auch einmal fast passiert.)
Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Ich verweile gern auf Instagram. Dort sehe ich mir Fotos an, manchmal veröffentliche ich Bilder. Instagram ist eine freundliche Oase in einem Internet voller Hater.
Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Ich trinke gern guten Filterkaffee mit Menschen, die gern guten Filterkaffee trinken.
Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit?
Wenn Spannungsbögen angebracht sind, wenn es besser klingt, wenn Fragebogen ausgefüllt werden müssen.
Ihr Lieblingsheld im Netz?
Vieltwitterer @nouveaubeton. Manchmal nervt er zwar komplett, aber er ist auch megaunterhaltsam und von allen auf Twitter der urbanste. Wenn ich einmal traurig bin, trink’ ich keinen Korn, sondern lese seine Tweets. Und wenn ich dann noch traurig bin, dann fang ich an von vorn.
Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit?
Johann Sebastian Bach. Er hat uns die Goldberg-Variationen geschenkt. Ich habe fünf verschiedene Einspielungen auf meinem Mobiltelefon. Für jeden Gemütszustand eine.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen?
Dass sie sind wie in der Wirklichkeit und die Grundzüge der Interpunktion beherrschen.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen?
Dass sie sind wie im Netz und von unangemessenen Umarmungen Abstand nehmen.
Was mögen Sie im Netz am wenigsten?
Dass ich es nicht abschalten kann, nicht einmal vorübergehend: Das Netz macht immer weiter.
Was stört Sie an Bloggern am meisten?
Egozentrik, Kleingeistigkeit und Monetarisierungszwänge in Kombination mit Weihrauch.
Was stört Sie an sich selbst am meisten?
Meine Augen jucken gerade fürchterlich. Ich glaube, ich habe Heuschnupfen. Darüber hinaus betrübt mich mein unvollkommenes Aussehen, mein bescheidener Intellekt und meine unzulängliche Ausstattung mit finanziellen Mitteln.
Ihr glücklichster Moment als Blogger?
Ich schreibe seit 2001 Geschichten in das Internet. Endlich darf ich den Proust-Fragebogen beantworten. (Außerdem hat mich vor langer Zeit einmal eine Dame, die meine Texte mochte, zu einem Eis eingeladen.)
Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger?
Wenn ich nichts zu erzählen habe, schreibe ich nichts. Manchmal über Monate hinweg.
Über welches Talent würden Sie gern verfügen?
Gedankenschreiben.
Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden?
„Wenn ich tot bin, soll mir mal einer mit Auferstehung oder so kommen: ich hau ihm eine rein“, schrieb Arno Schmidt. Wenn mir einer mit Wiedergeburt als Blogger kommt, hau ich ihm zwei rein.
Ihre größte Extravaganz?
Zwanzig gleichzeitig geöffnete Tüten Spezialitätenkaffee verbinden sich in meiner Speisekammer mit Sauerstoff.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Stabil, auf niedrigem Niveau.
Ihr Motto?
Das Leben ist hart. Aber zum Glück nicht von Dauer. (Und Mottos braucht sowieso keiner.)
(c) @gert_pauly