Christine Neder, 27, war erst in der 10. Klasse, als sie ihren großen Traum schon wieder aufgeben wollte. Schreiben als Beruf, so hieß das Ziel, doch mit den schlechten Noten im Deutschunterricht schien es sich nicht verwirklichen zu lassen. Trotzdem ist Christine am Ball geblieben. Jahre später, als sie in New York studierte, startete sie ihren Blog Lilies Diary – und stellte fest, dass Schreiben eine Therapie für sie war. Je mehr sie aufschrieb, desto mutiger wurde sie. Und bald veröffentlichte sie ihr erstes Buch, „90 Nächte, 90 Betten“, in dem sie ihre Abenteuer als Couchsurferin erzählt. Die schlechten Noten im Deutschunterricht sind mittlerweile vergessen, Christine Neder kann vom Schreiben leben. Sie hat ein zweites Buch geschrieben und bloggt fleißig über das Reisen sowie über Mode und Design. „Wo Leidenschaft ist, ist auch immer ein Weg“, sagt sie, und schreitet weiter mutig voran.
Was ist für Sie das vollkommene Blog?
Ein Blog, den ich sicher nicht lesen werde, denn alles was vollkommen ist, erscheint mir sehr langweilig. Ich lese gerne Blogs, die sich immer wieder neu erfinden. Neues ausprobieren ist aber auch ein Risiko und klappt nicht immer und Fehltritte sind wohl weit entfernt von der Vollkommenheit.
Mit welchem Blogger identifizieren Sie sich am meisten?
Mit keinem. Das gehört zu meinem Konzept.
Was ist online Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Tiervideos anschauen.
Was ist offline Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Leute beobachten und fremde Gespräche belauschen. Meistens so indiskret, dass ich von meiner Begleitung regelmäßig Schläge bekomme mit dem Satz: Glotz doch nicht so offensichtlich da hin, das ist ja peinlich.
Ich bin eben neugierig…
Bei welcher Gelegenheit schreiben Sie die Unwahrheit?
Wenn ich sage, dass ich in Zukunft weniger reisen möchte um mich mehr auf meine Arbeit und Karriere zu konzentrieren.
Ihr Lieblingsheld im Netz?
Michael Buchinger. Er bringt mich immer zum Lachen.
Ihr Lieblingsheld in der Wirklichkeit?
Männer, die mir den Koffer die Treppe hoch tragen. Sie haben begriffen, was Frauen wirklich wollen. Und mein Programmierer.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie im Netz begegnen?
Wenn sie es in wenigen Sätzen schaffen, dass ich sie interessant finde. Ja, das Spiel mit den Wörtern und sie gekonnt einzusetzen.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen, denen Sie in der Wirklichkeit begegnen?
In Berlin freut man sich schon, wenn die Menschen pünktlich zum Treffpunkt erscheinen und sich 50% des Treffens unterhalten und nicht auf Tinder abhängen. Ansonsten schätze ich Authentizität, Ehrlichkeit und verrückte Ideen, auf die ich selbst nicht gekommen wäre.
Was mögen Sie im Netz am wenigsten?
Pseudo-depressive Persönlichkeiten, die ihren Weltschmerz in jeder Statusmeldung zum Ausdruck bringen.
Was stört Sie an Bloggern am meisten?
Wenn sie sich über Likes und Retweets definieren.
Was stört Sie an sich selbst am meisten?
Ich bekomme feuchte Hände, wenn ich weiß, dass ich für längere Zeit kein W-Lan habe. Ich weiß, das ist nicht normal…
Ihr glücklichster Moment als Blogger?
Mir hat ein junge Frau eine Facebook-Nachricht geschrieben, um sich bei mir zu bedanken. Auf meiner Facebook-Fanseite von Lilies Diary hatte sie etwas kommentiert und ein Typ hat darauf geantwortet. Dann haben sie im privaten Chat weiter geredet, sich getroffen, verliebt, sind zusammen gezogen und bald kommt ihr Kind auf die Welt. Ich hoffe, es heißt Christine, wenn es ein Mädchen wird.
Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Blogger?
Ich kann alles und muss nichts.
Über welches Talent würden Sie gern verfügen?
Ich würde gerne Alkohol trinken und mich am nächsten Tag noch an die Gespräche erinnern können.
Als welcher Blogger möchten Sie gern wiedergeboren werden?
Ich kann mir schlecht die nächste Woche in meinem Leben vorstellen, deswegen bin ich mit der Frage, was im nächsten Leben passieren soll, überfordert.
Ihre größte Extravaganz?
Einen Tag nichts machen. Nur dasitzen und im Idealfall das Meer oder die Berge anschauen.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Ich sitze im Zug. Wir haben 66 Minuten Verspätung. 20 Minuten wegen Personen auf dem Gleis, 15 Minuten, weil sich die Strecke auf ein Gleis verengt, weitere 16 Minuten, weil wir auf einen Anschlusszug warten, und eine Umleitung sind wir auch gefahren. Einerseits bin ich absolut genervt, andererseits sehr gespannt, welche Ausrede als nächstes kommt.
Ihr Motto?
Be as much person, as you can be.
(c) Dominik Butzmann