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Steuersenkungen? Nein Danke!

 

Es ist eine der absurdesten Debatten der jüngsten Zeit: Kaum zeichnet sich ab, dass Peer Steinbrück verdammt viel Glück gehabt hat. Dass seine unnötig riskante Mehrwertsteuererhöhung die entfachte Dynamik der Wirtschaft nicht abwürgt, da werden die künftig höheren Steuereinnahmen schon wieder dem Staat in Abrede gestellt. Steuersenkungen sollen her, wie es Wirtschaftsminister Glos und Konsorten (auch unsere tonangebenden Ökonomen in den Instituten) fordern. Das ist ein starkes Stück, denn es ist Ideologie pur. Der böse Staat soll kurz gehalten werden, damit in der nächsten Krise wieder Theaterdonner veranstaltet werden kann: Nicht finanzierbar, der Sozialstaat, nicht finanzierbar, eine Wirtschaftpolitik, die die zunehmenden Ungleichgewichte auszubalancieren versucht, durch bessere Betreuung, durch bessere Bildung. Löcher, Abgründe, der Staatsbankrott ist nahe. Alles erst 18 Monate her, dass viele im Land diese Parolen geglaubt haben. Und jetzt werden Steuersenkungen debattiert. Es ist nicht zu fassen.

Hier die Wahrheit:

  1. Deutschland hat mit die geringste Steuerquote aller OECD-Länder. (siehe BMF Monatsbericht Januar 2007) Weitere Steuersenkungen, selbst in zwei Jahren, sind nicht nötig.
  2. Die Mehrwertsteuererhöhung, die uns den bald ausgeglichenen Staatshaushalt beschert, belastet vor allem die niedrigen Einkommen, also die Menschen, die kaum oder gar keine Lohn- und Einkommenssteuer zahlen. Es sind die selben Menschen, also Rentner, Studenten, Arbeitslose und in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigte, die unter der Praxisgebühr leiden, unter den höheren Preisen für den öffentlichen Nahverkehr (weil die Zuschüsse gekürzt worden sind), die unter Studiengebühren, stagnierenden Renten und höheren Zuzahlungen für Arzneimittel und Zahnersatz leiden. Sie alle sollen weiter darben, während die glücklichen Steuerzahler entlastet werden sollen? Das leuchtet mir nicht ein.
  3. Der Staat vergeht sich seit Jahren an den öffentlichen Investitionen. Kein Land von Rang investiert weniger in seine Infrastruktur, in seine Bildung, in sein Potenzial. Die Bundesrepublik hat in den vergangenen vier Jahren weniger investiert, als sie abgeschrieben hat. Die Nettoinvestitionen waren also negativ! Das ist ein Skandal. Dabei zeigen empirische Studien, selbst des Sachverständigenrates, dass keine andere Variable, selbst private Investitionen nicht, einen höheren Beitrag zum Wachstum leisten. Wollen die Herren Glos und Co. Deutschland zum Entwicklungsland degenerieren? Ein Blick auf die BIP/Pro-Kopf-Statistik zeigt, wie weit Deutschland zurückgefallen ist, weil der Staat seit Jahren spart und Steuern senkt!
  4. Von 1970 bis 2000 sind die Bruttoverdienste hoch qualifizierter Angestellter im privaten Sektor um durchschnittlich 330 Prozent, aber die Gehälter der Beamten des gehobenen Dienstes im Schnitt nur um 190 Prozent anstiegen. Das hat kein Geringerer als unser Freund Hans-Werner Sinn berechnet. Die Schere dürfte sich in den vergangenen sechs Jahren weiter geöffnet haben. Wollen wir den korrupten Staat? Wollen wir in einem Staat leben, in dem die Hochqualifizierten keinen Anreiz haben, sich für Posten in den Ministerien und der Verwaltung zu bewerben?
  5. Meine kleinen Kinder sind im reichen Hochtaunuskreis in einem öffentlichen Ganztageskindergarten untergebracht. Die Erzieher sind super: hoch motiviert, innovativ, sie überschlagen sich. 1,5 Erzieher kommen auf 25 Kinder – und das bei neun Stunden Öffnungszeit! Ihr Nettogehalt: Rund 1200 Euro im Monat. Auch das ist untragbar. Mehr Erzieher pro Kinder und höhere Löhne für diese essentielle Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft! Wie sollen Mutter und Vater effizient arbeiten, wenn der Staat an der Kindererziehung spart?

Kurzum: Wenn die Wirtschaft wächst, wenn die Steuereinnahmen sprudeln, gilt es die wirklichen Probleme des Landes anzupacken.

PS: Ich zahle gerne den Spitzensteuersatz, wenn ich weiter in einem Land leben darf, das die sozialen Ungleichgewichte in Grenzen hält und bestrebt ist, alle am Wohlstand teilhaben zu lassen.