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Die FAZ und ihr erotisches Verhältnis zu Schulden

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, kurz FAZ, ist im Wirtschaftsteil immer für Überraschungen gut. So auch heute. Womit macht das Blatt für die „klugen Köpfe“ auf? Mit der Nachricht: „Dresden ist auf einen Schlag schuldenfrei“. Nicht schlecht. Ein wahrlich weltbewegendes Ereignis. Erst an zweiter Stelle kommt die geldpolitische Kehrtwende in Japan, die sowohl im Handelsblatt als auch in der Financial Times Deutschland die Titelseite dominiert.

Zwar ist es immer hübsch, wenn die eigene Zeitung irgendwas gefunden hat, was die Konkurrenz noch nicht richtig einzuordnen weiß, und damit ganz nach oben geht. Aber Dresden schuldenfrei? Na und dann, was sagt uns diese Nachricht?

Sie ist nur zu verstehen, wenn man das erotische Verhältnis der FAZ zu Schulden kennt, das sie wahrscheinlich auch bei einem Großteil ihrer ökonomisch gebildeten Leser vermutet. Danach sind Schulden etwas Halbseidenes, Aufreizendes, auf jeden Fall Unanständiges. Deshalb ist es eine Nachricht, dass Dresden wohl als erste Stadt schuldenfrei ist, nachdem sie ihre Wohnungsbaugesellschaft an amerikanische Investoren verkauft hat. Dresden hat sich mit diesem Schritt zur Hochburg der Moral in diesem Land entwickelt, meint man nach der Lektüre zu glauben.

Meine Fragen:

  1. Was ist noch besser als schuldenfrei? Wenn in Deutschland die erste Stadt ein positives Finanzvermögen aufbaut? Wozu? Egal. Ist doch toll, dass es in Deutschland Städte gibt, die Banken Gebühren dafür zahlen, dass diese ihnen das Geld anlegen. Oder? Durch den Deal hat sich das Nettovermögen der Stadt nicht geändert. Die Bilanz ist nur kürzer geworden. Ist es das, was die Apologeten eines schlanken Staats sexy finden?
  2. Wenn die amerikanischen Investoren 1,7 Milliarden Euro für die Wohnungen gezahlt haben, muss die Frage erlaubt sein, ob der Verkauf sinnvoll war. In der Regel rechnen diese Investoren mit Renditen zwischen 20 bis 25 Prozent. Selbst wenn es nur 15 Prozent sein sollten, könnte Dresden mit diesem Geld mindestens den dreifachen Schuldenbetrag aufnehmen und könnte ihn bei den gerade niedrigen langfristigen Zinsen locker bedienen. Oder können die Amerikaner diese hohen Renditen nur deshalb erzielen, weil sie ruppig mit den Beschäftigten und den Mietern umgehen? Dann steigt die Armut und die Zahl der Wohnungslosen in Dresden. Ein Pyrrhussieg im Kampf gegen die Verbindlichkeiten des Stadtsäckels.
  3. Was ist der Vorteil für eine Stadt, schuldenfrei zu sein? Sie muss keine Zinsen zahlen und hat mehr Geld für andere Aufgaben übrig. Stimmt auf den ersten Blick. Aber auf den zweiten? So zu denken, heißt nämlich statisch denken. Es kommt halt immer darauf an, was man mit dem Geld und den Schulden macht. Das klingt trivial, ist aber ganz entscheidend. Es kommt nämlich auf die Rendite des Investitionsobjektes an, für die man sich verschuldet. Liegt diese Rendite höher als der Zins, ist es lohnenswert. Und wenn Dresden mit seinen hoffentlich bald neuen Schulden Forschung und Entwicklung förderte, seine Infrastruktur aufpolierte oder Schwimmbäder und Kindertagesstätten baute, dann kann das alles sehr lohnenswert sein. Denn es kann dem künftigen Wachstum der Stadt gut tun. Bessere und mehr Forschung lockt hochbezahlte Wissenschaftler und Unternehmer in die Stadt. Das durchschnittliche Einkommen steigt, die Arbeitslosigkeit geht zurück, im Stadtsäckel steigen die Einnahmen und die Ausgaben für die Ärmsten der Armen können sinken. Schwimmbäder stärken die Gesundheit, lenken die Jugendlichen vom Computer oder der Glotze ab, sorgen für Abwechslung und steigern die Lebensqualität für alle. Kindertagesstätten schließlich erhöhen die Arbeitsmöglichkeiten für Eltern, ob alleinerziehend oder nicht, und steigern so ebenfalls das Einkommen, die Dynamik und das Lebensgefühl in der Stadt.

Der Jubel um die erste schuldenfreie Stadt in Deutschland ist ökonomisch betrachtet Unsinn.