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Deutschlands Wirtschaftsberatung – ein Sanierungsfall

 

Stellen Sie sich vor, Josef Ackermann von der Deutschen Bank stellt sich hin und behauptet: Die Deutsche Bank sei ein Sanierungsfall. Binnen Minuten würde der Aktienkurs crashen und die Ratingagenturen in Hektik ausbrechen. Wie kann es sein, dass die strengen Analysten, die die Bank mit der sehr guten Note AA bewerten, übersehen haben, dass die Bank ein Sanierungsfall sein soll? Hat er die Bilanzen manipuliert, haben sich seine Händler in London verzockt?

Angela Merkel, die Physikerin und Bundeskanzlerin, ließ die Wirtschaftselite auf der BDI-Tagung am Dienstag wissen, Deutschland sei ein Sanierungsfall. Gottlob gibt es keine Deutschland-Aktien: Aber es gibt eine Menge Bundesanleihen. Sie sind mit der Top-Note AAA bewertet und gelten als die sichersten in Euroland. Kein anderes der ebenfalls mit AAA bewerteten Länder wie Frankreich kommt so günstig an das Geld der internationalen Investoren ran wie Deutschland. Was ist am Bondmarkt passiert, nach dem die Chefin der Deutschland AG vom Sanierungsfall sprach? Nichts. Die Investoren glauben wahrscheinlich, dass Angela Merkel keine Ahnung von Sanierung, Konkurs und Finanzen hat. Und dürften sich kaum irren. Dass eine Physikerin davon nicht viel versteht, ist eventuell verzeihbar, auch wenn die Aussage grob fahrlässig ist. Dass aber ihre Wirtschaftsberater nichts von Finanzen verstehen, ist schlimm. Das ist die wahre Misere der deutschen Politik.

Hier ein paar Fakten zu Deutschland wie sie eben DB Research in Erinnerung gerufen hat: „Wer oder was also muss denn nun saniert werden? Die deutschen Unternehmen, die im vergangenen Jahr einen Rekordüberschuss in der Handelsbilanz von 7,2 Prozent des BIP erwirtschaftet haben, in der Industrie die Produktivität um 4,7 Prozent gesteigert und Rekordgewinne erreicht haben und mittlerweile sogar wieder über Neuneinstellungen nachdenken? Wohl kaum.“ Ja, Sie haben richtig gelesen: Die Unternehmen machen Rekordgewinne!

Merkels Berater sollten das nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch so fair sein und der Bundeskanzlerin erklären, dass Hans Eichel, der Ex-Finanzminister 1998/99 das größte Steuersenkungsprogramm der Geschichte aufgelegt hat mit massiven Entlastungen für Unternehmen und Besserverdienende. Der Spitzensteuersatz wurde von 48 in drei Schritten auf 42 gesenkt. Ohne diese Steuerreform würde der deutsche Haushalt heute ceteris paribus Überschüsse ausweisen!

Die Herren und Damen Sachverständige, Beiräte und wer sonst in Berlin berät, sollten der Kanzlerin klar machen, dass seit Jahren angebotsorientierte Reformen umgesetzt würden, die entweder komplett versagt haben oder eben noch Zeit zum Wirken brauchen. Denn es wurden ja nicht nur massive Anreize zum Geldverdienen geschaffen, ebenso wurden die Lohnnebenkosten gesenkt und sogar die Staatsquote (sie liegt jetzt unter der Englands, dem großen Reformbeispiel). Daneben wurde privatisiert, was das Zeug hält und im öffentlichen Sektor rund 200.000 Arbeitsplätze abgebaut wegen schlanker Staat und so. Zusätzlich wurde mit Hartz IV der Arbeitszwang quasi eingeführt und der Anspruch auf einen den Qualifizierungen entsprechenden Arbeitsplatz abgeschafft. Die staatliche Rente wurde künftigen Generationen drastisch gekürzt und die private Altersvorsorge attraktiv gemacht.

Entweder haben die gesamten angebotsorientierten Reformen versagt. Dann muss man jetzt gegensteuern. Oder die Reformen konnten noch nicht wirken, weil sie ja nur langfristig Wirkung zeigen können, wie eingeschworenen Neoklassiker wissen. Dann darf man jetzt nicht hektisch werden und muss den Übergang mittels höherer Schulden abfedern. Denn der Wirtschaft geht es ja gut. Irgendwann springt der Funken dann auf das ganze Land über und die Schulden können wieder zurückgezahlt werden.

Jeder Volkswirt, der sich die deutsche Wirtschaft anschaut, konstatiert folgendes:

  1. Die Unternehmen verdienen unverschämt gut.
  2. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ist atemberaubend.
  3. Der Schwachpunkt ist der private Verbrauch .
  4. Die Arbeitslosigkeit ist erschreckend hoch.
  5. Die Staatsfinanzen sehen nicht gut aus.

Kluge Volkswirte würden folgende Therapie vorschlagen:

  1. Es muss etwas gegen die Arbeitslosigkeit getan werden, dann schrumpft der Fehlbetrag im Haushalt von ganz allein, denn dann zahlen mehr in die Sozialkassen ein und weniger bedienen sich daraus.
  2. Irgendwie müsste der private Konsum angeregt werden, dann gewinnt der Aufschwung an Breite und die Steuereinnahmen fließen in Strömen.

Wie?

  1. Man könnte zum Beispiel die öffentlichen Investitionen hochfahren. Das hat zum einen den Vorteil, dass Jobs geschaffen würden, vor allem im Bau, wo auch viele unqualifizierte Arbeiter endlich wieder einen Job fänden. Das hat zum anderen den Vorteil, dass der öffentliche Kapitalstock wieder wachsen würde. Seit 2003 schrumpft er nämlich. Echt! Das gibt es sonst in keinem OECD-Land! Und last but not least sagt selbst der Sachverständigenrat, dass öffentliche Investitionen der sicherste Weg zu mehr Wachstum sind.
  2. Um den Konsum anzuregen könnten Steuerschecks verteilt werden wie weiland in Amerika. Oder die Sozialversicherungsbeiträge könnten einseitig bei den Arbeitnehmern gesenkt werden (letztes Jahr wurden sie beim Zahnersatz einseitig bei den Unternehmen gesenkt). Oder Steuersenkungen bei den unteren und mittleren Einkommen, oder, oder, oder

Aber was planen Merkel und Finanzminister Steinbrück?

  1. Ab nächstem Jahr wird die Pendlerpauschale drastisch gekürzt, sprich das verfügbare Einkommen verringert
  2. Die Eigenheimzulage wird gestrichen, sprich, es wird zumindest mental schwieriger sich für den Bau eines Hauses zu entscheiden, was der Binnennachfrage nicht zuträglich ist.
  3. Die Mehrwertsteuer wird um satte drei Prozentpunkte erhöht. Super, diese Maßnahme setzt genau an der richtigen Stellen an! Konsumschwäche mit Mehrwertsteuererhöhung kurieren. Durchdachter geht’s nimmer!
  4. Die Unternehmen sollen weiter entlastet werden. Unlängst war eine Zahl in Höhe von acht Milliarden Euro in der Diskussion. Klasse Idee! Sie schwimmen doch heute schon in Milliarden.

Zielgenauer kann man nicht beraten. Wenn diese Wirtschaftsberater weiter das Sagen haben, braucht sich niemand wundern, wenn Deutschland in einigen Jahren tatsächlich ein Sanierungsfall ist.