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Die gefährlichen Werte des Josef A.

 

Heute ist das Verfahren im Mannesmann-Prozess gegen Joe Ackermann und Konsorten gegen Geldauflage eingestellt worden. Ich bedaure das nicht. Wie hätte Gerechtigkeit gefunden werden sollen – und für wen? Das Staat kann den Herren keinen Prozess machen, der die Moral zum Inhalt hat. Und Untreue im Unternehmenszusammenhang ist ein schwieriger Begriff. Ich finde es nur ein wenig sonderbar, dass der Chef der Deutschen Bank die höchste Summe, nämlich 3,2 Millionen Euro zahlen muss. Dabei hat Ackermann nichts von den Prämien gehabt und war wohl derjenige, der am wenigsten Hemmungen hatte, solche Prämien zu gewähren, sprich das geringste Unrechtsbewusstsein. Er ist der Internationalste der Truppe und international, sprich vor allem im angelsächsischen Raum, waren die gewährten Prämien Peanuts. Dass Esser dabei nicht mulmig geworden ist, dass Joachim Funk auch was abbekommen wollte, das finde ich schlimmer. Die beiden Mannesmänner hätten meinem Gerechtigkeitsempfinden nach mehr zahlen müssen. Aber ich bin kein Jurist.

Dennoch regen mich die gewährten Prämien, die angelsächsischen Usancen unheimlich auf. Genauso wie die Argumentation, wofür diese Herren das Geld bekommen haben. Weil sie „Werte geschaffen haben“, sagt Ackermann. Aber was sind denn das für Werte? Und was hat der damalige Vorstandschef Klaus Esser überhaupt für Werte geschaffen? Richtig, der Börsenkurs der Mannesmann-Aktie ist explodiert. Virtuelle Werte. Hat er Arbeitsplätze geschaffen, hat er für Umsatz und Wachstum im Unternehmen gesorgt? Hat er die für das Unternehmen langfristig richtigen Entscheidungen getroffen? Diese Fragen muss man im Wertegerüst des Josef A. gar nicht stellen. Schaut auf den Aktienkurs, lautet die hohle Shareholder Value Logik. Er ist sensationell gestiegen.

Ok, bleiben wir kurz in der Shareholder Value Logik. Dann müsste man zumindest „Werte schaffen“ so definieren, dass da einer sein Unternehmen erfolgreicher als andere verwaltet und positioniert hat. Der Aktienkurs müsste also stärker steigen als bei Unternehmen der Konkurrenz aus der selben Branchen. Nur dann kann ich aufrichtiger Weise von „Werte schaffen“ sprechen. Aber selbst das ist nicht der Fall. Ich habe beim ersten Prozess mal eine Grafik in der ZEIT gezeigt, die den Aktienkurs von Mannesmann vom Tag Essers Amtsübernahme bis zum Durchwinken der Übernahme abbildet. Diesen Kursverlauf habe ich gegen die Branche, also alle Telekom-Aktien Eurolands laufen lassen. Und siehe da: Mannesmann hat sich nicht besser geschlagen als Deutsche Telekom, France Telekom oder Telecom Italia. Nur ganz zum Schluss gibt es tatsächlich eine Outperformance. Das ist die Übernahmeprämie. Und die fällt mit weniger als 20 Prozent recht bescheiden aus. Selbst in der Shareholder Value Logik hat Esser keine Anerkennungsprämie verdient. Bekommen hat er sie trotzdem.

Mannesmann Aktienkurs

Und deshalb war der Prozess auch kontraproduktiv. Denn er hat das „Werte schaffen“ des Herrn Ackermann erst hoffähig gemacht. Es gab keine gesellschaftliche Auseinandersetzung um das Thema, zumindest keine, die die wirtschaftlichen Eliten im Land erreicht hätte. Im Gegenteil: durch den Prozess wurden die neuen Usancen in Deutschland erst richtig verankert. Heute schreiben die Manager großer Unternehmen gleich zu Beginn in ihre Verträge, wie viel Millionen sie bekommen, sollte es zu einer Übernahme ihres Unternehmens kommen. Das macht sie in letzter Instanz sogar zu freiwilligen Opfern. Sie werden sich nicht mehr groß gegen Übernahmen stemmen, obwohl sie davon ausgehen können, dass die Übernahme für ihr Unternehmen, für ihre Mitarbeiter, für die Region, in der ihr Unternehmen tätig ist, negative Auswirkungen hat. Hauptsache für die Chefetage geht es gut aus. Beispiel gefällig?

Der Vorstand von Schering hatte in seinen Verträgen eine Klausel, dass es bei einer feindlichen Übernahme zusätzlich zu den ausgezahlten Verträgen eine Millionen-Prämie geben sollte. Als Trostpflaster, sozusagen. Nur zwei Tage bevor Bayer in den Übernahmekampf um Schering gegen Merck einstieg, wurde die Klausel auch auf freundliche Übernahmen erweitert. Bayer war schließlich der weiße Ritter, der die bösen Mercks aus dem Feld schlug. Schließlich kam es zu der freundlichen Übernahme durch Bayer. Die vier Vorstandsmitglieder, die keinen Posten im neuen Unternehmen bekommen haben, erhielten neben ausstehenden Bezügen in Höhe von 13,1 Millionen Euro, zusätzlich 11,7 Millionen Euro. Reiner Zufall sei die Vertragserweiterung auf freundliche Übernahmen zwei Tage vor dem Eintritt von Bayer in die Schlacht gewesen, behauptet natürlich das Unternehmen.

Egal, ob Zufall oder nicht: Das Beispiel Schering zeigt, dass der Mannesmann-Prozess für die Moral der Manager unnötig war. Rund 25 Millionen Euro „Abfindung“. Dafür muss ein durchschnittlicher Angestellter mit 40.000 Euro Jahresgehalt fast 600 Jahre arbeiten, also 15 Leben leben. Mir geht es nicht um Neid, diese Debatte halte ich für fadenscheinig. Aber Gehälter in diesen Dimensionen sind einfach demokratiezersetzend. Sie leisten einer Plutokratie Vorschub. Das meine ich ernst.

Und last but not least finde ich als überzeugter Kapitalist die Wertevorstellungen Ackermanns gefährlich. Denn das Starren auf den Aktienkurs als allein selig machenden Parameter der Unternehmensführung und Managerentlohnung leistet der Kurzfristigkeit Vorschub. Macht die Vorstände zu Sklaven der Analysten und der Moden am Kapitalmarkt. Ja, es schadet wahrscheinlich sogar der Realwirtschaft. Hier eine kurze Antwort, die ich gestern von der Presseabteilung der Porsche AG auf meine Frage bekam, warum es bei Porsche weder Aktienoptionen noch Belegschaftsaktien gibt, warum man also sich genau gegen die Shareholder Value Logik entschieden hat? „Beides passt nicht zu unserer Unternehmenskultur. Wir sind der Ansicht, dass Vorstände und Führungskräfte unabhängiger entscheiden können, wenn sie nicht am eigenen Unternehmen beteiligt sind.“ Wunderbar, das ist der alte kapitalistische Geist, der mir gefällt. Das ist der Geist, der wieder Einzug halten muss, zum Wohle des Kapitalismus. Hier noch ein Paper, das jeder Freund des Kapitalismus lesen sollte: Just say no to Wall Street.

Sag einfach Nein zu Ackermanns Werten!