An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Auch heute ist in Berichten über den NSU die V-Person Krokus Thema. Zudem geht es um einen mit krimineller Energie angelegten Twitter-Account, der die Angehörigen der NSU-Opfer mit Anspielungen auf die Holocaust-Lüge beleidigt.
Unter anderem die türkische Zeitung Sabah berichtet, Krokus sei eine Frau. Bis 2010 soll sie für den baden-württembergischen Verfassungsschutz gearbeitet haben. Jemand, der sich Verlobter von Krokus nennt, schreibe seit 2011 Mails, in denen er den Behörden Ermittlungsversäumnisse vorwirft. Hinweise von Krokus zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter seien ignoriert worden. Der E-Mail-Schreiber soll die Person A.G. sein, die sich lange in einem Zeugenschutzprogramm befand.
Auch das Neue Deutschland befasst sich ausführlich mit Krokus und ihrem Umfeld, zitiert Äußerungen der Frau und nennt auch mehrere Klarnamen. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten soll sie unter anderem der Stuttgarter Zeitung Informationen angeboten und Geld verlangt haben. Auch die Junge Welt erzählt noch einmal die Geschichte der Frau und analysiert in einem Kommentar die Parallelen und Unterschiede zwischen dem NSU-Verfahren und dem Prozess gegen die RAF-Terroristen.
Auch die Akten des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg über die V-Person sind Thema. Noch ist nicht klar, inwieweit die Unterlagen für den Prozess von Bedeutung sein könnten. Den Streit über die Lieferung der Papiere an den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages griff die Sabah (Nachtrag zu Dienstag) in ihrer deutschsprachigen Online-Ausgabe in Kurzform auf. Ausführlicher berichteten Zeitungen wie die Südwest-Presse: Die baden-württembergische FDP-Opposition will SPD-Landesinnenminister Gall vor den Untersuchungsausschuss laden – wegen der fehlenden Akten. Gall verteidigt sich, die Papiere seien schon vergangenen Mittwoch beim Ausschuss angekommen, was das Ausschussbüro bestätigt. Die Südwest-Presse kommentierte, der Ausschuss gerate zunehmend in den Sog des Wahlkampfes.
Wenn man beim Dönerkauf vom Hintermann hört das es die NSU nicht gibt...
— Peter (@Aduril) 28. Mai 2013
Der Berliner Politologe Hajo Funke zieht in seinem Blog eine Bilanz der Arbeit des Untersuchungsausschusses und schlussfolgert daraus auf den Prozess: Die Abgeordneten hätten es „nicht gewagt, den Abgrund auszuleuchten und das Rätsel eines beispiellosen (Sich-)Versagens der Sicherheitsbehörden zu lösen“. Funke fragt nach den Informationsflüssen innerhalb der Ämter und konstatiert, im NSU-Prozess sei die Antragsbegründung für die Verurteilung der Angeklagten „zum Teil nicht durch die Empirie zureichend gedeckt“ (drittletzter Absatz). Das sei „auch dank miserabler Ermittlungen“ so, wie der Untersuchungsausschuss überzeugend gezeigt habe.
Nur geschmacklos, irre oder volksverhetzend? Am Dienstagabend startete ein Twitter-Account mit der kruden Behauptung – unter Anspielung auf die Holocaustlüge – den NSU habe es nie gegeben. Unter der – vom NSU-Bekennervideo bekannten – Paulchen-Panther-Figur ist vom „NSU-Märchen“ und von Medienlügen die Rede, Abgeordnete der Linkspartei werden diffamiert. Einer der Tweets warb für eine gleichnamige Facebook-Site. Über Nacht wuchs der Account auf 17 Postings an und war immer noch erreichbar.
Weiteres zur NSU-Aufarbeitung: Die Kanzlerin will vor der Sommerpause Angehörige der NSU-Opfer treffen (u.a. Spiegel Online). Gesagt hat sie das auf dem Integrationsgipfel im Kanzleramt, wo sie mit Migranten über deren Arbeitsmarktchancen sprach. Die Frankfurter Rundschau (noch nicht online) kommentiert, die Vorurteile gegenüber Einwanderern seien die tatsächlichen Hemmnisse für Integration. „Keine noch so wortreich beschworene Willkommenskultur wird die Verheerungen der NSU-Mordserie vergessen machen. Darüber zu sprechen, wäre Aufgabe eines Integrationsgipfels gewesen“, schreibt der Autor.
Nachtrag vom Dienstag: NPD kennt jetzt die Zahl der V-Leute des Landesverfassungsschutzes, berichtete die Berliner Zeitung. Die Behörde schickte Unterlagen an das Abgeordnetengremium, in dem aber auch ein NPD-Mann sitzt.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 30. Mai.