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Unser NSU-Archiv

 

Die Pistole, die bei neun NSU-Morden zum Einsatz kam © Franziska Kraufmann/dpa

Dies ist der 1.662. und letzte Eintrag im NSU-Prozess-Blog. Fünf Jahre und zwei Monate lang haben wir an dieser Stelle das Geschehen im Münchner Terrorprozess aufbereitet. Solange dieses riesige Verfahren lief, war das Blog aktiv. In unserem Medienlog haben wir an fünf Tagen pro Woche Stimmen aus der Presse gesammelt. An jedem Prozesstag haben wir Ihnen eine Vorschau auf das Geschehen geliefert. Nicht zuletzt war das Blog Sammelort für nahezu alle unsere Berichte und Reportagen aus dem Gericht.

Dahinter stand ein Gedanke: „Wir werden den NSU-Prozess am Oberlandesgericht München in diesem Blog täglich begleiten – bis zu seinem Ende, das Jahre entfernt liegen mag.“ So hieß es in unserem allerersten Eintrag. Wir haben damals entschieden: Dieses Verfahren ist zu wichtig, als dass wir nur gelegentlich einen Reporter dorthin entsenden und lediglich einzelne Prozesstage herausgreifen können.

Auch für mich persönlich war das eine folgenreiche Entscheidung. Ich hatte als freier Journalist im Losverfahren des Münchner Oberlandesgerichts eine Reservierung für einen der wenigen Sitzplätze in dem Verfahren gewonnen. So wurde ich der NSU-Reporter für ZEIT ONLINE. Zeitweise unterstützt von Kollegen habe ich in den vergangenen Jahren dieses Blog geführt. So habe ich über all die Jahre nicht nur direkt aus dem Verfahren berichtet und zusätzlich die Berichte meiner vielen engagierten Kollegen von anderen Medien ausgewertet – ich hatte durch die Kommentare hier im Blog auch eine gute Vorstellung davon, wie das Verfahren wahrgenommen wird. Viele Rückmeldungen von Prozessbeteiligten zeigten mir außerdem: Dieses Blog hatte Gewicht in der Sphäre des NSU-Prozesses, Ankläger, Verteidiger, Nebenkläger informierten sich hier.

Nun ist das Verfahren mit dem Urteil beendet. Und viele Kommentatoren, die einen pessimistischen Blick auf das Verfahren hatten, haben teilweise recht behalten: Die Strafen, die Richter Manfred Götzl verhängt hat, sind in Teilen verwunderlich. Carsten S., der sich gleich zu Prozessanfang 2013 zu seiner Schuld bekannte, wurde mit drei Jahren Haft vergleichsweise hart bestraft. André E. hingegen, der den ganzen Prozess über schwieg, kam mit zweieinhalb Jahren davon. Das ist schwer zu vermitteln.

Eines darf man jedoch nicht vergessen: Der Prozess war mehr als nur sein Urteil. Richter Manfred Götzl hat in diesem Verfahren mit seinen Kollegen intensiv nach der Wahrheit geforscht – beschränkt durch die engen Grenzen eines Strafverfahrens. Am Rande des Prozesses wurde dies nicht nur kritisiert, sondern führte wiederum zu einer intensiven Diskussion über den Umgang Deutschlands mit Rechtsextremismus, die Arbeit seiner Geheimdienste und die Ermittlungen der Polizei.

Im besten Fall verstummen diese Diskussionen nicht. Im besten Fall bleiben viele Menschen wachsam, wenn gefährliche, radikale Strömungen sich Bahn brechen. Dann haben wir mit unserer Arbeit etwas erreicht. Dann kann dieses Blog auch nach seinem Ende noch als Quelle für Fakten und Argumente dienen. Mir hat es große Freude gemacht, diese Diskussion zu begleiten.

 

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