Gamze und Elif Kubaşık, Tochter und Witwe des verstorbenen Mehmet Kubaşık, berichteten am 51. Prozesstag von den Verdächtigungen gegen die Familie – darum drehte sich auch die Berichterstattung. Wie auch bei den vorherigen Morden ermittelten die Beamten in Richtung Drogen und organisierte Kriminalität, einen rechtsextremen Hintergrund schlossen sie jedoch aus.
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Gisela Friedrichsen von Spiegel Online resümiert: „Die Angehörigen der Opfer wiesen die Ermittler immer wieder auf Täter aus möglicherweise rechtsradikalem Umfeld hin, auch im Fall Kubaşık – immer wieder erfolglos. Wie ist dieses abwehrende Verhalten anders zu erklären als mit einem tiefsitzenden Misstrauen, einem Generalverdacht gegen alles Fremde, Nicht-Deutsche?“
„Wie ein Verdacht eine Familie zerstörte„, titelt die Süddeutsche Zeitung. Annette Rammelsberger beschreibt die Aussage von Gamze Kubaşık: „Mit Hunden durchsuchten die Beamten die Wohnung der Kubaşıks nach Drogen – sie fanden nichts. Aber nun waren die Gerüchte in der Welt. Da müsse doch was dran sein. Und auf der Straße hörte die Tochter das Getuschel: Das sei die Tochter des Mannes, der Drogen an Jugendliche verkauft habe. Und sie hörte eine Frau sagen, auch die Kinder des Drogenhändlers sollten drogenabhängig werden. ‚Es klang wie eine Verfluchung‘, sagt Gamze.“
Auf die Gerüchte gehen Ismail Erel und Rahmi Turan in der türkischsprachigen Tageszeitung Sabah ebenfalls ausführlich ein. Die Autoren geben die Aussagen von Gamze und Elif Kubaşık genau wieder. Die Frauen berichteten vor Gericht auch von der Angst, die sie nach dem Mord gehabt haben. Die Witwe erzählt, dass sie sich gefürchtet hatte, sobald sie jemanden mit einem Fahrrad sah – vorher hatte sie erfahren, dass Verdächtige mit Fahrrädern in der Nähe der Tatorte gesichtet wurden. Die Mutter des Ermordeten hätte nach dem Mord gar einen Herzanfall erlitten. Gamze Kubaşık sagte außerdem aus, dass im Kiosk eine Überwachungskamera angebracht war. Sie war deutlich sichtbar, hat jedoch nicht funktioniert.
Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk hat mit Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer gesprochen. Demnach halten er und seine Mandantin Gamze Kubaşık es für möglich, dass der Mord an Mehmet Kubaşık aus der sehr aktiven Dortmunder Neonazi-Szene heraus unterstützt wurde.
Olaf Klemke, der Anwalt des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, wollte in der Verhandlung wissen, ob „deutsche oder ausländische“ Nachbarn Gerüchte streuten, wie unter anderem Andreas Speit für die taz berichtet. Richter Manfred Götzl untersagte schließlich weitere Fragen zur Unterscheidung der Nationalität.
Für ZEIT ONLINE beschreibt Tom Sundermann die Situation so: „Er (Klemke) erkundigt sich nach dem Namen des Jungen, den der Bruder auf dem Schulhof verprügelt hatte. Im Saal wird es unruhig. „Wenn Sie darauf hinaus wollen, ob es ein Deutscher oder ein Türke war – ich weiß es nicht. Das wollten Sie doch fragen“, herrscht Kubaşık ihn an. Klemkes Äußerungen irritieren. Als er wissen will, welcher Nationalität die tuschelnden Menschen auf der Straße angehörten, kassiert Richter Manfred Götzl die Frage, weil er sie als irrelevant wertet.“
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Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 7. November.