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Vom sturen Bock zum hartnäckigen Aufklärer – das Medienlog vom Dienstag, 24. Dezember 2013

 

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Am Ende des Jahres ziehen viele Autoren eine Zwischenbilanz zum NSU-Prozess. So etwa Christian Bommarius von der Berliner Zeitung. Der Autor schreibt, Richter Manfred Götzl hätte sich in 71 Verhandlungstagen den Ruf als Spitzenjurist zurückerobert.

Götzls Bild in der Öffentlichkeit hätte sich grundlegend gewandelt: Als sturer Bock und unerbittlicher Bürokrat sei er vor Beginn des Prozesses wahrgenommen worden. Als jemand, der „ungerührt den Untergang der Welt betrachten würde, wenn der sich nur im Einklang mit der Rechtsordnung vollzöge“. Das habe vor allem an der Journalisten-Akkreditierung gelegen; Götzl hätte sich darin „verheddert“, schreibt Bommarius. Inzwischen sei Götzl nicht mehr der sture Bock, sondern der hartnäckiger Aufklärer. Bommarius resümiert: „Der Prozess in München kann zerstörtes Vertrauen vielleicht nicht wieder aufbauen, aber das Misstrauen eventuell besänftigen. Bisher scheint es, als sei Manfred Götzl der richtige Mann dafür.“

Die türkischsprachige Sabah berichtet, dass der Vater Uwe Mundlos‘ den Leichnam seines Sohns nach der offiziellen Autopsie noch einmal hat untersuchen lassen. Das Ergebnis: Mundlos wurde nicht von einer Pistolenkugel getötet, sondern von einer Kugel aus einem großkalibrigen Gewehr. Der Vater glaubt nicht an Selbstmord, sie Sabah zitiert ihn mit den Worten: „Das zeigt noch einmal, dass die offizielle Version der Polizei nicht richtig ist.“ Der Autor verweist auf einen Bericht des TV-Senders N24, in dem ein Waffenexperte ebenfalls die Theorie vertritt, dass Mundlos und Böhnhardt keinen Selbstmord begangen haben. (siehe Medienlog vom 1. November 2013)

Ein bewaffneter Raubüberfall in Chemnitz aus dem Jahr 1998 geht offenbar auch auf das Konto der NSU. Das berichtet die Thüringer Allgemeine. Sollte das stimmen, wäre es der erste bewaffnete Raubüberfall der NSU und auch ein Hinweis darauf, dass sich der NSU bereits 1998 Schusswaffen besorgt habe, schreibt Autor Kai Mudra. Was genau die Ermittler damals herausfanden, sei jedoch nicht mehr nachvollziehbar, denn die Ermittlungsakte sei nach Ablauf der betreffenden Archivierungsfristen vernichtet worden. Nebenkläger-Verteidiger Eberhardt Reinecke nennt die Aktenvernichtung „unzulässig“.

Die Zeugenladungen für Januar wurden bekannt gegeben und von Holger Schmidt auf seinem Blog veröffentlicht. Unter anderem sind die Mutter von Uwe Mundlos, die Mutter der ermordeten Polizistin Michéle Kiesewetter und der Polizist Martin A. als Zeugen geladen. Martin A. saß neben Kiesewetter im Streifenwagen, als diese in Heilbronn erschossen wurde. Ihr Kollege A. überlebte den Anschlag schwer verletzt. Besonders interessant findet Schmidt den ebenfalls vorgeladenen Zeugen Jamil C. Er sei zum Tatzeitpunkt an der Heilbronner Theresienwiese vorbeigekommen. Er habe wohl nichts mit der Tat zu tun, habe die Ermittler aber dennoch lange beschäftigt, weil man ihn aus anderen Ermittlungen im Bereich „Ausländerextremismus“ kannte, so Schmidt. Der Autor erwartet, dass die 30 Minuten, die für C.s Vernehmung eingeplant sind, zu knapp sein könnten.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 27. Dezember 2013.