Am Wochenende droht der NPD beim Bundesparteitag in Saarbrücken ein Machtkampf. Hardliner in der Partei wollen – gestärkt nach dem gescheiterten Verbot in Karlsruhe – eine Richtungswahl forcieren und fordern nach den letzten desaströsen Wahlergebnissen eine Radikalisierung der NPD – nicht nur inhaltlich, auch personell. Ihr Kandidat dafür ist der langjährige Neonazi Thorsten Heise.
Der einschlägig vorbestrafte Heise war erst vor wenigen Wochen zum Landesvorsitzenden in Thüringen gewählt worden und sitzt für die NPD im Kreistag des Eichsfeld-Kreises. Seit Jahren ist er in der Neonazi-Szene eine zentrale Figur. Anfänglich war er in Niedersachsen aktiv, wo er bis zum Verbot als Landesvorsitzender der FAP fungierte. Nach einer Haftentlassung gründete er 1997 dort die Kameradschaft Northeim, vor deren Transparent er noch heute auftaucht, und organisierte seitdem diverse Aufmärsche oder trat als Redner auf. Parallel betätigte sich Heise auch als Produzent und Händler im Rechtsrock-Business, zog 2002 nach Fretterode in Thüringen und organisierte dort in den letzten Jahren das Neonazi-Festival Eichsfeldtag.
Immer wieder geriet er auch mit dem Gesetz in Konflikt, ist vorbestraft wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruch, Nötigung und Volksverhetzung sowie Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Der umtriebige Neonazi geriet sogar mehrfach ins Blickfeld der Ermittlungen zum Nationalsozialistischen Untergrund, landete auf der Liste von Personen „mit nachgewiesenen Kontakten zu Tätern oder Beschuldigten“ des NSU-Verfahrens. Bei der Durchsuchung seines Anwesens in Fretterode fand die Polizei von ihm heimlich mitgeschnittene Tonaufnahmen von Gesprächen mit dem damaligen Anführer des Thüringer Heimatschutzes, Tino Brandt, in denen auch die Namen der drei untergetauchten Neonazis Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gefallen seien.
Heise kam erst 2004 mit anderen Kameradschaftsführern wie Thomas „Steiner“ Wulff und Ralph Tegethoff zur NPD, der sie sich in dieser Zeit zur Schaffung einer sogenannten Volksfront von rechts annäherten. Heise bekam einen Posten im Vorstand, war zuständig für die Verbindung zur militanten Kameradschaftsszene.
Nun soll er die desolate Partei richten. In einer Videobotschaft hat er seine Kandidatur angekündigt. Die Partei brauche dringend einen Neuanfang, brauche neue Impulse und Visionen. „Und ich sehe die nicht, dass die bei Frank Franz vorhanden sind“, sagte Heise. Er wolle die Partei komplett neu ausrichten.
Unterstützung erhält Heise von der Berliner NPD. Deren Landesvorsitzender Uwe Meenen postete auf Facebook: „Die Wahl des neuen Parteivorsitzenden der NPD stellt eine Richtungswahl dar: Heise für Deutschland!“ Meenen, der vielen Radikalen in der Partei als zuverlässiger Hardliner gilt, war erst im Oktober letzten Jahres selbst, als deutliches Signal der Abgrenzung zum Kurs der Bundespartei um Frank Franz, in sein Amt gewählt worden. Er erklärte damals, für einen personellen Neuanfang stehen zu wollen, „der auch anderswo in der NPD notwendig ist“. Mit seiner Wahl sende „die Parteibasis der NPD in der Reichshauptstadt Berlin ein Signal in die Gesamtpartei“, sagte Meenen.
Dieses Signal will die Berliner NPD jetzt offenbar mit einer „Denkschrift“ kurz vor dem Parteitag noch einmal erneuern. Sie veröffentlichte auf ihrer Website ein vom Berliner NPD-Schatzmeister Josef „Sepp“ Graf verfasstes Schreiben, das laut Meenen „jeder Delegierte gelesen haben sollte“. Darin wird das jahrelang praktizierte Konzept vom „seriösen Radikalismus“ als Anbiederung an den Rechtspopulismus als gescheitert abgelehnt. Vielmehr solle aus der NPD eine „weltanschaulich festgefügte Partei“ werden. In dem Schreiben fordert Graf eine „Rückkehr zu den Wurzeln“ der NPD, die „als Partei der großen Entwürfe gegründet“ worden sei. Statt an rechtspopulistischen Gruppierungen wie AfD und pro Deutschland solle sich lieber an den griechischen Neonazis der Goldenen Morgenröte orientiert werden.
Die Diskussion zeigt erneut, dass innerhalb der NPD derzeit händeringend nach Wegen aus der anhaltenden Krise gesucht wird. Zentrale Probleme der Partei in Personal- und Finanzfragen sowie schlechte Wahlergebnisse sind auch nach dem gescheiterten Verbotsverfahren nicht vom Tisch. Ob der Hardlinerflügel allerdings genug Stimmen für ihren Kandidaten aufbringen kann, muss sich erst zeigen und ist keineswegs sicher, denn viele enttäuschte NPD-Anhänger aus diesem Spektrum sind mittlerweile zur radikaleren Neonazipartei Der III. Weg übergelaufen, bei dem solche Richtungsdiskussionen gar nicht nötig sind. Ein Erfolg Heises könnte allerdings zu einer deutlichen Annäherung der unterschiedlichen Neonazi-Gruppen führen. Ob diese sich allerdings der NPD unterordnen würden, bleibt fraglich.