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„Eros im BKA“

Heute Abend um 20.30 Uhr im BKA-Theater Mehringdamm: Helmut Krausser, für mich einer der besten lebenden Autoren deutscher Sprache, liest aus seinem Roman „Eros“.

Der Roman Eros ist für die Literatur das, was „A straight Story“ von David Lynch für den Film ist: eine erstaunlich geradlinig erzählte Geschichte eines Autoren, von dem man eigentlich eher irrlichternd-expressionistische Erzählweise, auch sexuell freizügige Schilderungen kennt.

Der Protagonist, eine Art „alter ego“ von Krausser, ist erfolgreicher Schriftsteller, der von dem im Sterben liegenden Großindustriellen Alexander von Brücken den Auftrag erhalten hat, in Romanform dessen Biographie zu schreiben. Der Schwerpunkt hierbei liegt auf von Brückens stets unerfüllten Liebe zu Sofie, einem Mädchen bzw. einer Frau, der er in Jugendjahren in einem Luftschutzbunker näher kam, und die er sein Leben lang nicht vergessen konnte. Von Brücken wird über die Jahre zu einem schwerreichen Mann und gestattet sich, das Leben dieser Sofie zu überwachen, von ferne „mitzugestalten“. Wenn sie seine Liebe schon nicht erwidert, möchte er doch zumindest ein ganzes Leben lang aus der Ferne dafür sorgen, dass es ihr gut geht. Ebendieses Projekt entgleitet ihm aber schnell – und ihr Leben verläuft unglaublich tragisch.

Krausser bringt diese Geschichte wunderbar auf zwei Erzählebenen abgefedert – wir erfahren die Geschichte abwechselnd aus erster und zweiter Hand, nämlich in Form von den abendlichen Erzählsitzungen, in denen der im Sterben liegende von Brücken dem Protagonisten sein Leben so erzählt, dass dieser es zu einem möglichst guten Buch destillieren kann.

Krausser verzichtet trotz des Buchtitels auf explizite Szenen aller Art und erzeugt Gefühle einfach durch die unglaubliche Geschichte, die sich auftut – und die dennoch so hätte geschehen können. Kraussers zugänglichstes und reifstes Buch bisher.

Ich empfehle den Besuch der Lesung.

 

Kurztrip nach Mittelerde

Ich war gerade mal kurz in Mittelerde. Genau genommen war ich im Filmpark Babelsberg, wo am Donnerstag die „Herr der Ringe“-Ausstellung eröffnet wird. Wir Damen und Herren von der Presse durften schonmal vorab reinschauen, aber mit ungestört durch die Ausstellung schlendern war es dann leider nix, denn es tummelten sich dort ganze Busladungen von Kollegen (die Hälfte mit Fotoapparaten und Kameras bewaffnet), denen man ständig versehentlich im Bild herumlief. Aber ich will mal nicht klagen: Im Vergleich zu dem Trubel, der dort ab Donnerstag herrschen dürfte, ist das wahrscheinlich Pillepalle.

In der 1200 Quadratmeter großen Halle werden hunderte von Filmrequisiten gezeigt, die gebührend zu bewundern mir leider gar keine Zeit blieb. Die Faszination ist aber bei jedem einzelnen Exponat zu spüren. Selbst eine einfache Gürtelschnalle oder auch der tausendste Hobbit-Fuß (die haarigen Gummischläppchen hielten immer nur einen Drehtag lang) wurden mit einer unglaublichen Akribie und Liebe zum Detail hergestellt.

Die Kostüme der Protagonisten – Schmuck, Waffen, Rüstungen – sind original Requisiten, die alle im Film zum Einsatz kamen und entsprechend Patina haben. Dem ledernen Mantel und den Stiefeln Aragorns beispielsweise sieht man an, dass der Schauspieler darin gekämpft, geritten und ordentlich geschwitzt hat. Der Haufen durchgelatschter Hobbit-Füße ist zum Glück in einem geschlossenen Glaskasten ausgestellt, der Geruch wäre dann vielleicht doch ein bisschen zu viel der Authentizität.

Echt furchterregend ist das Modell des Höhlentrolls, der im Film zwar computeranimiert war, für die Ausstellung jedoch etwa drei Meter groß und originalgetreu nachgebildet wurde. Auch Boromirs sieht täuschend echt aus, wie er da im Elbenkahn liegt. Im Wellingtoner „Te Papa“-Museum sorgte die Silikonfigur übrigens für leichte Panik unter den Besuchern, als sie plötzlich ein wenig die Arme anhob – der Kunststoff hatte sich unter dem Scheinwerferlicht erwärmt.

Neben vielen Exponaten befinden sich außerdem Monitore, auf denen der Besucher Videoclips mit Interviews, Blicken hinter die Kulissen und Making-of-Sequenzen abspielen kann.

Die Ausstellung lohnt sich, denn sie ermöglicht den Fans nicht nur einen Blick, sondern einen ganzen Besuch hinter den Filmkulissen. Ich selbst habe die Ausstellung in Wellington letztes Jahr knapp verpasst und freue mich, sie jetzt doch noch gesehen zu haben. Trotzdem: Wer Mittelerde wirklich erleben will, muss einfach nach Neuseeland. Viele „Herr der Ringe“-Sequenzen entstanden zwar im Computer, aber die Landschaft dort ist tatsächlich so phantastisch, dass man seinen Augen manchmal kaum trauen mag.

Rund um Queenstown wurden übrigens zahlreiche Szenen gedreht und die Chancen stehen recht gut, zufällig mit einem „Herr der Ringe“-Statisten ins Gespräch zu kommen. Mich hat zum Beispiel beim Trampen ein Ork mitgenommen. Ohne Maske und Rüstung sah der zum Glück ganz freundlich aus.
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Die Original-Ausstellung zu Peter Jacksons Trilogie DER HERR DER RINGE ist vom 1. Februar bis 29. April 2007 (täglich 10 – 20 Uhr) im Filmpark Babelsberg zu sehen. Kostenpunkt: 12 Euro (ermäßigt 10). Für Hardcore-Fans empfiehlt sich die Dauerkarte für 50 Euro.
Info-Hotline: 0331-7212800

www.filmpark.de

 

Im italienischen Himmel angekommen

„Wir gehen ins Bocca di Bacco“, sagt der Kollege. „Och nö“, sage ich, erstens ist mir seit dem letzten Original-Besuch in Volterra gar nicht so nach italienischem Essen aus vermutlich deutscher Hand, außerdem gilt das Bocca di Bacco derzeit als der superhyperangesagte Spezialitaliener und so erwarte ich eigentlich viel Chichi um nichts, miserablen Service und überteuertes, schlechtes Essen, so wie ich es schon mehrmals im Sale è Tabacchi erleben musste.

Aber der Kollege setzte sich durch (klar, er lud ja ein) und so folgte ich ihm seufzend und mit gesenktem Kopf ins Bocca di Bacco. Das Restaurant ist sehr elegant, hält an der vorderen, inneren Glasfront schön eingedeckte Tische bereit und zur Mitte hin einen Bereich, den ich leider (ahh, Herpes) „Lounge“ nennen muss. Die Kellnerin ist hinreißend nett und aufmerksam und hat einen guten Humor. Das Publikum ist sehr oldschool-mittig, also der Herr im Anzug, die Dame im Kleid. Jeans-und-Sneaker-Schnullis mit Freitag-Umhängetasche hingegen glücklicherweise abwesend.

Wir bestellen Bündnerfleisch mit Feldsalat, Pinienkernen und Parmesan, Tagliolini mit einer Sauce aus schwarzen Oliven und eine Kaninchenroulade. Direkt nach der Bestellung ergreift die Bedienung eine Ölflasche, gießt Öl auf einen Teller, gibt einige Tropfen besten Balsamico dazu, verrührt beides zu einem kleinen Gemälde und reicht Oliven und einen Brotkorb mit mehren Sorten frisch gebackenem Weißbrot. Fantastico.

Das Bündnerfleisch kommt wenig später, es ist duftig-zart und von nahezu obszöner Frische. Und es geht Schlag auf Schlag weiter. Die Pasta sind gerade richtig bemessen und beherzt gewürzt (endlich mal wieder ein Koch, der sich traut zu salzen), die Kaninchenroulade ist grandios. Der dazu bestellte gereichte 1985-er Brunello Riserva Castelgiocondo ist samtig-süffig und beamt einen innerhalb von drei Sekunden in einen toskanischen Spätsommertag heinein.

Es gibt nichts – gar nichts – zu meckern. Essen und Service sind von höchster Güte, das Restaurant ist – obwohl rammelvoll – angenehm ruhig, kein spitzes Gelächter, keine wichtigtuerischen Dickdenker, angenehme Dezenz herrscht. Derzeit muss man das Bocca di Bacco uneingeschränkt empfehlen.

Bocca di Bacco
Friedrichstr. 167/168
10117 Berlin
(030) 20672828
www.boccadibacco.de
Mo-Sa 12-24 Uhr,
So 18-24 Uhr

 

Es stürmet

22:11 Uhr. Ah, ich glaube, jetzt ist er da, der Orkan. Dochdoch, einigermaßen ungemütlich. Da mach ich besser mal eine Flasche Wein auf.

 

Mehdorn im Auge

Nochmal zum Thema „Dach des Berliner Hauptsbahnhofs“. Die Welt berichtet, dass das „aus Zeit- und Kostengründen“ von Bahnchef Mehdorn gekürzte Dach 64,4 Millionen Euro gekostet hat. Die Mehrkosten entstanden u.a. durch zusätzliche Statikgutachten. Das ursprünglich geplante, lange Dach, hätte „nur“ 36,8 Millionen Euro gekostet. Jetzt bin ich aber mal gespannt, wie Mehdorn aus der Nummer rauskommt.

 

Schwaben und Servicewürste

Es geschah an einem Grünkohltag. Grünkohltag? Ich muss es wohl erklären. Ein Grünkohltag ist ein Tag, an dem man morgens aufwacht, müde, erschöpft und übellaunig. Man weiß genau, dass das Einzige, was einen überhaupt aus dem Bett hochreißen kann die Aussicht ist, des Abends Grünkohl mit Kartoffeln und Schinkenknackern zu essen. Man nimmt hierfür daselbst ein Kilo tiefgefrorenen Grünkohl, schält etwa die selbe Menge an Kartoffeln, schwitzt eine kleingehackte Zwiebel in etwas Schweineschmalz an, löscht mit einem Viertelliter Rindskraftbrühe, gibt eine Kinderhand voll Liebstöckel hinzu, kantet den tiefgefrorenen Grünkohlklotz nebst den in kleine Stifte geschnittenen Kartoffeln hinzu, salzt beherzt, verlängert mit einem Viertelliter Wasser, legt vier geschälte Knoblauchzehen und mehrere Schinkenknacker, notfalls Landjäger obendrauf, auf dass Knoblauch- und Wurstsud in den Grünkohl hineindiffundieren mögen, deckelt all jenes und lässt es ein bis zwei Stunden auf kleiner Flamme kochen. Danach lupft man den Deckel, schmeißt den Knoblauch weg, legt die Würstel beiseite, mengt zwei Esslöffel Dijonsenf in die Grünkohl-Kartoffel-Masse und beginnt mit rosigen Wangen zu fressen.

Solcherart waren meine Gedanken beim Aufwachen. Ein Stündlein später stand ich frischgewienert im Kaiser’s-Supermarkt, lud Grünkohl und Kartoffeln in mein drahtiges Einkaufswägelchen und stellte mich an der Fleischtheke an, zu kaufen die Schinkenknacker. Eine mittelalte Frau stand bereits da und kaufte ebenso gemählich wie ausführlich Aufschnitt hoher Diversität in Großfamilienmengen. Ebenfalls am Orte: Ein Mittdreißiger, schlank, eng sitzende schwarze Röhrenjeans, dunkelblaue Kickers-Schuhe, dunkelblaue Jack Wolfskin-Outdoor-Jacke höchster Vernunftstufe, dunkelgrüner Plastikrucksack, überdies eine Brille mit runden Gläsern tragend, leicht angegraute Langhaarfrisur, zum Pferdeschwanz gebündelt. Also: Ein Schwabe.

Zwei Kilo Rindsrouladen bestellt er. Und fügt an: „Geschnitten“.

Die Bedienung merkt auf: „Aber sicher, wenn Sie Rouladen bestellen, sind die immer vorgeschnitten.“

Der Schwabe retourniert sofort, als hätte er diese Antwort bereits einkalkuliert. „Des saget SIE.“

Fragend schaut die Bedienung. Der Schwabe legt nach: „Meine Fraú habet Sie ledschde Woche sséhr geärgert. Sehr geärgert.“

„Wie das?“

„Sie hat zwei Kilo Schweinskotelett bestellt. Und hat die komplett am Stück bekommen. Da war nix geschnitten. Gar nix.“

„Und warum hat Ihre Frau nix gesagt?“

„Meine Frau? Die Geli? Warum die nix gsagt het? Sie kennet halt die Geli net“, stößt er verbittert lachend hervor.

„Na, ärgern wollten wir sie bestimmt nicht“, sagt beschwichtigend, vermittelnd die Bedienung.

Die mittelalte, Aufschnitt kaufende Frau dreht sich um: „Mein lieber Herr, so ungewöhnlich ist das übrigens nicht, das Fleisch am Stück zu verkaufen. Hätte ja sein können, dass Sie einen Braten machen möchten.“

„Oder für die Gastronomie einkaufen“, schalte ich mich unvermittelt und überraschend in die Dreierkonferenz zu. „Da schneidet man sich das dann selber zu“. Dazu mache ich ein sehr schlaues Gesicht, indem ich den Kopf nach hinten lege und dann mit einer „Tja!“-Geste ruckartig nach vorne sacken lasse.

Nun sitzt er in der Falle, der Schwabe. Doch er ist ein echter Schwabe, er hat sein Pulver noch nicht verschossen, und daher zischt er jetzt die schlimmsten Schwabenworte, die es auf der ganzen Welt gibt, es sind Worte, die nur Dummbatzen höchster Dummbatzigkeit von sich geben, und diese Worte lauten:

SERVICEWÜSTE DEUTSCHLAND!

Doch meine Fleischfachverkäuferin schaltet noch einen Gang höher. Nach einem Blick in meinen Einkaufswagen, wir erinnern uns: Grünkohl, Kartoffeln, greift sie an den Haken, wo die zarten, saftigen Schinkenknackerwürstl hängen, zwinkert mich an und fragt rhetorisch: „Für Sie sicher zwei Servicewürste“.

„Ja“, sage ich, „zwei Servicewürste Deutschland. Am Stück, wie Gott sie schuf, keinesfalls geschnitten“. Der Schwabe zuckt zusammen und schleicht gedemütigt in Richtung Pfandautomat, wo er seine Apfelsaftfläschlein in Reih und Glied einstellen wird. Da keimt in mir ein teuflischer Plan auf. Ja, ich werde gleich, an der Kasse, mir meine Treueherzen auszahlen lassen und sie wegschmeißen, vor seinen Augen. Weiden werde ich mich an seinen traurigen Schwabenaugen, die voller Schmerz die Verschwendung schauen. Und danach, ja, danach werde ich meinen Grünkohl aufsetzen.

 

Mit Trauken und Pompeten

Wer eine wirklich wirre Veranstaltung erleben möchte, sollte sich am 14.01.2007 um 21 Uhr im White Trash einfinden. Da spielt nämlich die Blue Babas Bigband. Eigentlich geht das überhaupt nicht zusammen, denn die Blue Babas sind eine unglaublich spielfreudige, laute, zuweilen geradezu brutale Big-Band, die keinerlei Angst vor falschen Tönen hat und deren Bandleader Thomas Germer stark an den frühen Heinz Erhard erinnert. Das White Trash wiederum gibt sich als coolste, ironischste Restauration westlich von Tilsit. Es wird also auf jeden Fall sehr, sehr, sehr wirr, irr und lustig. Hingebefehl!

 

Und immer wieder Respekt

Die Berliner Sparkasse hat eine neue Plakat-Kampagne. Auf Bushaltestellenplakaten wirbt sie mit dem Konterfei eines gut aussehenden, stolz dreinschauenden jungen Türken und behauptet: „Die behandeln mich mit Respekt“. Ich habe vor sehr vielen Jahren mal ein Sparkassenkonto gehabt und gekündigt, weil ich dort so ziemlich alles angedreht bekam außer Respekt und bin jetzt wirklich sehr gespannt, ob ausgerechnet der türkische Berufsschüler wirklich diesen „Respekt“ zugestanden bekommt, oder ob es sich eventuell hierbei um das Ergebnis sehr, sehr teurer Werbeagenturarbeit handelt, mit Studien, Panels und Umfragen und der unglaublich erstaunlichen Erkenntnis, dass junge Menschen aus dem Morgenland vor allem, jawohl!, Respekt schätzen.

 

Ein gutes neues Jahr

… wünsche ich Ihnen. Etwas verspätet, da mit Virus flachgelegen. Danke für die vielen Kommentare im letzten Jahr und die treue Leserschaft. Auf ein gutes 2007 !

Ihr Jochen Reinecke