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Jung und unerschrocken

James Franco, Videostill aus "Castle" © Courtesy Peres Projects Berlin

Peres Projects präsentiert die Einzelausstellung The Dangerous Book Four Boys von James Franco.

James Franco macht viel »Vielversprechendes«, aber für die große Begeisterung hat es noch nicht gereicht. Er ist nominiert für den Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller und arbeitet selber als Drehbuchautor und Produzent. Franco schreibt in Yale seinen Literatur-PhD und veröffentlichte letzten Herbst Palo Alto, einen passablen Band mit Geschichten über gelangweilte, kleinkriminelle Jugendliche. Die Galerie Peres Projects holt jetzt sein künstlerisches Oeuvre nach Berlin, um es in ihren Räumen in Mitte und Kreuzberg zu präsentieren.

Die Einzelausstellung The Dangerous Book Four Boys umfasst Fotos, Zeichnungen, Skulpturen, Videoarbeiten, Installationen etc. aus den letzten vier Jahren. Formal inspiriert von Künstlern wie Paul McCarthy oder dem Underground-Cineasten Kenneth Anger setzt sich Franco darin mit adoleszenten Problemen wie Männlichkeit, Sexualität, Identität oder der Beziehung zu den Eltern auseinander. (Der Titel spielt an auf den Elternratgeber The Dangerous Book for Boys.) Und die Auseinandersetzung ist draufgängerisch, selbstbewusst, eben cool.

Und genau da liegt wohl das Problem der Kritiker: Franco arbeitet mit einer provokanten Nonchalance. Wo Andere klein anfangen, probiert er auf hohem Niveau – und unter den wachsamen Augen der Medien. Die New York Times hat sowohl die Ausstellung besprochen als auch das Buch rezensiert.

19 Uhr | 12. Februar 2011 | Peres Projects Mitte & Kreuzberg | Große Hamburger Straße 17 & Schlesische Straße 26 | Berlin Mitte & Kreuzberg

 

Movies Out of Sex and Life

Barbara Hammer, X, 1973 © Courtesy Barbara Hammer & KOW Berlin

KOW zeigt die Filmemacherin Barbara Hammer in einer Einzelausstellung als Künstlerin – und auch sonst gibt’s von der Pionierin des Queer Cinema diese Woche Einiges zu sehen.

Die Galerie Koch Oberhuber Wolff zeigt frühe Arbeiten aus dem Werk der amerikanischen Dokumentar- und Experimentalfilmerin Barbara Hammer. Die meist sehr persönlichen Filme handeln von lesbischer Emanzipation, ihrem eigenen Leben oder marginalisierten Frauenbiografien. Die Einzelausstellung würdigt Hammers künstlerischen Beitrag zum Avantgardekino und der Performancebewegung, wie ihn auch Film-Retrospektiven am MoMa (2010) und der Tate Modern (2012) zeigen.

Anfang der Siebziger begann Hammer in San Francisco mit den filmischen Repräsentationen eines neuen lesbischen Selbstbewusstseins zu experimentieren. Sie fand Bilder für etwas, das bisher keinen Platz auf der Leinwand fand, befreite lesbische Liebe und Sexualität aus der männlichen Perspektive der konventionellen Filmpraxis. Hammer drehte damals mit der Handkamera auf 8-mm und verwarf klassische Erzählstrukturen. In kollektiven Aktionen machten Hammer und ihre Freundinnen das Intime öffentlich und brachen mit Tabus.

Oft kreiste Hammer dabei um ihr eigenes Leben, von der sexuellen Befreiung (X, 1973) bis zur Krebserkrankung (A Horse is Not A Metaphor, 2008). Aber sie experimentierte auch mit Filmmaterial; für die Arbeit Blue Film No 6: Love Is Where You Find It (1998) schnitt sie beispielsweise den männlichen Protagonisten aus einem Pornostreifen und beließ nur die beiden weiblichen Parts.

Am Montag veranstaltet KOW eine Premierenparty, denn Hammer präsentiert auf der Berlinale zwei neue Arbeiten:

In Maya Deren’s Sink (2010) reflektiert die Künstlerin das Vermächtnis der 1961 verstorbenen Filmemacherin und Theoretikerin Maya Deren auf ihre Privaträume. Deren unterlief die Konventionen des amerikanischen Erzählkinos und gilt als Vorreiterin des experimentellen Films. Und für das Projekt Generations (2010) arbeitete Hammer mit der 40 Jahre jüngeren queeren Filmemacherin Gina Carducci. Sie filmten in einem gealterten Vergnügungspark, bearbeiteten das Material (digital und analog) unabhängig voneinander. Die daraus entstandene Arbeit ist ein Experiment über das Altern und die Weitergabe von Tradition des experimentellen Films.

Und wem das noch immer nicht reicht: Nächsten Mittwoch spricht Barbara Hammer beim Berlinale Talentcampus im HAU. Das Thema: Making Movies Out of Sex and Life.

18 Uhr | 11. Februar 2011 | KOW | Brunnenstraße 10 | Berlin Mitte

 

Trembling Berlin

Pawel Althamer, Videostill aus "Winged" 2008 Courtesy: Foksal Gallery Foundation

Die daadgalerie präsentiert Trembling Bodies von Artur Żmijewski.

Der polnische Künstler Artur Żmijewski ist – gelinde gesagt – engagiert. Ob als Künstler, Mitglied der linken Bewegung Krytyka Polityczna („Politische Kritik“), künstlerischer Leiter des gleichnamigen Magazins oder Leiter der nächsten Berlin Biennale – bei Żmijewski dreht sich alles um Politik und das Machtpotential der Kunst. Entsprechend provokant fallen seine Arbeiten aus. Sie zeigen etwa einen ehemaligen KZ-Häftling beim Auffrischen der tätowierten Nummer, Gehörlose beim Singen von Bachkantaten oder eine Todkranke im Morphium-Delirium. Żmijewskis Filme und Fotografien hinterfragen gesellschaftliche Normen und verletzen Moralvorstellungen.

Auch die hiesigen Künstler hat er in Aufruhr versetzt; die Biennale-Bewerber sollten zu ihrer politischen Gesinnung Stellung nehmen, soweit vorhanden. Denn Żmijewski widerspricht der Idee, dass Kunst aus einer neutralen Position heraus zu schaffen sei. Und so wartet Berlin gespannt auf seine nächste Biennale. (Auch weil ihr Leiter selbst Künstler und dazu aus Osteuropa ist – aber das nur am Rande.)

Heute präsentiert Żmijewski in der daadgalerie seine Publikation Trembling Bodies („Körper in Aufruhr“) sowie die dazugehörige Schau. Sowohl das Interviewbuch als auch die Gruppenausstellung betrachten die polnische Bewegung der „kritischen Kunst“ und ihrer Erben. Die interviewten beziehungsweise ausgestellten Künstler haben mit ihrer Kunst aktiv in das politische und soziale Geschehen Polens eingegriffen.

Die Ausstellung umfasst neben ihren filmischen Werken auch Dokumente zur polnischen Film-, Foto- und Performance-Kunst seit den Neunzigern. Mit dabei sind Żmijewskis ehemalige Kommilitonen von der Warschauer Kunstakademie – Paweł Althamer, Katarzyna Kozyra oder Jacek Markiewicz.

Zwar verfolgt Żmijewski mittlerweile den Ansatz der „Applied Social Arts“. Doch zur Eröffnung spricht er mit den Künstlern Joanna Rajkowska und Stanislaw Ruksza über die alten Zeiten. Sicherlich ein guter Vorgeschmack auf das, was Berlin 2012 erwartet.

19 Uhr | 10. Februar 2011 | daadgalerie | Zimmerstraße 90/91 | Berlin Mitte

 

Efterklang-Teile in Berlin

Die KIM Bar verwandelt sich in einen heiter bis glücklichen Ort. Erschreckend.

Der Regisseur Vincent Moon hat mit der dänischen Band Efterklang! gemeinsam den Film An Island (2010) gemacht. Das wäre – außer für Fans – jetzt nicht weiter bemerkenswert, würden die Macher ihren Film nicht auf eine interessante Art und Weise in Umlauf bringen.

Auf ihrer Internetseite darf man sich darum bewerben, den Film offiziell vorführen zu dürfen. Ob öffentlich oder privat, steht jedem frei, nur umsonst muss die Veranstaltung und Platz für mindestens fünf Leute vorhanden sein. Tatsächlich haben Regisseur und Band unter den Bewerbern schon 500! ausgewählt, die den Film in den nächsten Wochen zeigen dürfen.

Heute Abend läuft An Island im KIMs. Und nach der Vorführung legen Rasmus Stolberg und Casper Clausen von Efterklang auf.

20 Uhr | 09. Februar 2011 | KIM Bar | Brunnenstraße 10 | Berlin Mitte

 

Der akademische Krieg

© Global Media Project

Im Babylon diskutieren Experten im Anschluss an eine Filmvorführung von Human Terrain (2010) die amerikanische Kriegsführung.

Der Film Human Terrain dokumentiert die Versuche der US Militärs mit einer neuen Strategie die Situation im Irak und in Afghanistan in den Griff zu bekommen. Akademiker sollen Taktiken zur kulturellen Verständigung entwickeln, damit sich verhasste Soldaten und fremde Bevölkerung einander annähern. Die Dokumentation handelt von den Kontroversen um den akademischen Krieg: Sie begleitet die Experten an ihre Einsatzorte und zeigt die Reaktionen an den heimischen Universitäten, als das Programm sein erstes Todesopfer fordert.

Human Terrain lief bereits auf dem Filmfest in Leipzig. Dafür schließt an die Berlin-Premiere im Babylon eine hochkarätig besetzte Diskussion mit dem Regisseur James Der Derian, dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan Michael Steiner, Mitchell Moss von der amerikanischen Botschaft sowie dem Soziologieprofessor Harald Wenzel an.

20.30 Uhr | 08. Februar 20011 | Kino Babyon | Rosa-Luxemburg-Straße 30 | Berlin Mitte

 

Nancy Holt konzentriert

Die amerikanische Künstlerin Nancy Holt präsentiert die Retrospektive Sightlines bei Pro qm.

Bei Sightlines handelt es sich um die Publikation zur aktuellen Ausstellung Nancy Holt: Sightlines – und die zeigt gerade der Badische Kunstverein. Die Schau umfasst vierzig Arbeiten aus der Zeit zwischen 1966 und 1980. Sie hinterfragt, wie sich Holts eigene Wahrnehmung von Landschaft durch die Verwendung unterschiedlicher Medien verändert hat. Immerhin umfasst Holt’s Werk Land-Art-Projekte, Skulpturen, Installationen, Film-, Video- und Audioarbeiten sowie Künstlerbücher und konkrete Poesie.

Die Künstlerin bringt heute Anschauungsmaterial; sie zeigt ihre Filmarbeit Swamp (1971). Anschließend diskutiert sie mit der Kuratorin der Ausstellung. Danach dürften keine Fragen mehr offen sein.

20.30 Uhr | 7. Februar 2011 | Pro qm | Almstadtstraße 48-50 | Berlin Mitte

 

Peterchens kosmischer Kreuzzug

1 Stummfilm + 1 Seminargruppe  + 1 Filmwissenschaftlerin + 1 Geräuschemacher + 1 Kabarettist = Science Fashion

Das Geisteswissenschaften durchaus Spaß machen, beweist eine Gruppe FU-Studenten im Kino Babylon mit ihrem kinematographisches Hörspiel Science Fashion. Da vertonen sie nämlich den sowjetischen Sience-Fiction-Stummfilm Aelita-Königin des Mars (1942). Genauer gesagt machen sie daraus Peterchens kosmischer Kreuzzug – und zwar live und direkt mit professioneller Unterstützung von einem Geräuschemacher und einem Kabarettisten.

Das passiert: Erde und Mond haben sich nach dem Krieg voneinander losgesagt. Auf der Mondkolonie herrscht eine Diktatur der Ästhetik. Die Erdbewohner haben sich in eine neue Innerlichkeit geflüchtet. Nur Peterchen erkennt, welche Gefahr die Sterilität der Mondbewohner bedeutet. Er macht sich auf eine abenteurliche Mission…

20 Uhr | 06. Februar 2011 | Kino Babylon | Rosa-Luxemburg-Straße 30 | Berlin Mitte

 

Clash am Deutschen Theater

© Arno Declair

Das Junge Deutsche Theater präsentiert sein neues Stück Clash.

Irgendwie ist alles Scheiße. Wer Schuld hat? Man weiß es nicht. Da hilft nur abhauen und schauen, ob sich woanders nicht was Besseres findet.

17 junge muslimische, christliche und agnostische Berliner hinterfragen gemeinsam mit dem Regisseur Nurkan Erpulat die „universellen Werte“ unserer multikulturellen Gesellschaft. Sie versprechen einen wilden Abend voller ethnischer Klischees und subkultureller Codes.

Kein Wunder, dass es für die Premiere am Samstag nur noch Restkarten an der Abendkasse gibt.

19 Uhr | 05. & 06. Februar 2011 | Deutsches Theater | Schumannstraße 13a | Berlin Mitte

 

Für Unentschlossene

Pablo Pijnappel, Caroussel, 2011 © Pablo Pijnappel und carlier | gebauer

carlier | gebauer zeigt den brasilianischen Künstler Pablo Pijnappel.

Heute eröffnen wieder einige Galerien. Besonders sehenswert ist die Schau bei carlier | gebauer: Die Einzelausstellung Fontenay-aux-Roses präsentiert eine Diainstallation sowie neue Fotografien von Pablo Pijnappel. Sie heißt nach dem Geburtsort des Künstlers, einem Vorort von Paris. In Pijnappels Arbeiten geht es um Erinnerungsbilder, seine persönliche Geschichte und Narration im Film. „Out of the two hours you spend in a movie theatre, you spend one of them in the dark. It’s this nocturnal portion that stays with us, that fixes our memory of a film“, zitiert er Chris Marker, den Regisseur seines Lieblingsfilms La Jetée (1963).

18 Uhr | 4. Februar 2011 | carlier | gebauer | Markgrafenstraße 67 | Berlin Mitte


 

Glossy und provokant

Die Galerie pavlov’s dog zeigt Videoarbeiten des Fotografen Daniel Josefsohn.

Aus dem Kunstraum berg19 wird die Galerie pavlov’s dog – aber der Fokus auf zeitgenössische Fotografie bleibt. Das Programm eröffnet allerdings mit einer Installation des Berliner Fotografen Daniel Josefsohn. Josefsohn’s Bilder kennt man aus den Magazinen von ZEIT und Süddeutscher Zeitung. Er kombiniert darin Hochglanzästhetik mit brisanten politischen und gesellschaftlichen Themen. Weniger geläufig sind seine Filme oder absurden Projekte wie das UNIFAITH-Parfüm – „damit wir uns endlich riechen können“.

Seine Videoarbeiten setzen den provokanten Ansatz seiner Fotoarbeiten wie Jewing Gun fort. In seiner Installation Lieber Gott Vergiebe Mir etwa thematisiert Josefsohn die Widersprüchlichkeit religiös-fundamentalistischer Positionen. Josefsohn, selbst jüdischer Abstammung, bewegt sich zwar an den Grenzen von Tabus, stellt sich aber nie über die Beteiligten und ihre Emotionen.

20 Uhr | 3. Februar 2011 | pavlov’s dog | Bergstraße 19 | Berlin Mitte