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Von Stromae lernen

 

Zum Auftakt dieser Plattform haben wir einige Autoren gefragt, worüber sie sich aufregen. Teresa Präauer reflektiert über den Gegensatz von Empörung und Erstarrung. Alors on danse!

Was mich empört? Ich kann nur antworten, was mich empört, indem ich beschreibe, wie ich mich nicht empöre. Und vielleicht lässt sich aus dem Sich-nicht-Empören hernach die Empörung filtern.

Ich empöre mich nicht, weil ich mir die Empörung als Gegenbild zur Erstarrung denke. Die Empörung ist dann das, was plötzlich eintritt: hochkommt, sich aufbläst – aufgedonnert –, sich entlädt – und dann wieder in die Erstarrung zurückfällt. Vielleicht ist die Empörung etwas Epileptisches: Sie reagiert empfindlich auf das Stroboskop-Licht der grell angeblitzten Ereignisse. Nichts gegen Grellheit und Entladung, übrigens.

Wenn ich an Erstarrung denke, fällt mir der belgische Musiker Stromae ein. Wie er sich bei irgendeiner Awards-Verleihung vor einem Jahr in einem winzigen Automobil über den roten Teppich hat fahren lassen, hinten angeschoben von einem Kind im gleichen Outfit. Wie die Wagentür geöffnet wird und er als fast erstarrte Puppe herausgehievt wird, getragen von zwei Securities, abgestellt vor den Fans, weitergetragen, wieder abgestellt. Auf die Bühne getragen wird und dort, weiter kaum zum Leben erweckt, das Kind seinen Song playback performt, tanzend.

Stromae ist ein Meister der Performance. Man muss sich ansehen, wie er tanzt, wenn er tanzt. Einen richtigen Veitstanz führt er auf! Und eine Janusköpfigkeit zeigt sich: Seine linke Gesichtshälfte ist bei Tous les mêmes geschminkt wie die einer altmodischen Diva, dann dreht er sich abrupt und zeigt seine fast kahlrasierte rechte Schädelhälfte. Wie er seine Rollen sekundenschnell wechselt: das erhöbe einen gegebenenfalls aus der Erstarrung in den Händen der Security, wenn man ihm zusähe. Nicht der Wechsel, sondern die virtuose, feixende, kokette Wandelbarkeit ist Stromaes Kommentar zum Tous-les-Mêmes – ihr seid doch alle dieselben – in den gesellschaftlichen Debatten.

Seine Elastizität zeigt sich auch darin, wie Stromae mit seinen Songtexten verfährt: wie er Wörter verbindet, verbiegt und verballhornt. Wie er erstarrte Phrasen ausstellt und sie durch deren bloße, scheinbar affirmative, Wiederholung dem Spott aussetzt. Verballhornung, Wiederholung: Das ist auch eine Art von Empörung, aber eine, die sich nicht als Gestus zeigt, sondern in ihren Gesten.

Alors on danse. Lernen von Stromae: diese Empörung – also doch! – soll ein Veitstanz sein, immer im Drehen: hinter meiner, vorder meiner, links, rechts gilt es.