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„Lieba zehn Dackel als een Mann“

Frau Ponesky und Frau Frenzel in Berlin-Marzahn brauchen nur einander und ihre zwei Hunde zum Glück. Und alle sechs Wochen eine Fußpflegesitzung bei unserer Autorin.

© Lena Mucha für ZEIT ONLINE

Im Berliner Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf sind etwa 11.000 Hunde registriert. Damit liegt Marzahn-Hellersdorf hundemäßig an Berlins Spitze, gefolgt von Reinickendorf und Spandau.

Einer der 11.000 in Marzahn-Hellersdorf registrierten Hunde ist Amy. Amy ist sieben Jahre alt und gehört Frau Frenzel. Frau Frenzel ist meine Kundin. Alle sechs Wochen pflege ich ihre Füße.

Frau Frenzel ist 70 Jahre alt, schaut mit einer heiteren Verachtung auf die Welt und lässt sich von nichts und niemandem die Laune verderben. Sie erinnert mich an einen Igel, die Nase kess nach oben gebogen, muntere Knopfaugen, dazu dieser graue Vokuhila-Bürstenschnitt aus den Achtzigern: Akkurat auf eine Länge gestutzt, stehen die Haare wie Stacheln in die Höhe, sind aber um die Ohren, am Hinterkopf und im Nacken etwas länger gehalten. Immer wenn ich Frau Frenzel wiedersehe, muss ich den Gedanken verscheuchen, dass sie sich den Schnitt im Hundesalon machen lässt, der gleich um die Ecke liegt und ebenso gut frequentiert wird wie unser Kosmetikstudio. Natürlich geht Frau Frenzel nie zum Hundefriseur, nicht einmal Amys wegen, denn Amy, mit der Frau Frenzel das Leben teilt, ist eine Kurzhaardackeldame. Weiter„„Lieba zehn Dackel als een Mann““

 

„Und ick dachte, du jehst zum Frisör“

Unsere Autorin ist Schriftstellerin und Fußpflegerin. Ehepaar Huth kommt gemeinsam. Sie wegen rotlackierter Zehennägel. Er ist dement und hat es schon wieder vergessen.

© Lena Mucha für ZEIT ONLINE

Der Parkfriedhof Marzahn morgens um acht. Die Sonne blinkert durchs dichte Blätterdach. Das Gras ist noch feucht von der Nacht und die Luft so frisch, dass man hineinbeißen möchte. Ich durchstreife die Grabreihen, schaue die Bepflanzungen an, lese Inschriften. Viele Russen sind hier begraben und Berliner Urgewächse, man sieht es den Namen an. Auch Herr Paulke, der einst mein Kunde war, liegt hier. Ein Eichelhäher kreischt, Singvögel jubilieren, zwei Eichhörnchen jagen einander. Eine Magnolie ist dabei, die Blütenblätter abzuschmeißen wie Konfetti. Es ist schön, den Tag auf einem menschenleeren Friedhof zu beginnen. Ich verlasse ihn, überquere die alte S-Bahn-Brücke, denn ich muss zur Arbeit. Zehn Minuten laufe ich durchs Wohngebiet und erreiche das Hochhaus mit unserem Kosmetikstudio. Weiter„„Und ick dachte, du jehst zum Frisör““

 

Herr Hübner ist da

Unsere Autorin ist Schriftstellerin und nebenher Fußpflegerin in Marzahn. Vielen ist ein Besuch bei ihr peinlich, manche entschuldigen sich im Voraus. Und dann gibt’s noch die spezielle Laufkundschaft.

© Lena Mucha für ZEIT ONLINE

Dieser Text ist Teil unserer Miniserie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Seit drei Jahren arbeite ich in Berlin-Marzahn als Fußpflegerin. Die meisten meiner etwa sechzig Kunden sind Stammkunden. Sie statten mir alle vier bis sieben Wochen einen Besuch ab. Im Lauf der Zeit habe ich diese Kunden kennengelernt, ihre Eigenheiten und Marotten, ihre Lebensgeschichten, ihre Schicksale. Ich mag sie, weiß sie zu nehmen und freue mich immer, sie nach einigen Wochen wohlbehalten wiederzusehen. Die Füße der Stammkunden sind dank regelmäßiger Pflege in gutem Zustand. Weiter„Herr Hübner ist da“

 

Die Einsamkeit im sechsten Stock

Unsere Autorin ist Schriftstellerin und arbeitet nebenher als Fußpflegerin in Marzahn. Im Frühling blühen dort die Kirschbäume, die Hasen hoppeln. Aber die Idylle trügt.

Marzahn - Die Einsamkeit im sechsten Stock
© Lena Mucha für ZEIT ONLINE

Dieser Text ist Teil unserer Miniserie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Das ganze Jahr über weht in der Ostberliner Plattenbausiedlung Marzahn ein kräftiges Lüftchen. Ich erkläre mir das mit der Nähe zum flachen Brandenburger Umland, über das die gefürchteten sibirischen Fallwinde hinwegsausen, um mit unzähmbarer Wucht direkt in Marzahn einzufahren, sich zwischen den Hochhausriesen in Windkanälen zu bündeln und alles, was nicht mit vollem Heimwerkereinsatz festgelötet ist, von den Balkonen zu fegen – Sitzkissen, Geranienkästen, Sonnenschirme. Weiter„Die Einsamkeit im sechsten Stock“

 

„Was gibt’s Neues an der Front?“

Unsere Autorin ist Schriftstellerin und nebenher Fußpflegerin in Marzahn. Dass hier nur alte DDR-Bonzen leben, ist ein Klischee. Aber manchmal trifft sie doch einen.

© Sean Gallup/Getty Images

Dieser Text ist Teil unserer Miniserie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Noch immer geistert ein uraltes Vorurteil durch die Köpfe: In der Ostberliner Plattenbausiedlung Marzahn, heißt es, tummeln sich lauter ehemalige DDR-Bonzen und SED-Funktionäre. Das trifft nicht zu, wofür ich, allerspätestens seit ich als Fußpflegerin in Marzahn arbeite, meine Hand ins Feuer lege. Ich betreue die Füße von Maurern, Fleischern, Chemiefacharbeitern, Schneiderinnen, Verkäuferinnen, Krankenschwestern. Eine Elektronikfacharbeiterin ist dabei, eine Rinderzüchterin, eine Tankwartin. Fast alle meine Kunden sind Rentner, manche erst seit Kurzem, manche schon seit langer Zeit. Weiter„„Was gibt’s Neues an der Front?““

 

„Mitten beim Sex is dit Bette einjekracht“

Unsere Autorin ist Schriftstellerin und arbeitet als Fußpflegerin in Marzahn. Hier trifft sie Menschen, deren Geschichten sonst selten gehört werden. So wie Frau Blumeier

© Sean Gallup/Getty Images

Dieser Text ist Teil unserer Mini-Serie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Die Vorurteile gegen die Plattenbausiedlung im Ostberliner Stadtbezirk Marzahn halten sich hartnäckig. Marzahn, heißt es, sei eine Betonwüste. In Wahrheit ist Marzahn quietschgrün, es gibt breite Straßen, genügend Parkplätze, intakte Gehwege und an Übergängen abgesenkte Bordsteinkanten, überall Rollpisten, und alles, was Räder hat, kommt bestens voran und ans Ziel.

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„Wissense, wo se hier sind? Uff de Scheiße von Berlin“

Herr Paulke, Marzahner Ureinwohner, hat sein Leben lang geschleppt: Schränke oder Klaviere. Seine Füße sind reparaturbedürftig, seine Sprüche dafür umso flockiger.

© Sean Gallup/Getty Images

Dieser Text ist Teil unserer Mini-Serie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Am östlichen Rand von Berlin, in Marzahn, stehen die Plattenbauten: Elfgeschosser, Achtzehngeschosser, Fünfundzwanziggeschosser. Am Fuß eines solchen Hochhauses liegt unser Kosmetikstudio. Hier arbeite ich als Fußpflegerin. Als ich vor knapp drei Jahren anfing, gehörte Herr Paulke zu meinen ersten Kunden. Während der ersten Behandlung hatte er mich lachend gefragt: „Wissense, wo se hier sind? Uff de Scheiße von Berlin. Dit warn früher allet Rieselfelder, und denn hamse Hochhäuser hinjeklotzt. Wo de Erde uffjebuddelt is, könnset noch riechen.“ Weiter„„Wissense, wo se hier sind? Uff de Scheiße von Berlin““

 

„Wenn’s wehtut, denn schrei ick“

Frau Guse aus Berlin-Marzahn, 85, hat fünf Kinder und ist seit Jahrzehnten Witwe. Alle sechs Wochen erzählt sie mir ihr Leben, während ich sie pediküre.

© [M] Andrew Ruiz / unsplash.com 
Dieser Text ist Teil unserer Mini-Serie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Mit der Straßenbahnlinie 6 fahre ich vierzehn Stationen, nach Osten, an den Berliner Rand. Die Reise dauert einundzwanzig Minuten. Ich steige aus und registriere den Temperaturunterschied. Wie immer kommt mir das Wetter in Marzahn, einst die größte Plattenbausiedlung der DDR, intensiver vor als in der Innenstadt. Die Jahreszeiten riechen stärker. Weiter„„Wenn’s wehtut, denn schrei ick““