Lesezeichen
 

Hoch lebe die nationale Randale

Auf Stippvisite in Ost und West. Was trifft man? Nichts als deutschen Fraß und deutsche Fressen. Dazu ein bisschen Hurra-Idiotie und reichlich gefühlsechte Bosheit.

Demonstration von Pegida-Anhängern in Dresden © Sean Gallup/Getty Images
Demonstration von Pegida-Anhängern in Dresden © Sean Gallup/Getty Images

Ich reise in die wüste Peripherie, zu den Verheerten mit dem morgendlichen Schnapsatem, zu den Kerlen, die rechts täuschen und rechts treffen. Zu den Zonenkatjas in KIK-Klamotten und Plastikgaloschen, zu ihren prächtig ostdeutschelnden Töchtern, die im Westen blühen und gedeihen, und aber sagen: Der Mensch aus dem Westen, der kennt uns nicht. Ich reise nach Dresden, der Stadt der tapferen Sachsen, der erzgebirgischen Volkskunst, in die Stadt mit der Elbbrücke, die Blasewitz und Loschwitz verbindet. Weiter„Hoch lebe die nationale Randale“

 

Zeuge eines blutsaugerischen Kusses

Von den Flüchtlingsfamilien können wir einiges lernen: Vor allem über uns selbst. Wir müssen nur versuchen, uns mit ihren Augen zu sehen. Das Fax der Woche

Rhein im Nebel, Zug fährt auf der Ufertrasse, die Burgen auf den Hügelkuppen sind verschluckt; der Himmelsstrich ist verschliert. Lasse heißen Kaffee abkühlen. Lesen unmöglich, klappe das Buch zu. Brüllendes Kind im Gang schmiert Schokoschnörkel auf die Glastür. Der Schaffner ist kein Unmensch, er lässt es weiter fingermalen. Weiter„Zeuge eines blutsaugerischen Kusses“

 

Das Blut stockt im Nu

Die Verrückten warten auf den großen Knall. Die Knallpatrioten schnupfen Soßenbinder. Wie herrlich ist das Deutschsein heute! Das Fax der Woche

Ich traf Süchtige, denen man keine Schlechtigkeit nachsagen konnte, Männer auf einer Droge, die den Kopf verwurmte, Frauen auf Heroin, das sie verschlankte zu atmenden seligen Leichen, sie spielten das Kinderspiel der Umzingelung, sie bildeten einen Kreis, in dessen Mitte ich stand, und je ruhiger ich wurde, desto zorniger wurden sie, ich streute Münzen, es lenkte sie nicht ab, ich sprach zu ihnen wie zu Mordbuben und Banditen, da trat der Hausmeister auf den Hof und verjagte sie mit schwenkendem Zinkkübel. Weiter„Das Blut stockt im Nu“

 

Donnernde Deutsche Republik

Untergangsparolen werden geschmettert, der deutsche Traum wird beschworen. Was für ein gruseliges Wintermärchen entspinnt sich da gerade! Das Fax der Woche

Ich sah Frauen, die hinauf schauten: Krähen hackten das Moos in den Dachtraufen in Stücke, Heißer Herbst, es regnete Moos vom Himmel, und die Frauen hauchten Atemwolken aus und blickten blind auf die Moosstücke vor ihren Füßen, dies war der deutsche Traum, den sie träumten, der deutsche Augenblick, den sie lebten, ich lief vorbei und da rief ein Mann, der mich wiedererkannte: Weiter„Donnernde Deutsche Republik“

 

Wer ist heute deutschfidel?

Wer mag sagen: Deutschsein ist selbstverständlich schön? Zu viele sprechen in diesen Tagen von der Verschüttung der Landessitten und dem Ende der Kultur.

Ich sah die Verrenkten aller Stämme in Bahnhofsnähe, sie sprangen mich an, sie suchten meine Nähe, sie wollten sich verschwenden in wilden Gebärden, sie zischten, sie kollerten, sie hechelten, sie schluckten Luft, was hatten sie im Blut, Korn, Keim, Crystal Meth, Mett-Kristall, rief der Marokkaner, der sich als Zeichen der Ankunft im Norden einen Anker unterm Unterlid gestochen hatte, Blutkristall, das ist mein deutscher Stolz, rief er, und ich geriet in einer anderen Stadt, vor einem anderen Bahnhof an einen anderen Verrenkten. Roh und rabiat war er, er paukte laut die Lehrsätze seiner neuen Bestimmung: Ich will keine Maus im Maul der Katze sein, ich will kämpfen gegen die Rotten, die mein Land besiedeln, ich will das Jesuskind beschützen, ich will… Weiter„Wer ist heute deutschfidel?“

 

Überall deutsche Moralprahler

Allein in der Kapselwelt: Wer angesichts der Flüchtlinge um Deutschland fürchtet, ist zum Geisteszwerg geschrumpft. Das Fax der Woche

Ich las die Schriften der Gelehrten, die das Volk verachten, das eigene Volk und die flutenden fremden Scharen, sie schimpfen sie Gewimmel und Gesindel, und als würde der Pöbel Giftsporen streuen, fliehen sie, die Experten, die Gelehrten, die Geistesriesen, in die Komfortzone, in die Kummerkammer, aufs Land. Sie schreiben: Deutschsein ist unmöglich heute. Sie wollen nicht zerfallen im Anblick des eingebildeten Zerfalls. Sie sind umgestoßen worden, die harten Winde haben sie erfasst, und also klammern sie sich an die Bücher der nationalen Erhellung. Das sind Gewichte, die sie am Boden halten. Das sind schwere Ziegel, die sie schichten und stapeln zur hohen Schutzwand, auf dass des Pöbels Lärm und Laute daran abprallen. Weiter„Überall deutsche Moralprahler“

 

Mädchenmetzger zerstückeln Leben

Eine Frau rupft sich haarlos, rupft sich blutig. Wie findet man Worte für das, was Beschneidung Mädchen antut? Es gibt nur eines: Verbrechen. Das Fax der Woche

Ich fuhr zu der Irren, man nannte sie die Irre, sie hatte Gott geschaut, sie blies die Backen auf, wann immer sich Wind regte. Sie hatte ihren eigenen Schlafplatz, eine Mönchszelle, Krug und Schüssel auf dem Tisch, zerrissene, verdreckte Röcke und Blusen in einem Haufen an der Längswand. Ins Kammerlicht stellte sie sich selten. Weiter„Mädchenmetzger zerstückeln Leben“

 

Kamenz erwartet den Messias

Unser Autor ist auf Lesereise in der Oberlausitz: Schnitzaltäre, Adenauer-Krempel, Westalgie im Osten und Angst vor Neuankömmlingen. Da helfen nur Pulsnitzer Pfefferkuchenspitzen. Das Fax der Woche

Ich bin der Wandermönch in schwarzer Kutte. Ich steige ein, ich steige aus, ich steige ein. Neue Stadt, neues Glück, fast jeden Tag. Mal verderbe ich den Menschen mit meiner Lesung den Abend; mal lieben sie meine Stimme und aber nicht mein Gesicht. Weiter„Kamenz erwartet den Messias“

 

Der betrogene Deutsche ertränkt seinen Kummer

Der gescheiterte Maler faselt vom Innenleben des nordischen Mannes und schüttet Bier in sein Seelenloch. Dieses Gejaule kann man echt nicht mehr hören. Das Fax der Woche

Besuch beim großen Dichter in der Heldenstadt Leipzig. Sitze im Garten des Gesindehauses, das er bezogen hat. Finken und Goldgelbkehlchen picken in die erstarrten Wachspfützen auf dem Tisch. An zwei Wäscheleinen hängen Hemden und Hosen. Dichter wendet Hähnchenspieße auf dem Grillrost. Weiter„Der betrogene Deutsche ertränkt seinen Kummer“

 

Die Zeit der Ehrenproleten

Männer, die einen Kodex haben. Frömmler, die Frauen strafen. Unser Kolumnist sagt: Ein Leben ohne Ehre und Eide ist das bessere Leben.

Späte Nacht, bin abgekämpft, an den Nebentischen sitzen Abgekämpfte meines Schlages: ohne Begleitung, mit leerem Becher oder Glas auf dem Tisch. Starre in den Himmel und erschrecke – Stern bewegt sich. Flugzeug? Nein, zu hoch. Satellit, der die Erde in Bahnen umläuft, bis er herabstürzt.

Der Wirt spannt flink die Schirme auf, es gibt einen kurzen heftigen Regen. Es tritt aus dem Dunkeln heraus eine Frau, sie kennt mich aus der Zeitung. Sie fragt, ob sie sich setzen darf, ob sie stört. Ich sage blöd: Bitte ja, wieso nicht? Wir sprechen, wir sprechen über die Ehre. Was ist das? Etwas, was mit dem echten Leben nichts zu tun hat: Ehre ist das Kostüm aus Rattenhäuten, in das ein Mann schlüpft. Ein Wahn, für den die Frauen mit ihrem Blut bezahlen. Die Zeit der Ehrenduelle ist vorbei. Es ist jetzt die Zeit der aufgepumpten Ehrenproleten. Weiter„Die Zeit der Ehrenproleten“