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Das Nerd-Narrativ

Damit der Lebenslauf glamouröser klingt: Heute wollen alle erfolgreichen Menschen früher einsame Nerds gewesen sein. Das kann doch nicht sein.

Ein einsamer Nerd?
Copyright: Maria Vaorin/Photocase

Ich bin das, was man gemeinhin einen Nerd nennt. Früher gab es keinen Begriff für Leute wie mich, denn die deutsche Übersetzung Streber ist zu lahm und unzureichend für einen Nerd oder Geek. Ein Streber lernt was man ihm vorschreibt, ein Nerd spezialisiert sich freiwillig. Auf was auch immer. Streber sind zeitlos, während Nerds ein Zeitgeistphänomen sind. „Saitgaist“ wiederum ist ein schönes deutsches Lehnwort im Englischen. Nerds und Streber haben gemeinsam, dass man sie früher nicht in die Fußballmannschaft wählen wollte. Heute tragen Fußballprofis Nerdbrillen. Anfang der Neunziger sang Thom Yorke von Radiohead, er wäre ein Creep, ein Weirdo, wünschte aber er wäre so fuckin‘ special wie das Mädchen, das er nicht anspricht. Creep beschrieb ziemlich präzise mein Leben als junger Mann. Weiter„Das Nerd-Narrativ“

 

Bei diesen Leah- oder Laura-Frauen habe ich einen blinden Fleck

Für diese Woche brauchten wir noch einen Querulanten und irgendwas mit Gender. Wie mag es im Kopf eines Talkshow-Redakteurs aussehen? Unsere Autorin ist reingeschlüpft.

Die Dunkelziffer derer, die nicht am Rand der Gesellschaft leben und trotzdem noch fernsehen, ist recht hoch. Wie sie das kommunizieren, wie heimlich oder offen sie mit dieser obsoleten, stumpfsinnigen Beschäftigung umgehen, kann mir egal sein. Will heißen: Unsere Quoten sind okay. Meine Redaktion ist mehr als okay. Ich. Ich bin der Chefredakteur einer TV-Talkshow und bin umgeben von hochqualifizierten Leuten, hauptsächlich Frauen, die einen guten Job machen. Aus Sicht anderer Männer sicher ein paradiesischer Arbeitsplatz. Da sie wirklich fast durchgehend jung und gutaussehend sind und die Fluktuation relativ hoch ist, hat dies bei mir zu Abnutzungserscheinungen geführt: Ich kann diese Frauen nicht mehr auseinanderhalten. Sie alle tragen etwas Wehendes über etwas Engem, dazu Sneakers, mit denen sie über die Flure fliegen. Flache Schuhe, flache Hierarchien. Sie alle erfüllen ihre Aufgaben mit Bravour, wie ich ihnen regelmäßig – siehe Fluktuation – in ihre Zeugnisse schreibe. Weiter„Bei diesen Leah- oder Laura-Frauen habe ich einen blinden Fleck“