Unser Kolumnist wollte einen Fransenschnitt. Nun muss er eine Kapuze tragen. Ein Friseurbesuch ist eben kein Wunschkonzert. Dennoch hat der Lädierte uns auch diese Woche wieder ein Fax geschickt.
Machmud ist Schädelschäler. Türkenfriseur. Er sagt: Die anderen machen Stil und Fönwelle, ich mache Haar ohne nix. Im Schaufenster steht eine Tischstaffelei, auf der Staffelei steht ein Schild. Keksdosengoldener Rahmen. Eine Zeile in Handschrift, die Buchstaben am Satzende verlieren den Halt. Machmuds Merkvers: Ihr lieben Leut, das ist keine Kummerkammer! Die Schere in seiner Hand schneidet der schwarzen Seele nicht den Kopf ab. Für Therapie wird er nicht bezahlt.
Kunde im Laden soll Platz nehmen. Kunde soll im Automobilmagazin vom Vorjahr blättern. Kundenjammer ist unerwünscht. Komme rein, grüße Meister und Geselle, Gottesgruß wird erwidert. Tee, Kaffee, Sprudel gibts nix. Vorzimmerchic gibts nix. Meister Machmud flämmt Ohrhaare ab, pustet Kiensparflamme aus, hält keinen Spiegel an den Hinterkopf des Mannes.
Mann klopft das Schnitthaar von den Schulterpolstern des Jacketts. Jackett, dunkelblau, Hose schwarz, tolle Modesünde. Kommt ein Albaner. Sagt: Ohr ab, Seite rechts ab, Seite links ab, Streifen oben, dick wie Finger drei, Deckel klein, Topf groß. Meister versteht sofort: Ohren frei schneiden, Schläfen auf Stoppellänge trimmen, dicke Peitsche Haar vom Scheitel bis zum Nacken. Soldat zieht in den Häuserkampf.
Albaner mustert mich, ich schaue zurück: zwei glotzende Moslems. Wir warten. Kommt Onkel, ob Kind oder Greis, jeder nennt ihn Onkel. Zeigt auf mich, sagt: Wer ist das? Meister sagt: Schreiber…Was schreibt er? …Bücher… Du verkaufst kein Papier, keinen Spitzer. Hat er sich verlaufen?…Nein…Wieso ist er stumm?…Weil du ihn nicht ansprichst, Onkel…Du bist Schreiber? Ja…Er verkauft kein Papier, keinen Spitzer… Ich bin wegen der Haare hier … Welche Haare? …Meine…Albaner legt das Magazin weg, legt sich den Satz zurecht, spricht: Erstes Mal Machmud?…Erstes Mal, sage ich. Er nennt Meister eine gute Schere.
Kommen zwei Jungs in Bomberjacken, Kurdenkrieger mit Nachmittagsbartschatten. Politik gibts nix, Meister hats verboten. Der eine hat sich verlobt, harte Importkurdin, spricht Dorfdialekt im Singsang, der Junge kapiert Bahnhof. Der andere sagt: Wir sind bescheuert, die Mädchen nicht. Braut braucht ein Jahr, dann hast du Papagei. Der frisch Verlobte ist getröstet.
Er dreht sich zu mir um: Du belauscht uns…Ich warte, bis ich an der Reihe bin…Du belauscht uns…Ja…Wieso?…Interessantes Thema…Was, Thema?…Ich meine Verlobung, Heirat…Kinder?…Nix…Frau?…Nix…Schwul?…Nix. Wir reden über Verlobungsringe. Teuer. Ehering. Teurer. Bank gibt Kredit für die Hochzeitsfeier. Er sagt: Saalmiete, anderer Scheiß. Meine Sippe ist Hundertschaft. Geschwister?…Eine Schwester…Bist du im Kopf kaputt?…Nix.
Kommt von der Moschee Seyfettin, rechte Hand des Gottesmannes. Hat gebetet, Gesicht glänzt. Grüßt die Runde, Runde grüßt zurück. Er nimmt Platz, holt eine Gabel mit dickem Plastikgriff aus der Tasche, zieht die Gabel lang, greift über die Schulter, fährt die Gabel unter den Nackenkragen, stößt hinab, zieht hoch, stößt hinab, zieht hoch. Teleskop-Rückenkratzer. Albaner entzückt, fragt: Wo? Seyfettin: Eduscho. Er kratzt, wir schauen zu.
Meister ruft mich auf, er sagt: Was für Wünsche? Ich erkläre: Fransenschnitt, das Runde muss eckig werden, Vogelnest auf dem Kopf weg, Haar am Hinterkopf bauschig, nach dem Schnitt waschen. Stille. Onkel kratzt nicht, Albaner blättert nicht, Kurden schweigen. Machmud sagt: Frisöse macht Franse. Mütze hat Franse, Schneider näht. Siehst du Nadel und Faden? Knöpfe?…Ich sage: Mach Machmud. Büschel fallen auf den Frisierumhang. Seltsam, im Regalfach liegt ein Frisierstab zum Lockenformen. Zehn Minuten später, Meister rupft mir den Papierkragen vom Hals. Blick in den Spiegel: Kerlsfresse ohne Frisur. Fünf Euro. Kurden kichern. Onkel sagt: Kapuze auf Glatze, keiner merkts.