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Arische Harmonie

 

Deutschland, Deine Recken: Unser Kolumnist trifft kleine Nazis, die von der Heldenstadt Dresden schwafeln. Haben die alle eine Delle in der Rübe? Das Fax der Woche

Am fünften Tag des neuen Jahres glotzt Hartmut auf den Friedhof der abgelegten Tannen und sagt: „Ich schenk‘ dem Russen unseren Osten“ … Ein Rentner schleift eine Fichte im Netz hinter sich her, wirft sie auf den Haufen. Er stimmt zu: „Früher gaben wir den Pfaffen unseren Zehnten, heute dem Bolschewistenpack …“

Zwei brunzblöde Westler meckern darüber, dass die von dort drüben nur maulen. Hier im wahren Deutschland ist man anständig geblieben. Ist mit dem Ami ins Bett gegangen, musste als sein Liebchen Strapse tragen, was blieb einem übrig, der Besatzer hätte einen sonst zerschmettert. Aber mit den Kommunisten hat man nicht angebändelt, da war Gott davor. Jetzt füttert man die rote Brut, und statt dass die Schweine dankbar grunzen, fressen sie einem auch den Notpfennig weg …

Feridun2-JanuarHartmut ist kurz davor, seinen schnapswehen Kopf auf des Rentners Schulter zu legen, der Alte versteht ihn, der Alte strahlt ihn an: Hartmut ist die strahlende Zukunft Deutschlands, er wird im Grab sanft ruhen.

Ich trotte zum polnischen Uhrmacher, ein guter Mann, neues Uhrwerk, die Uhr läuft wieder, ich bin glücklich. Wir reden über Politik. Merkel, Gauck, zwei Ostdeutsche, keine duften Werbeträger, man könnte heulen über ihre Einfalt, man hat Besseres zu tun, und also heult man nicht. Der Uhrmacher lauscht meinem Impulsreferat, entlässt mich mit dem Hinweis, er habe die Uhren vieler braver Bürger zu reparieren.

Ein Nazi vom Hochhaus an der Autobahnausfahrt starrt auf meine schwarzen Winterstiefel, starrt auf mein Gesicht, schlägt mich den Volksgenossen zu. Hitler, Himmler, Goebbels, keine arischen Spitzenzüchtungen. Der Nazi hat gelernt, dass es auch Arier mit braunen Augen und Haaren gibt. Ich stelle mich ihm als Friedrich Zickmock vor, er ist wegen des Nachnamens verwirrt. Ich sage: Die Vorväter meines Vaters waren Hugenotten … Hugenotte klingt verdächtig nach Kanake, ich kann ihn beruhigen: Nein, die Hugenotten waren ein germanischer Stamm, den es über die Walachei nach Tibet verschlug. Dort blieben sie 28 Jahre, dann kamen sie um vor Heimweh, sie schlossen sich dem Kreuzzugsheer von Prinz Dschingis von Habemus-Korinthen an, sie schlugen sich derart tapfer, dass der Fürst ihnen Lothringen überließ, das entspricht dem heutigen Königsberg samt Umland …

Der Nazi gibt mir die Hand. Er heißt Ino, nicht Ingo, ich habe mich nicht verhört. Ino kommt aus der Niederlausitz, eigentlich kommt seine Mutter von dort, er ist in Kiel geboren, und aber mit den Geschichten aus der alten Heimat aufgewachsen. Heldenstadt Dresden, der nationale Widerstand macht mobil, ist das nicht toll?! Nö, denke ich, ist scheiße. Und wieso fällst du, Ino, nicht unglücklich hin und schlägst dir an der Bordsteinkante eine Delle in die Rübe?

Auch ohne Loch leckt Ino, er träumt von der großen Erhebung, von Straßen voller Bannerträger, von Mädchen, die sich von rasseneigenen Buben begatten lassen. Das ist das Stichwort für Moni, Skinmädel mit Knabenarsch, es wankt aus dem Discounter heraus, saugt an Inos Lippen, glotzt mich an und fragt, wieso ich glotzen würde. Das ist Zicki, sagt Ino, ein Kamerad. Wir sprechen über die Tannen, das Kaiserwetter, über Monis Einkäufe: Batikjeans mit angenähten Pailletten, vier Plastikgläser mit blauem Trinkrand, Schoko-Banane-Riegel. Moni will in den Osten, zu viele Neger hier im Norden, dort will sie gebären. Arische Harmonie: Nazikolonisten besiedeln die Niederlausitzer Prärie, türmen leere Bierdosen zu einem Kinderhügel, decken ihn mit Erde zu, besingen am Hünengrab längst verrottete Germanen. Die Recken halten brennende Pechfackeln in Händen und schielen übel gelaunt zum Himmel hoch. Es regnet in Strömen.