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Rammstedt – Wege zum Glück

 

Alkohol, Sex, Kinder, keine Kinder, die Farbe Orange: Seit Jahren suchen Forscher die ultimative Glücksformel. Unser Autor kennt sie längst.

Das Gute an Artikeln wie „Macht Schokolade glücklich?“ ist, dass man die Antwort schon kennt. Sie lautet nämlich immer: irgendwie ja. Halt nicht richtig, aber wenn man so will, schon. Das reicht. Schokolade kommt also mit auf die Liste, auf der sie schon längst steht, was aber nicht auffällt, weil die Liste sehr lang ist. Wenn man so will, macht ganz schön viel glücklich. Erschreckend viel.

Yoga zum Beispiel, das weiß jeder, macht glücklich, Joggen macht glücklich und Achtsamkeit sowieso. Sex macht glücklich, Reisen macht es und Arbeit und Freizeit und Verzicht. Ausreichend Wasser zu sich nehmen macht sowas von glücklich und Alkohol (in Maßen) und Alkohol (in Unmaßen) und scharfes Essen und gesundes Essen und fettiges Essen und die Farbe Orange (angeblich) und die Farbe Pink (angeblich) und Grün (sowieso). Glücklich machen Freunde (wahre, viele) und Partnerschaften (harmonische, nicht ganz so viele) und Zeit für sich (Pi mal Daumen zwei Stunden pro Kilogramm Körpergewicht).

Musik macht glücklich (wenn man Musik mag), Gewalt macht glücklich (wenn man Gewalt mag), Lachen macht glücklich (auch im Keller), selbst Schmunzeln (aber das gehört sich nicht). Gelassenheit: klar, glücklich. Konzentration: aber hallo, glücklich. Verzeihen und Erinnern und Bedanken und Töpfern: alles glücklich. Selbstlosigkeit macht glücklich (auch wenn das irgendwie geschummelt klingt). Blumen machen glücklich (auch die hässlichen), Hunde (außer den hässlichen) und sich einen Bleistift in den Mund zu stecken (wie rum ist Geschmackssache). Leinöl, Stricken, Gärtnern, Grummeln, Beten, Beeren, Biere, Boote, die kleinen Dinge (unter 5 mm), die großen Dinge (Elefanten?), all das macht erwiesenermaßen glücklich.

Geld macht natürlich trotz allem glücklich, jedenfalls mehr Geld zu haben als der Nachbar, also machen auch Nachbarn glücklich, vor allem, wenn sie arm sind. Die Sonne macht glücklich (ist es selbst aber leider nicht), Zwitschern macht glücklich (glaube ich) und noch einmal davon gekommen zu sein (haarscharf). Wir wissen: Bildung macht glücklich. Wir wissen: vielleicht Kinder. Wir wissen: vielleicht keine Kinder. Wir wissen: Ziele. Wir wissen: Etappen. Wir wissen: Regelmäßigkeit. Wir wissen: Abwechslung. Wir wissen: Spatz in der Hand. All das wissen wir, das ist alles belegt, mehr oder weniger, das ist alles einfach, lächerlich einfach, dafür kann man sorgen, darum kann man sich kümmern, das kann man einplanen, was praktisch ist, weil auch schon das Planen glücklich macht. Das wissen wir alles.

Wir wissen alles sehr genau. Das haben Forscher für uns herausgefunden, notgedrungen glückliche Forscher, die sehen das alles im Gehirn und in Unfragen, da gibt es Langzeitstudien und Kurzzeitstudien und Doppelblindversuche und alles ist glasklar. Wir sind vom Glück umgeben, wir sind vom Glück geradezu umzingelt, es ist kaum möglich, mit irgendetwas in Kontakt zu kommen, ohne dass es einen glücklich macht. Das Glück klebt an allem, schlummert in allem, trieft aus allem, beäugt uns aus allem.

Es bedarf größter Anstrengung, dem Glück auch nur ein paar Stunden lang, ein paar Minuten lang, aus dem Weg zu gehen, weil alles unter Glücklichmachverdacht steht: Bürgersteige, Plastiktüten, Nagelstudios, Ladekabel, Fetzen. Vielleicht haben das die Forscher nur noch nicht herausgefunden, die haben ja alle Hände voll zu tun, es gibt schließlich ziemlich viele Dinge (und manche haben noch Rückseiten). Und wenn dann endlich klar ist, dass alles glücklich macht, wird das nicht überraschen, weil wir ja auch längst wissen, dass es nur auf die Sichtweise ankommt (nämlich die richtige) und auf die Balance (nämlich, aufgepasst, auch die richtige), und man eigentlich nur das Falsche vermeiden muss, die falsche Einstellung (negativ), die falschen Erwartungen (zu groß), den falschen Gang (zugrunde). Und wir wissen ja auch längst, dass alles im Grunde in uns selbst liegt, wieder einmal, dass wir uns selbst lieben sollen (mit und ohne Anfassen) und uns selbst zuhören sollen (auch wenn man die meisten Geschichten schon kennt) und uns selbst verzeihen sollen (na gut).

Das heißt, sogar ohne Schokolade und Blumen und höchstwahrscheinlich Plastiktüten haben wir keine Ausrede mehr. Wir haben, seien wir ehrlich, nicht die leiseste Chance gegen das Glück. Und die Forscher schauen uns an, in ihren weißen Kitteln und ihren großen Schutzbrillen, mit ihren Notizblöcken und Butterbroten und Drittmittelanträgen, sie warten, dass es losgeht, dass es einsetzt, über uns herfällt, sie schauen sehr erwartungsvoll, nur manche schon ungeduldig, nur wenige schon sichtlich genervt. Sie haben alles getan. Sie wollen in den Feierabend, zu ihren Familien und Hunden, und wir stehen da, bereit und zu Recht leicht beschämt.

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