Der Ami will als Jude gemalt werden. Und zwar bitteschön von unserem Kolumnisten, der bekanntlich Moslem ist. Der Typ will ihn wohl verschaukeln. Das Fax der Woche
Ich male den Juden mit einer falschen Schläfenlocke. Das Haar kringelt sich auf dem Handteller, die Hand hält er in Brusthöhe. Die Pose des Mystikers, der es aufgegeben hat, auf das Ende aller Tage zu warten. Immer wieder sagt er: Mach mir den Jid.
Ich will keinen Streit. Ich bin bei der Arbeit, Tusche, Farben, Pinsel, ich werde keinen Strich verziehen, weil der Mann, der mich für die Arbeit bezahlt, den bösen Hasser in mir entdecken will. Der Bekannte eines Bekannten. Amerikaner im Berliner Exil, sein Land unter Obama entgleitet ihm. Ultrakonservativ. Kommt nach Kiel, um Möwen schreien zu hören. Möwen hat er auch in Berlin, ihm egal, nicht dasselbe, Möwe und Meer, das passt, Möwe und Fluss ist falsch.
Ich schrieb eine Erzählung mit dem Titel: Der hundemalende Moslem. Er hat es gelesen, ein Zufall, er gab einer Laune nach, erkundigte sich nach mir bei seinem Kieler Freund, ein Gast hat Narrenfreiheit, ein Gast darf Narr sein in der fremden Stadt. Beim ersten Treffen packte er aus: Mal mir den Juden, der ich bin. Dann seh ich, was ich bin in deinen Augen, du malst sonst fast nur Frauen aus der Phantasie, jetzt malst du mir den Jid nach meiner Phantasie, ist das machbar? Viel Geld hab ich nicht, wir einigen uns, mach mir den Traum machbar…
Schönes schräges Deutsch. Schwere Arbeit: Er höhnt, ich darf nicht antworten. Ich denke: Halt mal die Klappe, was stinkst du mir mit deinen Worten das Zimmer voll. Er spricht über die jüdischen Prophetenkönige, er fragt: Oder heißt es Königspropheten?… Keine Ahnung. Haarkringel gelingen, der Mann sieht aus wie eine arische Spitzenzüchtung, unfassbares Gold am Kopf, unfassbar strahlend blaue Augen. Halten Sie mal die Schnauze, sage ich, ich gebe hier mein Bestes…
Lacht der Jid, freut sich Gott, ruft er und lacht sich heiser. Ich denke: Wir sterben doch alle, was soll die Aufregung? Blöde Kalenderweisheit, weiter malen, nicht denken, Schluss damit. Pause. Er legt die lange Haarlocke auf den Kissenknick, es sieht brutal aus, ich wende den Blick ab. Ich frage, warum er mich ärgert. Keine Antwort. Stattdessen: eine lange Geschichte über Moses und den Berg, auf den er stieg, um vom Feuer des Herrn verbrannt zu werden. Herrliche Überlieferung, ich kenne sie: Als er herabstieg zum Volk, schrien die Kinder, die Frauen, die Männer vor Entsetzen auf. Der Prophet hatte Brandnarben im Gesicht, er war entstellt. Für den Rest der Zeit, da er das Volk durch die Wüste führte, trug er einen Gesichtsschleier.
Der Amerikaner ist über den frommen Glanz in meinen Augen sehr belustigt, und da mich sein Hohngelächter ärgert, ruft er: Ein Moslem verteidigt einen jüdischen Propheten gegen einen Jid, ist das nicht komisch?…
Zweite Sitzung des Tages, er klebt die falsche Locke an die falsche Schläfe, ich bitte ihn um den gebotenen Ernst. Porträt des grinsenden Amerikaners, der nicht Maler und zahlendes Modell sieht, aber den Moses verteidigenden Moslem und den gottlosen Juden mit neuer Berliner Adresse. Er sagt: Wir haben euch Märchen erzählt, und ihr dämlichen Moslems habt ihr uns alles geglaubt. Ihr habt einen an der Waffel!…
Er macht später einen Witz, und ich muss so sehr lachen, dass ich nicht malen kann. Jetzt freut er sich, jetzt springt er in der Stube herum wie ein irrer Waldwichtel. Er will wissen, wie sein Porträt heißen soll? Porträt, sage ich, Sie können das Bild übern Kamin hängen, dann gelten Sie als ein Mann von Rang und Namen…
Er drückt die Locke auf die Oberlippe, er sieht aus wie ein Hunnenkhan. Der Mann ist gaga, der Mann ist gut, er kann mich mal mit seinem öden Konservatismus. Zappeln Sie nicht rum, sage ich, sonst nenne ich das Bild: Achmet, frisch zum Islam konvertiert … Ändert nichts, ruft er lachend, die Inquisition würde uns beide verbrennen … Ich male das Bild fertig, er erkennt sich zu Recht auf dem Bild nicht wieder, wir gehen Kaffee trinken.
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