Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Der Furor des Atheisten

 

Mohammed-Karikaturen, Metallschweine an der Abendmahltafel? Natürlich darf sich die Kunst über Religion belustigen. Sie sollte nur gut und klug sein. Das Fax der Woche

Der Gottlose nennt Gott: den unbeweglichen Beweger, den großen Ingenieur. Er war nie und ist nicht willens zu glauben, das überlässt er den Kindern und Kindsköpfen. Ein strenger Meister. Er spricht zu einem Mann gleichen Sinnes, der ihn unterbricht, um die Propheten zu beleidigen. Ist das ein Satanistenkongress? Nein, es sind Zivilisten ohne Gott, sie pfeifen auf den himmlischen Beistand, sie fürchten den Herzinfarkt mit fünfzig, und aber nicht den Teufel.

Gott, sagt der eine, hat mit uns nix zu schaffen, kümmert dich etwa die Ameise? Der andere blutet seinen Hass in Demagogenparolen. Sie spucken auf das Heilige. Die Pfaffen, sie spucken auf ihre Schäfchen, also geht es manchmal gerecht zu in dieser Welt. Dann aber gerate ich zwischen die Fronten. Furor des Atheisten, ich weiche: Jedes Wort würde im Nu verrosten.

Religion: Der Furor des Atheisten - Freitext
Faksimile des Faxes von Feridun Zaimoglu

Am Abend nimmt man mich mit zur Eröffnung der Kunstschau, Krempel und gute Kunst gemischt, die Leut wollen nicht granteln, sie wollen kunstsinnig sein an diesem Tag. Sie drängeln sich um eine zehn Tonnen schwere Skulptur: Das letzte Abendmahl, elf (!) lebensecht gestaltete Mastsäue an der langen Tafel, Schweinespektakel. Die Leut stellen sich zwischen die Säue und werden von Gatte, Gattin, Mutter, Vater fotografiert. Es heißt, der Künstler sei ein Chinese oder ein Mongole. Will der den Papst reizen? Kunst kommt von Könnendürfen, ist das seine Botschaft? Wurde er von einem finsteren Muselmanenscheich dazu angestiftet? Will der Chinese oder Mongole sich auf die Höhe des Diskurses hangeln?

Die Kunstzerschlager des „Islamischen Staates“, die faschistische Bürgerwehr kann sich in den Museen austoben. Götzenzertrümmerung ist herrlich. Die Kunstverachtung der kleinen Leute, die endlich freie Hand haben, ist widerlich.

Metallsäue in der Halle – was missfällt mir? Die Blasphemie? Nein, die Plumpheit. Muss der Mongolenchinese, muss er, dem vielleicht sonst herzlich wenig durch die Rübe rauscht, das gesetzte Motiv verkehren? Was missfällt mir an den Mohammed-Karikaturisten? Ihre Drittklassigkeit. Sie wurden gelobt und bepreist, und man nannte sie die Heroen der Offenheit. Ich habe mir die Zeichnungen angesehen. Schlechte Zeichner machen sich wichtig. Sie wissen – und wenn sie klug sind, hassen sie sich dafür –, dass nicht ihre Kunstfertigkeit gewürdigt wird.

Nun verlächerlicht ein Mongolenchinese Jesus und seine Jünger. Kann man denjenigen, der die offensichtliche Geisteslahmheit beklagt, als Deppen denunzieren? Wird oft getan. Pfaffenreligion ist der Weg zu Verdammnis, dem Hohepriester gebührt keine Achtung, seine Macht beruht auf Lügen. Man sollte ihn verlachen. Was aber stimmt nicht mit dem Künstler, der auf den reinen Glauben spuckt? Provokateure schaffen Plunder. Kunstkenner zeigen auf den Krempel und sagen: Da hat der Mann sich was dabei gedacht, lassen wir das Werk auf uns einwirken.

Kunstkurs für Anfänger: Säue haben die Heilsbringer verdrängt. Die Tafel, an der man Brot und Wein teilte, ist durch den Konferenztisch ersetzt worden. Die Funktionäre verkünden ihre neue Doktrin: Wer bei uns arbeitet, geht in das Firmeneigentum über. Er ist unser Leib. Wir sind sein Leben …

Früher wurde im Museumsshop der Nippes verkauft. Heute stellt man die Spaßartikel aus. Ich schaue mich um – den Leut ist das alles völlig wurst, sie knipsen Selfies, ein Familienvater versucht, sein Kind auf die Schultern der Hauptsau zu setzen, er wird vom Wachpersonal zur Ordnung gerufen.

Streife durch den Skulpturengarten, entdecke den Riesenmops aus Metall, die Leut futtern Mayonnaiseshrimps. Kunst ohne Sekt ist nicht vorstellbar. Frau mit plattem Hut zu einer Frau ohne Hut: Mir wird schwindlig vor soviel Kunst! Frau ohne Hut zur Frau mit Hut: Mir nicht …

Leinwand langweilt die Damen, Kunst zum Aufhängen war gestern, der Chinese mit den Schweinen ist endlich mal was Neues, das muss man ja nicht verstehen, das kann man auch einfach nur schön finden … Schön finden, denke ich, was zerbreche ich mir den Kopf, darum geht’s: Schick ist, was auf die Schicklichkeit spuckt.

_________________

Sie möchten keinen Freitext verpassen? Aufgrund der großen Nachfrage gibt es jetzt einen Newsletter. Hier können Sie ihn abonnieren.