Schöne Frauen umsummen den Mann der mächtigen Verse. Dabei stinkt der fies nach Krötensud. Unser Kolumnist aber sitzt im Spuckeregen ihrer Verachtung. Das Fax der Woche
Der Dichter, der sich nicht wäscht, gibt mir die Hand. Er riecht wie eine Mitgifttruhe, die man nach einem Jahr im neuen Haus eröffnet: Mottengift, Haut einer Hexe, die sich mit Krötensud eingerieben hat. Die schönen Frauen stehen auf und klatschen. Sehen sie nicht, dass er vor Fett glänzt? Sehen sie nicht, dass er torkelt, betrunken von der halben Flasche Schnaps, die er auf dem Balkon der Pension trank? Sie sehen es, und doch lieben sie ihn. Es zählen seine Verse. Es zählt nicht der Säuferbart, der ihm auf der Brust aufliegt wie ein Latz. Hoch lebe die Poesie, auch wenn der Dichter stinkt.
Er kommt aus einem fremden Land, er dichtet in der Sprache meiner Eltern, ich verstehe die einfachen Worte, die Frauen, Tagelöhner, Hausierer und Händler alter Gerätschaften beseelen. Für die Jungsubversiven ist er ein Mann des Staates. Sie werfen ihm vor: Einer der ihren hat auf das heilige Buch gespuckt, während eines surrealistischen Happenings. Der Dichter stürmte auf die Bühne, packte den Kerl am Kragen, zerrte ihn nach draußen, und drückte sein Gesicht in das Häufchen eines Königspudels. Sie werfen ihm vor: Der Dichter weint sich nicht an der Schulter ausländischer Journalisten aus. Auch will er nicht doofe Studentinnen zu Besuch in Istanbul mit Protestklamauk ins Bett kriegen. Sie werfen ihm vor: Der Dichter stinkt jeden Leseraum voll, er soll sich waschen, sie schenken ihm Shampoo und Duschgel.
Jetzt sitzt der Alte am Tisch in der Bar und signiert die Bücher, die ihm die schönen Frauen reichen. Ich sitze am Nebentisch, ein Bekannter stellt mich ihm als den Verfasser blutiger Geschichten vor. Der Dichter grinst und entblößt graubraune Zahnstummel, ein Kind fängt sofort an zu weinen. Ich darf an seinem Tisch Platz nehmen. Zwei Frauen, die mich erkennen, starren voller Hass, der Alte fragt mich nach dem Grund. Ich sage: Ich bin bei den Akademikern nicht beliebt.
Tatsächlich warnt ihn wenig später eine der beiden Frauen vor dem Umgang mit mir. Sie soll ihn bitte aufklären. Sie sagt: Er ist ein Antimodernist, eine Kanaille der Reaktion, ein ramponiertes Miststück, das im Abschaumjargon stammelt. Er gleicht dem Affen, der die Augen öffnet. Dieser Schreiber hat es den Affen abgeschaut, denn sobald ein Affe die Augen öffnet, greift er zu …
Die Damen schäumen, ich sitze im Spuckeregen ihrer Verachtung. Der Dichter ist sehr belustigt, er bittet die Damen an den Tisch. Er müffelt, die Frauen schieben aber trotzdem in seine Nähe, sie wahren den gesunden Abstand zu mir. Ich, der Affe, lausche. Ich, der Affe, klettere nicht auf eine Schaukel und werfe mit Nüsschen nach ihnen.
Ich nehme mir vor, ein Bild zu malen: Maria tötet den Dämon durch Gottes Hand. Kratzspuren in ihrem Gesicht, sie trägt die Zeichen des Kampfes mit dem bösen Geist, der in den verkrüppelten Feigenbaum einfuhr. Den sie herauslockte. Den sie erwürgte. Ein kleinwüchsiger Dämon mit den Hornsprossen eines Widders. Sie zeigte dem Volk den toten Menschenfeind. Himmel in Schleiern. Der Alte fragt, ich beschreibe ihm das Bild, die Frauen sind angwidert. Modernistinnen im Chanel-Imitatkostüm, ihr Hass wird nicht versiegen.
Es rücken andere schöne Frauen ihre Stühle an den Tisch des Poeten, er sagt herrliche Gedichte auf. Ich bin beseelt wie ein Tagelöhner am Brunnen. Alles ist schön geworden: die Gläser leuchten, Licht an meinen Händen, das Licht seines Mundes, das Licht der Worte aus seinem Mund. Maria in Gnaden, Prophetenmutter, reine Seele. Schöne beseelte Frauen, die den glucksenden Mann der mächtigen Verse umsummen. Was macht es schon, dass sie mich, den Modernistenfresser, hassen?
Affe lauscht, bis er verstummt. Eine Frau sagt mir: Er ist unverdorben, Sie sind befleckt. Sie blenden mich nicht. Eine andere Frau sagt: Der Gossendreck ist nicht abwaschbar …. Ich verabschiede mich von dem Dichter, dem nur noch wenige Stunden bleiben, er fliegt dann zurück nach Istanbul. Die Frauen drehen mir den Rücken zu. Der Affe geht, sie lauschen dem Mann.
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