Ein gewesener Ausländer – unser Kolumnist – gratuliert einem kommenden dunkelhäutigen Deutschen. Da kotzt der Pegida-Arier sich die Seele aus dem Leib. Das Fax der Woche
Eritreer schnalzen mit der Zunge. Ich weiß nicht, ob sie ihr Gegenüber ermutigen und bestätigen. Ich weiß nicht, ob es ein Laut des sanften Widerspruchs ist. Eritreer in Mainz: schöne Frauen, schöne Männer. Im Vergleich sehe ich aus wie Borstenviech. Man sollte sich ein Beispiel nehmen an Eritreern im Hochsommer: Sie sind vornehm, sie lächeln, auch wenn sie Kopfschmerzen haben.
Ich sehe und höre einen eritreischen jungen Mann Röhrennudeln essen – kein Schlucklaut, die Gabel stößt kein einziges Mal auf den Teller. Der wahre Adel kommt aus Eritrea. Ich sehe und höre eine adelige deutsche Dame essen: schön, leise, unbürgerlich. Kein Schmatzen, kein Rachenröhren. Das perfekte vornehme Liebespaar: eine blaublütige deutsche Dame und eritreischer Mann des Volkes. Höflichkeit ist eine Himmelsgabe.
Der Bruder, der Nudeln isst, übersetzt für einen Bruder, der in einem Boot mit 450 Menschen in Lampedusa ankam. Jetzt lebt er in einem Flüchtlingsheim in Ostdeutschland. Ich stehe auf, gebe ihm die Hand, ich sage: Herzlich willkommen bei uns… Schnappschuss für die Nachwelt: Ein gewesener Ausländer gratuliert einem kommenden dunkelhäutigen Deutschen. Verkehrte Welt? Ein Pegida-Arier kotzt sich bei diesem Bild die Seele aus dem Leib.
Man sollte den Lampedusa-Helden als Benimmlehrer für Volkssturm-Spießer einstellen. Was könnte er ihnen beibringen? Die Einsicht, erlösungsbedürftig zu sein. Den richtigen hüftlockeren Gang. Das Gebot, nicht zu fressen und zu saufen, und aber zu essen und zu trinken. Das Verbot, im Zorn aufzustampfen und aufzuschnaufen. Der Nazi schwätzt von der Vernegerung seines Deutschlands. Es gibt diese Hitlerhölle nur in seinem Schädel. Der Eritreer ist ein schöner, lachender Deutscher. Er würde dem Nazi im Benimmunterricht nicht etwa über die Fratze wischen. Er lehrte ihn Lieder der Anrufung, Lieder des Gottes- und Frauenlobs. Er sänge der öden Eule Melodien für Millionen vor. Er brächte ihm bei, dass es nicht selbstverständlich sei, aus dem Arsche zu kriechen.
Ich bespreche mich mit den eritreischen Brüdern zur späten Stunde. Sie sagen: Ostdeutschland? Pack und Angstschweiß, Deutungsschwäche und Brandbeschleuniger, das alles ist das eine. Die Herrlichkeit und das Herrliche ist das andere. Die Rassennarren, die mit den großen hochroten Köpfen, sie blöken los, wenn sie uns sehen. Aber, wir sind nicht verzagt. Wir spucken nicht, wenn sie spucken, wir schlucken die Spucke, unsere eigene Spucke. Was sollen wir kämpfen mit den Männern, die weißer sind als die Weißen im Westen? Dort gibt es sie, hier gibt es sie, die Knilche und Knirpse. Ein Kerl hetzt gegen uns, er sagt, dass wir weiße Frauen schänden wollen, eine Tochter der Kleinstadt. Er sagt, dass wir Schwarzen davon träumen.
Der Kerl glotzt aber die Frauen aus dem Flüchtlingsheim an, die schwarzen Frauen. Im Wirtshaus brüllt er: Bald schnapp’ ich mir eine, ich zerr’ sie hinters Gebüsch, die wird winseln. Wir passen auf. Die Herrlichkeit und das Herrliche? Ostdeutsch ist die Dichtung. Ostdeutsch ist der schöne Himmel. Ostdeutsch ist das Gebäck, ist das Fleisch in der Pfanne, sind die Worte, die ich lerne. Der ostdeutsche Kerl, der Hetzer, ich habe ihn gestellt, ich habe ihm gesagt: Willst du dich verlieben in eine Eritreerin? Dann must du anfangen. Womit? Mit Höflichkeit. Feinheit haben wir den Frauen zu verdanken. Also musst du schön lächeln lernen. Du musst dafür nicht erst nach Eritrea reisen. Komm in das Heim, komm nach Klein-Eritrea, verbeuge dich vor der Frau deines Herzens. Bitte sie um die Erlaubnis, sie ausführen zu dürfen. Halte schön das Mäulchen, wenn sie spricht.
Aber nein, der Kerl liebt den Schwindel und nicht die Dichtung. Er will Maul und Arsch nicht waschen… Der Bruder schnalzt mit der Zunge. Ich bin ermutigt.
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