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Das Wundermittel heißt grüne Banane

 

Es gibt nichts Schlimmeres als Männer mit dünnen Waden. Das musste auch unser Autor einsehen. Seither hat er viel in seinem Leben geändert. Nicht nur das Schuhzubinden.

© STR/AFP/Getty Images
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Seit ich eine Zeitlang Mitglied in einem Fitnessstudio war, erkenne ich manchmal auf der Straße Leute wieder, die dort in der Masochistenecke mit den freien Hanteln trainiert haben, sie schleppen ihre Sporttasche immer noch mehrmals die Woche an diesen Ort, in ihrer Alltagskleidung sehen sie allerdings ganz unscheinbar aus.

Man muss sich nicht mehr viele Gedanken um seine Freizeit machen, wenn man drei- bis viermal die Woche pumpt – frisch geduscht und angenehm sediert kehrt man nach Hause zurück und hat das Gefühl, wenigstens heute nicht gealtert zu sein (außer im Gesicht). Am nächsten Tag geht es allerdings leider schon wieder von vorne los. Ich wäre vielleicht weiter hingegangen, wenn das Fernsehprogramm auf den zehn Bildschirmen nicht so unerträglich gewesen wäre, vor allem vormittags. Leider war es nicht möglich, das Personal dazu zu bewegen, wenigstens auf einem Bildschirm Phoenix oder 3Sat oder auch nur KiKA laufen zu lassen, man musste sich beim Laufen auf dem Band mit den gescripteten Reality-Formaten der Privatsender zufriedengeben („Kaufen, mieten, wohnen“!) oder auf ARD das Morgenmagazin mit der Fleckensprechstunde sehen. Ich zahle ja GEZ-Gebühren, damit mir die Leute, die das gucken wollen, in der Zeit nicht auf der Straße begegnen, aber im Studio funktionierte das nicht.

Ich halte mich jetzt lieber fit, indem ich mich zum Schuhebinden bücke, statt wie lange Zeit die Schuhe unaufgebunden von den Füßen zu streifen. Das ist billiger und schont das Schuhwerk. Wichtig ist auch die richtige Ernährung, wenn man Salat isst, verbraucht man durchs anstrengende Kauen mehr Energie, als man aufgenommen hat. Mit meiner Freundin unterhalte ich mich oft über Dinge, die wir nicht essen. Wir wünschen uns vor jeder Mahlzeit „schlechten Appetit“.

Als ich neulich mit ihr im Taxi saß, merkte der Taxifahrer auf, als es um Weizenmehl ging, das Thema interessierte ihn. Der Herr, der vielleicht 60 Jahre alt war, erklärte uns, dass er bei der Arbeit täglich nur einen Eiweißriegel esse, aber einen richtigen, vom Sportladen (wo das Schaufenster immer mit diesen Eiweißpulvertönnchen im Waschmittelformat vollsteht, deren balkenförmig-kursive, motorölartige Schriftzüge schon beim Lesen aufputschen). Zweimal im Monat gehe er aber mit seiner Frau zum Thailänder, das genieße er dann auch. Oder mal eine Banane, aber nur grüne, die hätten weniger Fruchtzucker, sonst „schießt das ins Blut rein“, der Pegel gehe schnell hoch, aber genauso schnell wieder runter, da komme der Hunger gleich wieder. Deshalb immer nur grüne Bananen.

Ernährungsbewusste, sportlich ambitionierte Amateure häufen ungeheuer viel Wissen und Erfahrung an, woran sie andere gerne teilhaben lassen. Es ist wie mit Kindern, man könnte ewig darüber reden. Er empfahl uns das Buch Die 20er Kniebeuge. Die Methode sei ganz einfach: Wie man sonst 10 Kniebeugen mache, solle man einfach 20 machen. Und das Hantelgewicht jedes Mal geringstmöglich erhöhen. Da teile sich irgendwann der Oberschenkel so schön, wo man sonst ja eher so eine Art Baumstamm habe, da komme die Definition. (Man möchte nämlich „definiert“ aussehen). Und Almaset aus der Apotheke, das wirke wirklich. In zwei Wochen habe seine Frau damit 14 Kilogramm abgenommen und die seien nicht wieder drauf. Da seien nämlich Enzyme drin und Honig (und noch etwas Appetithemmendes, was ich vergessen habe). Der Honig sei für die Schilddrüse, die rege die Verbrennung an. Und immer Intervalltraining, das brenne noch zwei Stunden danach, sofern man nach dem Training nichts esse, das sei ganz wichtig, rein gar nichts.

Er sei früher Judoka gewesen, aber dabei verletze man sich zu leicht, jetzt gehe er viermal die Woche ins Studio, seine Frau dreimal. Als er „zwei Autos laufen“ hatte, ist er hin zum Studio: Hier, ich will kein Geld, nur ’ne Jahreskarte, wenn ich die mit eurer Werbung bedrucke, das hätten die gemacht. Viermal die Woche, danach ein Gang Sauna. Und für die anderen Tagen, zu Hause, da habe er sich ein Sportzimmer eingerichtet. Eine Liegebank hat er von einem Studio übernommen, das pleitegegangen ist, da staune man, was man damit machen könne, wie variabel man die verstellen könne. Mit der Kurzhantel, die nehme er lieber, weil man da gleichzeitig stabilisieren müsse. Wenn man da 30 kg nehme, die lege man auf die Oberschenkel, dann nach hinten kippen, da komme die von selber hoch und beim Ablegen genauso. Das sei besser als am Butterfly-Gerät, das möge er nämlich nicht (mein Lieblingsgerät!).

Oben, über den Kopf, das sei eigentlich eine Stretching-Übung, aber wenn man da etwas mehr Gewicht nehme, ziehe das mehr in die Bauchmuskeln rein. Seine Handgelenke seien natürlich kaputt vom Training, das müsse man hinnehmen, da brauche er Manschetten, nicht die aus Leder, die saugten sich nur voll Schweiß, nein, Neopren, das müssten auch nicht die teuren für 30 Euro sein. Die hielten dann ein Jahr. Durchs Training sei man nie krank, oder wenn, dann gehe es schneller vorbei (ich hatte immer den Verdacht, mich gerade im Studio anzustecken, wo alles voller Schweiß war).

Die Waden seien bei vielen ein Problem, die seien Wachstumsverweigerer. Den Körpertyp nenne man „tasmanischer Teufel“, da gebe es so eine Karikatur, ein Teufel mit so dünnen Beinen. Aber er kenne da einen einfachen Trick: immer mit kurzen Hosen ins Studio und an den Waden arbeiten, bis die wachsen. Männer würden fast mehr in den Spiegel gucken dabei als Frauen. Aber Spiegel müssten sein, um die Haltung zu korrigieren. Er mache Splittingtraining, den einen Tag Beine, den anderen Schultern, Brust könne man auch viel machen. Immer die großen Muskelgruppen zuerst trainieren, die regten dann die kleineren an. Eine Stunde vorher einen Eiweißdrink mit ein paar Löffeln Kölln-Flocken.

Leider waren wir viel zu schnell am Bahnhof, ich hätte gerne noch länger zugehört, vielleicht würde er mich ja mal seinen Bizeps fühlen lassen? Wir nahmen nicht die Rolltreppe, sondern gingen zu Fuß, voller Verachtung für die verweichlichten Reisenden, die zu faul für die paar Stufen waren, dabei war das das beste Cardio-Training und gleichzeitig bekam man definierte Oberschenkel. Am Obststand suchte ich mir grüne Bananen raus, damit der Fruchtzucker nicht ins Blut schoss. Es schmeckte zwar nicht, machte dafür aber auch nicht satt. Daneben gab es einen Ditsch-Stand. Nie haben ranziges Fett und verkokelte Schinkenwürfel besser gerochen. Ich band mir erst mal die Schuhe zu.

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