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Mein Papst und ich

 

Das neue Papst-Magazin ist die Fortsetzung der urkatholischen Populärkultur. Etwas enttäuschend: Beim Preisausschreibung winken 100 Euro, nix mit Seligsprechung.

© Franco Origlia/Getty Images/Bearbeitun: ZEIT ONLINE
© Franco Origlia/Getty Images/Bearbeitun: ZEIT ONLINE

Eines steht fest: Das Verhältnis der Deutschen zum Papst hat sich seit dem Rücktritt Benedikts XVI. radikal verändert. Ganz Deutschland brodelte im weißen Rauch, als die Bild bei Ratzingers Wahl WIR SIND PAPST titelte, ein Ausruf zwischen Pluralis Majestatis und Inbesitznahme aller päpstlichen Würden für den guten Zweck der Yellow Press. Mit Franziskus haben wir uns von dieser symbiotischen, überindentifikatorischen, ja geradezu kannibalistischen Beziehung zum obersten Pontifex erholt.

Mein Papst heißt das neue Magazin, das seit März auf dem Markt ist. Nun gibt es viele Titel, unter denen deutsche Dichter und Denker den Bischof Roms thematisiert haben, etwa Der Erwählte (Thomas Mann) oder Der Stellvertreter (Rolf Hochhuth), aber keiner ist so schlicht, liebevoll und frei von jeglicher Problematisierung des Amtes wie jener aus dem Hause Panini. Mein Papst, eine Wendung für ein Lebkuchenherz, vergleichbar mit mein Schatz, mein Bärchen, mein Herzensmann, deutet auf eine geordnete, besitzergreifende Liebesbeziehung hin.

mein papst
Das Titelbild von „Mein Papst“ (© Panini)

Hier sind die prunkvollen Gewänder abgelegt, aller Firlefanz, wie ihn Franziskus ohnehin für überflüssig hält und geradezu nackt, als Privatmann, als einer unter vielen im aristokratischen Klatschmilieu steht er vor dem Leser. Franziskus ist einer von uns! lautet folgerichtig auch die grellgelbe Schlagzeile auf dem Cover.

Ach ja, der Franz. Haben wir ihn nicht vorhin noch im Supermarkt gesehen, einen Einkaufswagen mit fünf Toscana-Brötchen und einer Dose Oliven vor sich her schiebend? Jedenfalls sind wir mit dem Panini-Reporter zu seinem Schneider Gammarelli gegangen und haben erfahren, dass Franz schwarze orthopädische Schuhe trägt, einen einfachen Schnitt ohne Verzierung, na klar. Wir haben uns in der Reportage So lebt der Papst einen Plausch mit Nachbarn, Kaffee aus dem Automaten und gemeinsamen Mahlzeiten gegönnt und in sein Schlafzimmer hineingeschaut.

Der Papst ist schließlich niemals nur Heiliger, sondern immer auch Hure. Er muss sich gemein machen oder gemein gemacht werden, um auch die niederen Gelüste der Gläubigen zu befriedigen, die sich nach Klatsch, Kitsch und Karnickeln sehnen und dabei wurde noch nie vor irgendetwas Halt gemacht. So starb Pius XII. gegen seinen Willen auf der Titelseite der Paris-Match, der Königin unter den Klatschzeitungen und der fröhliche Leo XIII. gab sich einst als Werbegesicht für seinen geliebten, kokainhaltigen Mariani-Wein her. Es ist nun eben nicht jeder Tag ein Feiertag und das Himmelreich fängt erst im Jenseits an. Im Diesseits saufen wir und waschen schmutzige Wäsche und haben uns im Übrigen etwas anderes unter der Bezeichnung „puristische Holzmöbel“ vorgestellt als die zentnerschweren Antiquitäten, die auf dem Bild von Franziskus‘ Schlafzimmer zu sehen sind. „Wohnen im Stil der armen Kirche“ heißt es da – na dann.

Wenn dieser Papst modern ist, sollte man sich fragen, was für eine Moderne diese Inszenierung vertritt und was der Papst mit einem Schwedenrätsel gemeinsam hat. Nicht viel, könnte man meinen, doch das Rätsel ist die zweite Erfolgsingredienz der Illustrierten, es locken 2 x 100 Euro und so kann man gewinnen: Einfach eine Mail mit dem Lösungswort an MeinPapst@Panini.de schicken. Schriebe ich jemals an so eine Adresse, dann müsste es mindestens meine Lebensbeichte sein und als Gewinn hätte ich gerne 2 x Seligsprechung, ach lass mich, schnöder Mammon.

Adornos Kulturindustrie jedenfalls fände kaum einen reizenderen Ausdruck als in diesem Magazin von Panini, einer Marke, die ansonsten für selbstklebende Sammelbilder bekannt ist, ob mit Fußballspielern, Tieren oder Teletubbies bedruckt. Dies ist im Übrigen die Fortsetzung einer urkatholischen Populärkultur, schließlich finanziert die Kirche mit dem Verkauf von Heiligenbildchen seit unvordenklichen Zeiten alles, wofür die Kirchensteuer nicht reicht: Von der Orgelpfeife bis zur Caritas, vom Limoncello des Provinzpaters bis zur Transsubstantiation. Ohne das Sammelbild würden wir Katholiken noch in den düsteren Katakomben sitzen und Fußballmeisterschaften wären nur halb so schön.

Gott ist in Christus Mensch geworden, der Papst wurde es dank Panini. Oder anders gesagt: Franziskus ist nicht modern, er ist postmodern. Das gefällt freilich nicht jedem. Die Traditionalisten von www.katholisches.info etwa lassen kaum ein gutes Haar an dem ohnehin schon recht kahlen Franziskus. Sie werfen ihm Verachtung der Tradition vor, sehen gar „das Papsttum an den Rand der offenen Apostasie“ gedrängt und Franziskus‘ ausgestellte Bescheidenheit halten sie bei dem unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand für eine Masche. Gerne würde man lesen, wie ihnen die neue Illustrierte gefällt. Die Lösung des Wabenrätsels lautet übrigens „Messe“.

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