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Geschlechterproblem gelöst!

 

Seit Tagen quält sich die Welt mit einem Mathe-Rätsel. Seit Jahren mit der Frage danach, wie es klappt mit der Liebe. Unser Autor hat beide Fragen gleichzeitig geknackt.

Letzte Woche versuchte angeblich die halbe Welt genau so logisch zu denken wie singapurische Schüler. Es ging um Cheryls Geburtstag. Und wer ihn herausgefunden hatte, war sehr kurz und sehr nutzlos stolz und machte dann wieder etwas anderes, womöglich Unlogisches.

Jetzt wurde das Rätsel allerdings von seinen Herstellern zurückgerufen, weil versehentlich eine verfälschend verkürzte Version des Rätsels veröffentlicht wurde. Nämlich diese hier:

Albert und Bernhard haben Cheryl getroffen, sie wollen wissen, wann sie Geburtstag hat. Cheryl gibt zehn Daten vor. 15. Mai, 16. Mai, 19. Mai. 17. Juni und 18. Juni. 14. Juli und 16. Juli. 14. August, 15. August, 17. August. Dann verrät Cheryl den Monat und den Tag getrennt an Albert und Bernhard.

Albert: Ich weiß nicht, wann Cheryls Geburtstag ist, aber ich weiß, dass Bernhard es auch nicht weiß.

Bernhard: Zuerst wusste ich nicht, wann Cheryl Geburtstag hat. Aber jetzt weiß ich es.

Albert: Dann weiß ich jetzt ebenfalls, wann Cheryls Geburtstag ist.

In Wahrheit geht das Rätsel aber an dieser Stelle noch weiter:

Bernhard: Weißt du gar nicht.

Albert: Weiß ich wohl.

Bernhard: Ach ja, und wann hat Cheryl dann bitteschön Geburtstag?

Albert: Äh, am 13. Oder nein, im Mai oder halt Juli.

Bernhard: Siehst du, du weißt es nicht.

Albert: Stimmt. Keinen blassen Schimmer.

Bernhard: Ich ehrlich gesagt auch nicht.

Albert: Wie bitte?

Bernhard: Ich habe auch keinen Schimmer. Ich habe das eben nur behauptet. Ich habe nicht mal richtig zugehört.

Albert: Ist ja auch albern dieses Ratespiel. Wo sind wir denn hier? In Ratespielhausen an der Müritz?

Bernhard: Wir hätten sie gar nicht ansprechen sollen.

Albert: Scheiße, da kommt sie zurück.

Cheryl: Und Jungs, habt ihr es? Wann habe ich Geburtstag?

Albert: Eine Frau wie du sollte jeden Tag Geburtstag haben. Da ist ein Tag im Jahr viel zu wenig. Da müsste man noch Tage dazu erfinden, den 82. Septober, den 101. Janember.

Cheryl: Ihr habt also keine Ahnung, oder?

Bernhard: Nicht so richtig. Also von anderem schon. Aber halt nicht von deinem Geburtstag. Das ist jetzt nicht im engeren Sinne unser Spezialgebiet.

Cheryl: Großartig.

Eine betretene Stille kommt mehr oder weniger zufällig vorbei und stellt sich direkt zwischen die drei.

Bernhard: Also, ich habe ja am 27. März Geburtstag.

Cheryl: Aha.

Bernhard: Und schau. Ich habe dir das Datum sofort gesagt. Ohne diese ganzen Spielchen, ohne Geheimnistuerei. So bin ich eben: offen, direkt, zielstrebig, umstandslos, leistungsorientiert, kinderlieb, humorvoll und lebensklug. Und was mit Natur.

Cheryl: Ja, aber um deinen Geburtstag geht es hier nicht. Das Rätsel heißt eindeutig „Cheryls Geburtstag“. Und nicht „Bernhards tolle Eigenschaften“.

Albert: Ich habe auch tolle Eigenschaften. Ich kann zum Beispiel gut aussehen. Und gut Sachen hochheben. Soll ich mal was hochheben?

Cheryl: Nein, danke.

Albert: Ich hebe trotzdem mal was hoch. Sicherheitshalber.

Albert sucht etwas zum Hochheben, findet aber nichts. Er versucht, sich selber hochzuheben. Er versucht das erschütternd ausdauernd.

Bernhard: Naja, nichts für ungut. Das ist ja auch alles eine Frage der Chemie. Die stimmt einfach nicht zwischen uns. Gegen Chemie ist man machtlos. Als Mensch.

Albert: Und als Freund von dem Menschen. Also: Tschüss, Cheryl. War nett mit dir.

Cheryl: Moment mal. Wo wollt ihr hin?

Albert: Squashen. Wir gehen donnerstags immer squashen.

Bernhard: Das stimmt doch schon wieder nicht. Hör auf zu lügen, Albert.

Cheryl: Niemand geht hier irgendwohin, bevor ihr nicht rausgefunden habt, wann mein Geburtstag ist.

Albert: Naja, an einem der Daten, die du genannt hast. Denk ich mal.

Bernhard: Ich hatte da so ein gutes Gefühl bei dem vorletzten.

Albert: Stimmt, ich auch. Das nehmen wir.

Cheryl: Wollt ihr mich verarschen? Gebt euch gefälligst mal etwas Mühe. Denkt doch mal an die singapurischen Schüler. Die zählen auf euch. Die wollen doch hier was lernen. Die sind noch jung und formbar, und ihr wollt euch hier einfach aus dem Staub machen. Sollen sie das lernen, ja? Wollt ihr das? Wollt ihr eine ganze Generation von Ausdemstaubmachern heranzüchten?

Bernhard: Naja, es ist so: Wir sind in die ganze Sache eher so zufällig hineingeraten.

Albert: Wir haben das mit dem Geburtstag doch nur gefragt, weil in der Men’s Health stand, dass man Frauen am Anfang persönliche Dinge fragen soll. Und was Persönlicheres als der Geburtstag ist uns auf die Schnelle nicht eingefallen. Ich wollte erst was anderes. Schuhgröße oder Allergien oder so. Aber Bernhard bestand auf Geburtstag.

Bernhard: Tut uns leid.

Cheryl: Muss es nicht. Ich habe doch auch nur so umständlich geantwortet, weil in der Women’s Disease stand, dass man sich vor Männern unnahbar geben soll. Und mysteriös. Hat das wenigstens geklappt? Findet ihr mich mysteriös?

Bernhard: Geht so.

Albert: Eher ein wenig anstrengend.

Cheryl: Ich finde euch auch nicht so toll.

Dem betretenen Schweigen wird langweilig und es wackelt lieber woanders hin.

Bernhard: Jetzt haben wir den Salat.

Cheryl: Wir haben alles falsch gemacht. Die armen singapurischen Schüler. Die haben etwas Besseres verdient als uns.

Albert: Heißt du eigentlich wirklich Cheryl?

Cheryl: Quatsch. Cheryl. Ich bitte euch. Aber ich sage doch irgendwelchen dahergelaufenen Fremden nicht meinen richtigen Namen.

Bernhard: Und ist dein richtiger Geburtstag an einem der Daten, die du uns genannt hast?

Cheryl: Nein.

Es fängt an zu nieseln. Vielleicht aber auch nur innerlich. Das können die drei nicht mehr unterscheiden.

Cheryl: Soll ich euch sagen, wann mein Geburtstag ist. Heute! Ja, verdammt, heute. Und ich sitze hier mit euch Knalltüten rum. Nur, weil ich unbedingt mysteriös sein wollte. Das ist kein so guter Tag leider.

Bernhard: Happy birthday, Cheryl.

Cheryl: Ich heiße nicht Cheryl.

Albert: Das ist mir egal.

Cheryl: Danke. Mir auch manchmal.

Bernhard: Wir können ja trotzdem feiern. „Trotzdem“ feiert es sich ja manchmal am besten.

Sie fangen an zu tanzen. Jeder in einem anderen Rhythmus, doch tröstlich vereint in der Unbeholfenheit. Nach und nach kommen die singapurischen Schüler dazu und tanzen mit. Erst noch zögerlich. Dann immer zögerlicher. Wenn vorhanden: Vorhang. Sonst weitermachen, irgendwie weitermachen.

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