Eben wurden sie noch Ebola-Araber genannt. Jetzt schenkt eine alte Dame den Flüchtlingen Butterkuchen. Nett, findet unser Kolumnist. Aber hilft das? Das Fax der Woche
Der Stiefbruder des toten Flüchtlings im Meer wohnt bei mir um die Ecke: ein bleicher schwarzer Mann im Jackett vom Roten Kreuz. Er wird ausbleichen vor Kummer. Wer tröstet ihn? Gute Deutsche, von denen es im Viertel wimmelt. Sie kneten ihm die Schulterpolster in die rechte Form, sie streichen ihm die Wange heiß, sie bringen ofenheißen Kuchen und frisch gebrauten Kaffee in der Thermoskanne.
Wer möchte schon Volk aus Afrika und aus den zerschossenen Gebieten unten im Osten in der Nachbarschaft dulden? Die Deutschen tun’s, hier bei uns. Sie päppeln sie auf, die Fremdgesichtigen, die Deutschen von morgen. Doch das ist nicht wichtig, wichtig ist: Der trauernde Mann, er kam mit Frau mit werdendem Kind im Bauch, man nannte sie im Auffanglager Ebola-Araber, türkenähnliches Gesocks, Viertelmenschen.
Die alte Dame kneift ihm den Oberarm blau, sie meint es gut, sie schenkt seiner Frau Lakritzschnecken oder Butterkuchen vom Vortag, sie hat wenig Geld, Rente reicht bis Monatsmitte. Alte Dame mit Loch im schlappen Filzhut hat ein christliches Herz, der Neue ist Moslem, das hat sich herumgesprochen, was kümmert es die Leut. Sein Menschenfresser-Akzent erheitert den Schuster, der ihm neue Sohlen am Schuhrand festgenäht hat. Im Anfang hat er vor der Fellachenflut gewarnt, an die Spitze einer Bürgerwehr wollte er sich nicht stellen. In der Kneipe der weinroten Nasen hat der Schuster mitten im Schluck innegehalten, er hat zu den forschen Freunden gesagt: Wer sucht uns heim? Schweinepriester mit Menschenmaske? Heute zehn, morgen hundert, der Muselmann kommt selten allein…
Die wahren Schweine sprachen von der Wunderwaffe Elimination, sie riefen: Wegen dem volksfremden Geschmeiß müssen wa hungern… Genitiv können sie nicht, die Arieragitation widerte den Schuster an, er klopfte und schnitt in der Werkstatt, wartete ab. Da kam der Neue, da kam seine hübsche Kindsfrau, schöne schwarze Menschen, Einzug der fremden Sitte, Hauptsache keine Moschee, der Rest ergibt sich. Flüchtling ist ein Mustermann. Jedem ist sein Platz zugewiesen. Der eine prahlt im Plattenbau. Der andere wechselt von der Lehmhütte nach langem Lauf in den mitteleuropäischen Zwei-Zimmer-Verhau. Massaker überlebt, Dank den Deutschen: sagt der Neue.
Junge Anarchisten wollen ihm ein anderes Benehmen beibringen. Sie mahnen an: Widerstehe der Verlockung, sei nicht so scheißfreundlich, misstraue unserem Volk! Flüchtling möchte die Knielöcher in ihren Jeans vernähen, selbstverständlich kostenlos, der schwarze Block fühlt sich verarscht. Butterkuchen ist kulinarischer Imperialismus, was frisst der Neue die Gnadengaben, er soll den Bürgern die Brocken vor die Füße spucken. Das tut er nicht, die deutschen Bürger haben ihn aufgenommen. Es fragen sich die Punker des Viertels: Wo bleibt die Negerwildheit?
Der Charakter des Neuen ist zu Mus zerstampft. Hauptsache keine Moschee, der Rest ergibt sich… Ich frage ihn nichts, er fragt mich: Ist Geld teuer, du schreibst? Ich verstehe und antworte: Harte Arbeit, ganz normal, Geld kommt. Er fragt: Papier Maske, du schreibst? Ich verstehe und antworte: Arbeit macht mich anders… Schön wesentlich wird mein Deutsch, wenn ich mit ihm spreche, immer auf der Straße, immer beim Gang zum Supermarkt, zum Friedhof, dessen Wege er beharkt.
Monate später wird er Vater, er nennt den Sohn Wilhelm, die Punks flippen aus. Sie raunen: Ödes Kriechtier, gekaufter Knallkopp… Sie witzeln: Willi, der Helm, sie meinen es nicht böse, sie strahlen ihn an, wenn sie ihm begegnen. Echter Flüchtling vor der Haustür, das macht sie im Straßenkampf glaubwürdig. Der Neue hat eine rechte Faust wie ein Vorschlaghammer, es will sich keiner mit ihm vergrüßen. Die Welt blutet aus, wir trösten uns mit Fest und Arbeit, und Wilhelm soll mal Kinderdoktor werden. Massaker überlebt, der Rest ergibt sich.
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