Sand ist kein gutes Peeling, Schuhe sollten in der richtigen Größe gekauft werden und von Hühneraugen wird besser geschwiegen. Szenen aus einem deutschen Sprechzimmer
Herr Hamit sieht aus wie ein Rinderhälftenträger im Ruhestand. Er rasiert sich jeden Tag nass, und weil ihn morgens die Sorgen anfallen, wird er schon früh am Tag zornig und zerschneidet die Haut am Kehlkopf. Das Wattebäuschen zum Blutstillen klebt ihm stundenlang am Hals, bis er sich daran erinnert und es mit einem Ruck entfernt.
Dann verflucht er der Reihe nach: die Baumwollfelder auf der ganzen Welt, die Hundescheiße vor seiner Haustür, das elende Stinktier, das seinen Hund auf den Bürgersteig vor dem Haus kacken lässt, in dem er im dritten Stock wohnt, alle dritten Stockwerke dieser Welt, den öden polnischen Gardinenbügler in seiner Straße, der vor der Mangelstube rauchend bei Herrn Hamits Anblick auf seinen Adamsapfel klopft; den Tag, an dem er die Nachricht vom Klassenabstieg seines Fußballclubs in der Zeitung lesen musste, alle miesen Schiedsrichter und unfähigen Torwarte dieser Welt.
Jetzt sitzen er und seine Frau im Sprechzimmer einer Allgemeinärztin, ich bin der Übersetzer, Herr Hamit hat zwei Hinweise des schwulen Gehilfen überhört, das daumengroße Bäuschen vom Hals zu rupfen. Er fragt mich, ob der geschminkte Junge mit dem kleinen Sklavenring in der Oberlippe nicht ganz dicht sei. Er überhört die Worte seiner Frau, die ihn bittet, die Haarflaumwirbel an seinem Ohrläppchen beim Friseur abflämmen zu lassen.
Wir werden aufgerufen. Herr Hamit rupft am Ohr und lässt im Vorbeigehen Haarkringel vor die Füße des Gehilfen fallen. Wir nehmen im Behandlungszimmer Platz, Herr Hamit sagt: Übersetze alles peinlich genau. Ich weiß, du bist ein zu groß geratenes Kalb und neigst zu groben Scherzen. Wenn du der Ärztin erzählst, dass ich an Kiefergelenkkapselverschleiß leide, werde ich es merken. Wenn du ihr erzählst, dass mein teures Weib Zwischenzehenverschuppung quält, werde ich es merken. Dann gibt’s eine Maulschelle, dass es hallt …
Also bleibe ich bei er Wahrheit: Frau Doktor, er klagt darüber, dass von seinem Daumen Funken sprühen, und weil er keine Funken sieht, glaubt der Herr, er habe was am Kopf. Die Dame glaubt, dass ihr Gesicht im Schlaf von kleinen Springteufeln zerbissen wird …
Die Ärztin starrt Mann und Frau an, Herr Hamit ist argwöhnisch geworden, er ist drauf und dran, mir eine zu donnern, ich beteure meine Unschuld. Er beruhigt sich erst, als Frau Doktor anfängt, seinen Daumen zu kneten. Schmerzen? … Aua? … Nix … Mist … was heißt das? Ich übersetze: Keine Schmerzen, nirgends. Herr Hamit sagt, dass er keinen Termin bei einer Daumenmasseuse vereinbart habe. Ich bitte ihn um Geduld, er verflucht alle Schuhmacher dieser Welt, die es nicht verstünden, das richtige Schuhwerk für ihn zu schustern.
Die Ärztin schaut mich fragend an, ich übersetze: Herr Hamit trägt aus Gewohnheit Schuhe, die ihm eine Nummer zu klein sind. Er hat Schuhgröße siebenundvierzig, er liebt spitze italienische Schuhe, und wenn er sie in seiner Größe kauft, sieht es aus, als würde er in Zementkübeln herumlaufen. Er leidet. Außerdem hat er drei Hühneraugen, auf die er nicht angesprochen werden will. Tun Sie es bitte mir zuliebe nicht, denn sonst werde ich vor Ihren Augen erwürgt …
Frau Doktor sagt: Er hat sich den Daumen eingequetscht, er will seine Ungeschicktheit vor seiner Frau nicht zugeben … Sie rollt mit dem Stuhl näher an Frau Hamit heran, beschaut ihr Gesicht und fragt, welche Peelingcreme die Dame benutzt, sie solle sie sofort absetzen.
Frau Hamit erzählt, ich übersetze: Ich habe den Rat einer klugen Frau, die allerdings keine Kosmetikerin ist, beherzigt. Ich saß am Strand, es war zu kalt, um zu baden, und also habe ich mir das Gesicht mit dem Sand vom Meeresgrund gerieben, jeden Tag, dreimal täglich. Das fiel auf, und schließlich haben es auch die Frauen getan, die Cellulite an den wuchtigen Hinterbacken haben … Frau Doktor verschreibt den Eheleuten sanfte Salben gegen Daumenschmerz und Gesichtskratzer, und bevor wir die Praxis verlassen, überreicht der schwule Gehilfe Herrn Hamit eine handtellergroße, durchsichtige Tüte mit schwarzen Ohrläppchenkringeln.