Hilfe, unser Kolumnist wird von Frauen in bunten Mao-Kitteln verfolgt! Vorbild: Angela Merkel? Zum Glück ist bald Weihnachten. Das Fax der Woche
Der nicht zugeknöpfte Mao-Kittel in bunt ist bei reifen Damen sehr beliebt. Ihr Vorbild: Frau Merkel. Die Frau am Ende des Großraumabteils ruft die Teilnehmer eines Fortbildungsseminars an und sagt jedes Mal: Haben Sie ein Luftstrommessgerät? Ja? Dann hake ich sie ab. Was? Nein. Sie dürfen teilnehmen. Ich streiche Sie nicht von der Liste. Ich führe Sie als Besitzer eines Luftstrommessgeräts. Danke. Ruhige Schicht…
Nach jedem kurzen Gespräch fummelt sie an den Kittelknöpfen, der Bewegungsmelder erfasst sie, die pneumatische Tür geht schnalzend auf. Es schnalzt achtzehn Mal, ich sitze zwei Reihen hinter ihr, und als die Dame zum neunzehnten Mal das Wort ‚Luftstrommessgerät‘ aufsagt, springe ich auf und laufe in geducktem Galopp durch die Gänge.
Mir verbleibt noch eine Dreiviertelstunde Fahrzeit, ich denke nach: Messgerät, Luftstrom, Liste, ruhige Schicht. Taumele mit glasigen Augen und benebelt in Kiel aus dem Zug. Die Freunde vor der Eckbäckerei sind aufgebracht, weil ich sie fragte, was in den Tagen meiner Abwesenheit im Viertel geschah: Nix ist passiert. Die Ampeln an der Kreuzung sprangen von Rot auf Orange auf Grün, dann wieder von Grün auf Orange auf Rot. Der Mann mit dem Laubpuster bekam vom zweitschlimmsten Säufer der Straße wegen Ruhestörung einen Arschtritt. Eine Irre steckte den Kopf in den Warenkorb auf Rollern vor dem Discounter. Zwei Tierschützer malten die Umrisszeichnung von toten Robben mit Kreide aufs Pflaster, wir gafften. Uwe hatte zufällig rote Kreide mit, er malte Blutlachen neben die Umrisse, und weil Uwe nicht malen kann, sah es aus, als hätten die Robben Rotebeetesaft gekotzt. Die Tierschützer maulten, Uwe wurde stinkig und haute ab.
Nix ist passiert, frag nicht blöd. In der Nähstube hat es spätnachts gekracht, wir standen zufällig herum, wir traten die Tür ein, weil wir ja keinen passenden Schlüssel hatten. Am Boden lag ein Kopf und weiter hinten lag ein Körper, Ritschie bekam vor Angst einen Schluckauf, Uwe hatte zufällig eine Taschenlampe mit, er leuchtete hin, die Anziehpuppe war umgefallen, und der Kopf war weggekullert. Ali macht Tamtam, er glaubt, wir wollten ihm seine Geldkassette klauen, dabei wollten wir nur helfen, das mit der Tür tut uns ja Leid, wenn Uwe tritt, tritt er hart.
Alis Nichte hat übrigens einen Importali ausm Dorf geholt, der sagt ihr, sie soll nicht mit wippenden Titten und bebenden Backen durchs Viertel laufen, du weißt, Ritschie hat ihr letztes Jahr ’n blödes Kompliment gemacht, von wegen ich hack mir die Hand ab, wenn du mich einmal säugst, Alis Nichte hat ihn mit ’ner Maulschelle vom Stuhl gefegt, was haben wir gelacht, wir haben sie hochleben lassen, Ritschie wurde stinkig und haute ab. Zurück zu Ali, das ist ’n Freigeist, und jetzt hat er ’nen halben Salafisten in der Sippe, schon scheiße. Ich hab ihm gesagt: Mensch Ali, Schluss mit Tamtam, die Tür macht der Schreiner wieder heil, sollen wir den Mann deiner Nichte grün und blau schlagen, hilft das ein bisschen? Ali sagt, es hilft kein bisschen, und das nächste Mal, wenn bei ihm in der Stube was umfällt, sollen wir einfach weiter gehen.
Nix ist passiert. Die Rippchen im Steakhouse schmecken gut. Der Kiosk ist immer noch zugenagelt. Der Hähnchen-Dürüm im Dönerladen schmeckt gut. Die Transe Tamara, der Ukrainer mit den Schmissen in der Fresse, hat mich am Bahnhof abgepasst, ich trank ’n Kaffee mit ihm, mir war echt nicht wohl, du weißt, dass der in Rüschenfummeln rumläuft, und an dem Tag steckte er inner Galarobe mit Schleppe, leck mich, ich steh daneben ganz tolerant, und Transe Tamara sagt: Siggi, ich fühle eine große Nähe zu dir, leck mich, ich wurde stinkig und bin abgehauen. Er hat getratscht, und jetzt gelte ich bei den Studenten als Transenfeind.
Sommer ist vorbei, bald ist Weihnachten. Nix ist passiert. Geh nach Hause, reib dir den Grind vom Hals, du siehst aus wie Robbenkotze, köpf ’ne Pulle, und hoffe, dass morgen was geschieht.
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