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Ruhiges Ehepaar bevorzugt

 

Eigentlich ganz einfach: drei Kinder, zwei Gehälter, gebraucht werden fünf Zimmer. Nicht nur auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist so eine Suche zu einem Albtraum geworden.

Wir suchen eine Wohnung. In Berlin. Fünf Zimmer. Kein Scherz. Wir suchen seit einem Jahr. Ich erinnere mich an eine Zeit, die nicht lange her ist, als Umzugslader zum Straßenbild gehörten. Junge Menschen, in deren Köpfen sich das Berlin der Gegenwart zu einem Mythos der Hauptstadt und dann zu einer wilden, steil aufragenden Fantasie zusammengebraut hatte, sodass aus ihren Augen ein Strahlen kam, das an Niedlichkeit kaum zu überbieten war. Die Laster standen auf den Gehwegen. Kaffee wurde getrunken. Germanistikstudenten trugen Nachtschränke, Medizinstudentinnen trugen Stehlampen.

Jemand hatte was aus der Bäckerei geholt. Es wurde gelacht. Es wurde umgezogen und wieder und dann noch mal, weil die Gegend oder die Ecke irgendwann und irgendwie etwas nervig wurde. Jahre später traf man dann am Wochenende auf Menschentrauben, die mitunter schmale Straßen verstopfen konnten. Menschen, die sich alle um die gleiche Zweizimmerwohnung bemühten. Loch mit Heizung und Briefkasten. Nun zieht fast niemand mehr um, wie auch und wohin? Mit jedem Umzug steigt die Miete oder verkleinert sich der Wohnraum.

Es ist Dienstagvormittag. Die Wohnungsanzeige erschien auf einem der Onlineportale am vorherigen Abend. Eine schnelle, kurze E-Mail. Die Antwort ließ keine zehn Minuten auf sich warten. Die Sammelführung, so die Formulierung, finde am nächsten Vormittag statt. Nieselregen. Ein graues Wilmersdorf. Dachterrasse, ein sagenhaft schöner Blick bis zum Fernsehturm, fünf Zimmer, kein Durchgangszimmer, zwei Bäder, alles perfekt. Die Höhe der Miete ist grenzwertig, sie würde sich geringfügig erhöhen. Was denn bei der Höhe der jetzigen Summe geringfügig bedeute? Die überschminkte, für diese Uhrzeit viel zu energische Frau, die ihre komplette Daseinsmotivation in die Vermietung der Wohnung zu stecken scheint, als würde es nicht ausreichen, einen Zettel an die Haustür zu hängen, zuckt mit den Schultern.

In der Anzeige war vermerkt, dass sie für Einbauten einen überschaubaren Abstand verlangen würden. In eine Ecke des Wohnzimmers wurden Fliesen an die Wand geklebt, in eine Kammer ein Regal eingebaut. Abstand 3.800 Euro. Ich hebe die Augenbrauen. 3.800 für ein paar Kilo Holz und Fliesen? Naja, das habe extra ein Tischler angefertigt, alles nach Maß! Vielleicht ist das schlichtweg die Eintrittskarte zu dieser Wohnung, 3.500 extra. Wenn ich für meine Wohnung einen Nachmieter suche, könnte ich den Küchentisch stehen und die Lampe hängen lassen. Ein paar Tupfer Farbe auf den Lampenschirm und sagen, ein Künstler sei hier gewesen, der habe das mit verbundenen Augen und mit dem Mund gemacht, Hammer, oder? 4.000, bitte! Doch muss ich für meine Wohnung keinen Nachmieter suchen, ich habe bereits fünf.

Zettel. Zettel halfen früher. Vielleicht helfen sie noch immer. Wir formulierten ein sympathisches Gesuch. Ich ging damit in den nächsten Copyshop.

„DIN A4, eins zu eins, 500 Mal, bitte!“

Die Frau, die hinter dem Verkaufstresen saß, richtete sich auf und schaute auf meinen Zettel.

„Oh je, meinste, das hilft?“

Ich sah sie fragend an.

„Na, die machen hier so richtige Bewerbungsmappen, die Leute, die ’ne Wohnung suchen.“

„Ich probier’s!“, sagte ich schulterzuckend.

Während die Kopien von der Maschine ausgestoßen wurden, erzählte sie, dass sie alleinerziehende Mutter von vier Kindern sei und mit ihnen in einer Zweizimmerwohnung lebe. Umziehen? Ja, schon, aber nur in der Fantasie. Eine andere Wohnung, die dann eine weitaus kostenintensivere sei, könne sie sich nicht leisten. Sie drückte mir den Stapel in die Hand. Ich hatte sie nicht nach der Anordnung der Schlafplätze in ihrer Wohnung gefragt. Ich wollte es nicht wissen.

Dann eine freie Wohnung in unmittelbarer Nähe. Bergmannstraße, 140 Quadratmeter, 3.000 Euro kalt. Warm wären es vielleicht 3.700, im Jahr würden wir dann schlappe 45.000 Euro zahlen. Bleiben wir länger, und wir wollen lange bleiben, wären das…nun ja. Oder doch besser nur vier Zimmer? Wir sahen uns Grundrisse an und überlegten, wo und wie wir eine Mauer, eine Trennwand ziehen könnten.

Mittlerweile wollte meine Freundin auch nach Zehlendorf ziehen. Ich spielte mit dem Gedanken, eine Wohnung oder gar eine Haushälfte im Brandenburgischen zu mieten. Von dem Eingesparten müsste man sich dann allerdings ein oder zwei Autos zulegen, sodass alle ihre Orte erreichen, die sie erreichen müssen. Wir in einem Dorf in Brandenburg! Der Gedanke war immer für ein bis zwei Momente sehr gut.

Ich klebte an zwei Abenden die Zettel in Kreuzberg. Es brachte nichts. Wir erweiterten den Radius auf andere Bezirke. In Friedenau sagte uns eine Frau von einer Hausverwaltung: „Ich gebe Ihnen einen Tipp. Sie erhöhen ihre Chancen, wenn sie auf dem Deckblatt ein oder zwei Familienfotos haben.“ Die Anschreiben wurden von Mal zu Mal ausführlicher und changierten zwischen Arbeitsplatzbewerbung und Kontaktanzeige. Wir erhielten Absagen oder irrwitzige Antworten: „Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ein ruhiges Ehepaar bevorzugt wird.“ Was bloß macht ein ruhiges Ehepaar in einer Fünfzimmerwohnung?

Dann plötzlich wieder eine Wohnung in direkter Nachbarschaft. Die Hoffnung, die liebe Hoffnung, sie war wieder da! Die Wohnung war sehr groß, unglaublich schön und hundsgemein teuer. Wir saßen stundenlang beisammen, diskutierten das Für und Dagegen und in der Mitte einer Nacht, als irgendwann der absurde Satz fiel „Dann investieren wir eben in die Miete!“, lachten wir etwas irre. Ein Bekannter, der unser neuer Nachbar werden würde, half uns durch ein Schreiben an die Hausverwaltung. Es klappte nicht. Dann wieder Aufraffen, neuen Mut und weiter, was sonst? Wer wir sind und was wir wollen: Zwei Gehälter, drei Kinder, fünf Zimmer.

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