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Trump in Teheran

 

Mit Argwohn blicken viele im Iran nun in die USA, stärker als zuvor. Seit der Wahl von Donald Trump fürchten sich Iraner nun vor härteren Sanktionen.


 © Abedin Taherkenareh/EPA/dpa
© Abedin Taherkenareh/EPA/dpa

Es kursiert in Teheran ein Witz, den ich während meiner zwei Wochen im Iran mehrmals höre. Kein Witz mit Pointe, sondern eher mit einem trockenen Lachen am Ende. Vielleicht ist es auch gar kein Witz, sondern einfach die Beschreibung eines neuen Ist-Zustandes, den die jungen Leute, die ich hier treffe, ebenso wenig erwartet haben wie meine deutschen Freunde und ich.

„Viele wollten vor Ahmadinedschad in den Westen fliehen“, wird mir erzählt, „und jetzt kommen sie in den USA an und haben ihn wieder vor sich.“ Die junge Frau, mit der ich an einem Dienstagabend zusammensitze, fügt noch hinzu: „Im Iran kann man aber wenigstens daran glauben, dass die Wahlen gefälscht waren!“

Es ist ein milder Novemberabend, vor dem Gartentor dröhnt der Teheraner Autolärm, ein anarchisches Gehupe und Gedränge, die Luft verpestend und stets kurz vor dem Verkehrsinfarkt. Es scheint gerade erst gestern gewesen zu sein, dass die Meldungen von Trumps Wahlsieg nicht nur in den deutschen Medien Schockwellen auslösten, wie ich es früh am Morgen des 9. November in meinem Hotelzimmer gelesen habe, noch im südiranischen Schiras. Hat denn wirklich niemand damit gerechnet? Waren wir wieder einmal so sicher in unserer Welt? Zumindest war es diesmal nicht allein eine westliche Verblendung, auch hier in Iran haben viele nicht daran geglaubt, Trump könne sich tatsächlich durchsetzen.

„Die USA, das war doch immer das Symbol der Freiheit“, sagt die junge Frau. „In der größten Demokratie der Welt gibt es jetzt jemanden wie Trump, es ist nicht zu fassen.“ Sie steckt sich eine Zigarette an, hält mir die Schachtel hin und dann reden wir über das Wetter. Über das Wetter zu reden ist in Teheran nicht bloß eine Möglichkeit, das Thema auf etwas Unverfängliches zu lenken. Das Wetter, genauer: An den Folgen des Smogs kamen in wenigen Tagen vierhundert Menschen ums Leben, das ist die Zahl, die die New York Times nennt, die Dunkelziffer könnte noch weit höher liegen. Das Benzin ist billig, die Raffinerien fragwürdig, unter anderem wegen der Sanktionen, von denen Iran nach wie vor betroffen ist. Und wieder stärker betroffen sein wird, wenn Trump wahr macht, was er androht.

Die Beziehungen zwischen der Islamischen Republik Iran und den USA sind, um es höflich auszudrücken, traditionell nie besonders gut gewesen. Vorsichtig näherte sich Iran unter Präsident Mohammed Chatami ein wenig dem mitunter als „großer Satan“ verleumdeten Erzfeind an, eine Entwicklung, die allerdings unter seinem Nachfolger Mahmud Ahmadinedschad zum Erliegen kam. Durch das Atomabkommen, unter dem amtierenden Präsidenten Rouhani unterzeichnet, entspannten sich die Beziehungen wieder etwas, ein Prozess, der nun von amerikanischer Seite wieder rückgängig gemacht werden könnte, sollte Trump tatsächlich politisch umsetzen, was er bereits als rhetorische Drohkulisse gegen Iran aufbaut.

Die Präsidentschaft von Rouhani, der zwar kein Reformer ist wie einst Chatami, aber immerhin ein moderater Konservativer, kein Fundamentalist wie sein Vorgänger Ahmadinedschad, war ein halbes Aufatmen für jene jungen Leute, die ich treffe – die sicherlich nicht die Mehrheit der Iraner widerspiegeln, aber eine wichtige Facette des Landes. Doch andererseits, höre ich, wäre man sich unter Ahmadinedschad wenigstens sicher gewesen, was alles verboten war. Derzeit wandere die rote Linie jeden Tag, was heute geduldet wird, könne morgen schon wieder verboten sein. Sie sind der Gängelung müde, aber auch nicht mehr bereit, für ihre Freiheiten auf einer Demonstration zu sterben, wie es noch vor einigen Jahren während der grünen Bewegung geschehen ist. Das politische System mit dem allmächtigen Revolutionsführer, den Mullahs und der fragwürdigen Teildemokratie missfällt ihnen zutiefst, aber sie richten sich darin ein, schaffen sich ihre eigenen Freiheiten in Privaträumen. Eine Alkohollieferung dauert in Teheran im Schnitt 17 Minuten. Die politischen Gespräche können, sobald man weiß, wer im Raum ist, schärfer und kritischer sein, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Überhaupt ist fast jedes Gespräch politisch. Aber Hoffnung höre ich nicht heraus, keine Aufbruchstimmung, eher Zynismus. Das System allerdings ist es nicht, sondern der Smog, an dem die Menschen, die ich treffe, letztlich scheitern. „Wenn ich aufwache, bin ich schon so erschöpft, als hätte ich gar nicht geschlafen“, erzählt mir ein Bekannter. „Ich kann nicht amten, ich kann nichts tun.“

Im Frühjahr sind Wahlen in Iran. Rouhani hat die wenigsten seiner Wahlversprechen durchsetzen können – die vor allem in mehr Freiheit und wirtschaftlichen Verbesserungen bestanden. Das Wenige, was seit dem Atomabkommen in Iran tatsächlich an wirtschaftlichem Aufschwung einsetzte, ist noch lange nicht bis zu den unteren Schichten durchgedrungen, zu Menschen, die sich als Taxifahrer durchschlagen, wie der Mann, der mich und meinen Begleiter an diesem Abend durch die verstopften Teheraner Straßen nach Hause bugsiert. Vermutlich hat er noch ein bis zwei weitere Jobs, und während der ganzen Fahrt schimpft er über die Regierung. „Man wünscht sich bei jeder Fahrt, kein Persisch zu können“, sagt mein Begleiter. „Den Leuten geht es beschissen. Das ist leider die Realität.“

Die Regierung, sagt er mir noch, habe die Verbindung zur Gesellschaft längst verloren. Die einen haben sich von der Religion abgewendet, sie sind nicht einfach nur unreligiös, sondern antireligiös, haben gegen das Pflichtkopftuch ebensolche Aversionen wie gegen Märtyrerkult, Mullahs und Gebete. Und jene, die noch religiös sind, halten der Regierung vor, die Religion zu korrumpieren und mit der wirtschaftlichen Situation auch die religiöse in den Dreck zu fahren.

In Iran werden die konservativen und fundamentalistischen Kräfte vermutlich wieder Oberhand gewinnen durch den verbalen, diplomatischen, wirtschaftlichen Angriff der USA auf das Land. Einige glauben sogar an einen militärischen. Ein solches Iran kann man sich aus westlicher Sicht beileibe nicht wünschen – so wenig, wie man sich Trump gewünscht haben mag. Nach Amerika schaut man. Die Auswirkungen, die das Agieren dieses Landes in anderen Teilen der Welt haben wird, übersehen wir leichter, aber es gestaltet unsere Welt ebenfalls, eine Welt, die immer weniger jener entspricht, die ich und jene jungen Leute, die ich kennengelernt habe, uns wünschen. Aber wir sind keine Mehrheit, nur eine interessante Facette. Die stille Mehrheit steht für Trump, habe ich vor wenigen Wochen noch als Wahlspruch des neuen amerikanischen Präsidenten gelesen. Jene junge Minderheit in Iran, die ich getroffen habe, wird nun womöglich auch wieder stiller werden.