Überteuerte Bratwurst, am Karussell endlose Schlangen, das Kind schreit nach Zuckerwatte. Aber mit den richtigen Tricks überstehen Sie den Weihnachtsmarktbummel.
Sobald man etwas zweimal tut, hat es schon Tradition und man muss es deshalb immer wieder tun, so geht es mir mit dem jährlichen Besuch des Weihnachtsmarkts. „Tradition“ klingt allerdings harmlos, genauso könnte ich sagen, das Ausfüllen meiner Steuererklärung habe bei mir Tradition, oder dass ich jeden Winter an einer Magen-Darm-Grippe erkranke.
In diesem Jahr fiel die Magen-Darm-Grippe heftig aus, sie kam aus dem Kindergarten, wahrscheinlich habe ich mich beim Verabschieden angesteckt, weil man dabei die Scheibe vom Kussfenster behaucht und den Finger in fremde Mikroben taucht, während man eine lächelnde Sonne malt. Es wurde nachts heftig gespuckt von Frau, Kindern und dann auch von mir, positiv gesehen konnte man es als Kunjar Kriya verbuchen, „die Handlung des Elefanten“, eine reinigende Yogaübung, bei der man sich erbricht.
Ein Weihnachtsmarktbesuch war die angemessene Belohnung, aber kaum dass wir dort anlangten, schlief mein Sohn im Kinderwagen ein. Ich schob mich mit dem Kinderwagen durch die Menge, es war extrem eng und ging sehr langsam vorwärts. Aber alle hatten Verständnis und sahen den schlafenden Kleinen gerührt an, ich kam besser durch als ohne Kinderwagen. Unser Weihnachtsmarkt hat als Motto Skandinavien, das ist mir aber erst jetzt aufgefallen, ich hatte all die Jahre gedacht, es sei auf Weihnachtsmärkten so üblich, dass es, weil Weihnachten irgendetwas mit Schnee, Wald und Outdoor zu tun hat, Elchbratwurst, Wildschweinburger, Hirschkringel, Moostee und finnischen Honig gibt. Ja, richtig, finnischen Honig, vermutlich von Mücken gesammelt. Eine Sorte hieß „Salmiakki Hunaja“, und ich möchte wetten, dass es auch „Rapsi Hunaja“ und „Ahorni Hunaja“ gibt. Finnisch scheint gar nicht so schwer zu sein, wie sie immer tun.
Hochleistungskinder
Am Kinderkarussell sahen Eltern ihren Kleinen beim Kindsein zu, nur ein Vater guckte säuerlich, weil sich sein Sohn den Schwan ausgesucht hatte und nicht das Polizeimotorrad, aber immer noch besser als die Mädchen, die zu dritt im rosa Barbie-Jeep sitzen wollten. Drei Fahrten à eine Minute kosteten fünf Euro, das wären auf eine Stunde hochgerechnet 100 Euro gewesen, eine ziemlich teure Art, seine Kinder betreuen zu lassen. Zum Glück schlief mein Kleiner immer noch in seinem Kinderwagen, ihm war überhaupt nicht klar, dass ich für die Fahrt pro Minute zwei Euro von ihm hätte nehmen können. Aber ich habe mir abgewöhnt mitzurechnen. So wie man auch auf dem Weihnachtsmarkt an Geld nicht denken darf, denn hier ist alles ziemlich teuer und noch dazu steht man überall sehr lange an, schon weil nie ganz klar ist, was die Schlange ist und was nur die Menge, die sich vorbeischiebt.
Etwas entspannter sah die Lage lediglich am Stand der „Senfmanufaktur“ aus, da kam man sofort dran, und ich versuchte deshalb, meine Tochter zu überreden, statt Zuckerwatte ein Glas Sanddorn-Senf zu essen. Sie hörte nicht auf mich, und wir einigten uns auf einen mit weißer Schokolade umhüllten Apfel für zwei Euro, ein guter Trick, sie dazu zu bringen, endlich mal Vitamine zu sich zu nehmen. Den Senf bekommt dann meine Freundin zu Weihnachten geschenkt. Anschließend sollte ich, wie schon seit vielen Jahren, fast eine Stunde am Trampolin anstehen (diesmal hatte ich extra an Thermo-Einlegesohlen gedacht), weil sie hüpfen wollte. Beim ersten Mal vor vielen Jahren war sie noch so klein und leicht, dass sie eine Weile in der Luft hing wie ein Weihnachtsengel, bis der zuständige Mann sie sah und ein Stück herunterließ. Jahr für Jahr hoffe ich, dass sie einmal eine Rolle in der Luft probiert, wie die Hochleistungskinder der anderen Eltern, aber sie traut sich nicht. Ich weiß nicht, wie Jutta Müller das bei Katarina Witt geschafft hat.
Hinter den Ständen
Weil es zu den Trampolinen so langsam vorwärts ging, sahen wir uns zwangsläufig das Angebot in den Verkaufshütten an, Schirmmützen, die aus alten Kohlensäcken genäht waren, Lichterketten, hölzerne Duftklötzchen, Sponge-Bob-Pudelmützen, Absinth, Piercing-Schmuck, gehäkelte iPhone-Taschen, Kürbislampen. Wir schossen mit einer Armbrust Gummipfeile auf Ritter, die in den Fenstern einer Burg standen, allerdings merkte man schnell, dass einfach jeder in das Gewinnkörbchen mit den bunten Steinchen und den Brausepulverlutschern greifen durfte, man musste gar nicht getroffen haben. Die Pfeile, die die Burg verfehlten und über die Anlage segelten, landeten dahinter bei den Stromkabeln und Wasserleitungen. Meine Tochter verschwand immer wieder dorthin und kam mit einer Handvoll Pfeile zurück, sodass wir weiterschießen konnten. Am Ende hatten wir das Geld für den Weihnachtsmarktbesuch wieder drin. Außerdem war der Bereich hinter den Ständen ein echter Geheimtipp, weil es hier menschenleer war, man schnell vorwärts kam und kein Geld ausgeben musste. Beim nächsten Mal werde ich mich gleich dort aufhalten. Wobei ich glaube, dass ich mir den Weihnachtsmarktbesuch nur noch alle zwei Jahre leisten kann, denn am Ende ging ich im Kopf doch noch meine Bilanz durch:
1 Portion Grünkohl: 5 Euro
1 Zuckerwatte: 2,50 Euro
1 Glögi (finnischer Punsch): 3 Euro
1 Kinderpunsch: 2,50 Euro
3 Runden Kettenkarussell: 5 Euro
2 Lachs-Kartoffelpuffer: 8 Euro
1 Nutella-Waffel: 4 Euro
1 Glögg (schwedischer Punsch): 3 Euro
1 Glas Sanddorn-Senf: 3,50 Euro
1 schokolierter Apfel: 2 Euro
1 Mal Armbrustschießen: 3 Euro
1 Mal Trampolin: 5 Euro
1 Jolaglögg (isländischer Punsch): 3 Euro
1 Kinderglögi: 2,50
Gesamt: 52,00 Euro
Als wir zu Hause ankamen, wachte der Kleine auf und fragte, wann wir denn da wären? Ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass der Weihnachtsmarkt in diesem Jahr schon geschlossen hatte, und vermutlich auch nie wiederkommen würde, ich musste wohl mit ihm am nächsten Tag noch einmal hingehen. Zweimal in einem Jahr! Hoffentlich war das damit nicht schon wieder eine Tradition.
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