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Spaß muss sein, aber bitte echt nur ein bisschen

 

In deutschen Komödien eiert man ängstlich über das Minenfeld der Political Correctness. Witz? Fehlanzeige. Lachen darf man allenfalls über den biodeutschen Mann.

Der Regisseur Simon Verhoeven und das Team von „Willkommen bei den Hartmanns“ bei der Lola-Verleihung 2017 © Franziska Krug/Getty Images

Lassen Sie uns eine total witzige und im besten Fall kommerziell erfolgreiche Komödie schreiben! Alles, was Sie dafür brauchen ist eine deutsche Familie. Krisenherd, psychiatrische Anstalt und Terrorzelle in einem – schon mal super. Die Eltern sollten in der Midlife-Crisis sein, die Kinder demnach Teenager, Pubertiere sozusagen, da ist schon das Wort so unfassbar lustig, dass das Copyright darauf mit Sicherheit schon vergeben ist. Macht nichts, wir halten uns trotzdem an Bewährtes. Fangen wir hinten an und entwerfen zuerst den PR-Text unseres Filmverleihs: Soundso ist ein ganz normaler Mann. Doch als er auf Dings trifft, gerät er in die Bredouille und als dann auch noch Bums auf der Bildfläche erscheint, wird’s turbulent!

Für die nötige Turbulenz konfrontieren Sie Ihren Protagonisten nun mit Dingen, die sein Dasein als ganz normaler Mann massiv stören. Terrorisieren Sie ihn mit Yoga, Marihuana, Tofu und Adoleszenz. Verloben Sie ihn mit einer Italienerin (große Familie, Halligalli, Pasta) oder einer Türkin (große Familie, Tohuwabohu, Börek). Da biegen sich die Tische und die Zuschauer. Zu wenig Konfliktpotential? Okay.

Konfrontieren Sie den normalen Mann mit einem schwarzen Mann. Denn in der Komödie ist es wie bei den Laufdisziplinen: Der Schwarze ist unschlagbar. In Ihrem Fall natürlich nicht als Athlet, sondern als Verursacher der allerlustigsten Bredouillen. Die fangen schon auf dem Filmplakat an. Alle weiß, einer schwarz. Bei dieser Familienaufstellung ist der große Ärger/Spaß doch vorprogrammiert, das wissen wir spätestens seit Othello. Ein aktuelles Filmplakat aus Frankreich zeigt das umgekehrte Szenario. Alle schwarz, einer weiß. Und der ist auch noch ein Säugling, der von einem schwarzen Mittelklassepaar adoptiert wurde. Was daraus folgt ist die große warmherzige Revue der Ressentiments unter umgekehrten Vorzeichen.

Aber wir sind hier in Deutschland und bleiben deshalb bei Situationen, die wir meinen bereits tausendmal gesehen und gehört zu haben. Wie wär’s mit dieser hier: Die Mutter ist erfolgreich, der Vater nicht und die minderjährige Tochter ist mit einem Schwarzen zusammen. Schockschwerenot! Und weil Sie natürlich kein Volltrottel sind, sondern Drehbuchautor, befinden Sie sich in der komfortablen Situation diesen, hahaha, schwarzen Peter ihren Figuren zuschieben zu können. Die dürfen dann Schwanzlängenspekulationen anstellen, und das in möglichst jeder Szene, denn wieso sollte man einen derart großen Gag nicht mehrmals verwenden dürfen.

Auch dürfen Ihre Figuren den schwarzen Mann in einer Fantasy-Urwaldsprache ansprechen, natürlich nur um ihn aus einer Bredouille zu befreien. Anschließend geht es screwballmäßig ab, indem Sie behaupten, er wäre jemand anders, nämlich unser Flüchtling, was man Ihnen natürlich sofort abnimmt, genauso wie den ebenfalls naheliegenden Negernamen Bongini. Dieser schwarze Mann, ob nun Flüchtling oder nicht, benimmt sich in der zeitgenössischen deutschen Komödie dann recht normal, er ist weder so facettenreich wie Samuel L. Jackson noch so beeindruckend nuancenlos wie Roberto Blanco, er bleibt, so nennen wir es im Drehbuchjargon, als Figur recht blass.

Das ist ein bisschen schade für den Schauspieler und hat sogar schon einmal so weit geführt, dass man ihn zwar auf dem Filmplakat sah, dafür aber vergaß, seinen Namen darauf zu schreiben. Aber hey: Man kann nicht alles haben. Mit diesem eindimensionalen Charakter kann Ihnen als Autor wenigstens in puncto political correctness niemand etwas vorwerfen. Und wenn Sie es richtig gut mit ihm meinen, muss er nicht einmal diesen merkwürdigen Akzent sprechen, den zuweilen sogar die Tatort-Autoren in ihren alten Asterix-Heften nachschlagen. Baba hieß der Schwarze bei den Galliern, er saß auf dem Ausguck des Piratenschiffs und wir erinnern uns: Sp’ache wa‘ nigg sein g’oße Stä’ke.

Derartigen Quatsch ersparen Sie Ihrem Schwarzen, denn Sie sind schließlich kein Rassist. Im Gegenzug statten Sie Ihre weißen Figuren mit der größtmöglichen Blödheit aus, weshalb Sie unter Umständen vielleicht doch Rassist sind. Aber nein. Immer gleich dieses R-Wort. Sie haben nichts gegen Weiße. Sie halten sich nur an ein ungeschriebenes Gesetz der deutschen Komödie, das besagt, dass der mit Abstand größte Depp der sogenannte biodeutsche Mann zu sein hat. Er ist verdammt dazu, an einem Ensemble aus pfiffigen, taffen und vorlauten Ausländern, Frauen und Millenials zu scheitern und sich aufzuführen, als hätte er die letzten 50 Jahre in Ekel Alfreds Sessel gesessen und die Hörzu gelesen. Aber Moment mal, so alt ist der doch noch gar nicht? Tja. Womöglich war er ja zwischenzeitlich tot.

Das ist ja der Horror!, werden Sie jetzt rufen, so viel Arbeit in eine Komödie gesteckt und versehentlich einen Zombiefilm geschrieben, verdammt! Sehen Sie nicht schwarz, sehen Sie es positiv: Horror ist ein tolles Genre. Get out beispielsweise war ein Überraschungserfolg in den USA, in dem ebenfalls ein schwarzer Mann auf einen Haufen obskurer Weißer trifft. Wir sind aber nicht in Hollywood, werden Sie jetzt jammern. Stimmt. Hollywoodfilme funktionieren nach dem Grundsatz Bigger than life, deutsche Komödien hingegen nach der Faustregel Dümmer als die Polizei erlaubt. Aber auch mit diesem Kulturunterschied werden Sie sich arrangieren. Indem Sie ein paar Zombies finden, die sich in Ihrem Drehbuch wiedererkennen und Ihnen die Umsetzung finanzieren.

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