Unser Kolumnist schlendert durchs vorweihnachtliche Salzburg und sucht Mozartkugeln. Aber was findet er? Dicke kleine Hunde. Nichts als dicke, kleine, stinkende Hunde. Das Fax der Woche
Salzburg, minus ein Grad. Mumienmarschkolonnen in der Getreidegasse, Frauen mit kleinen Nikolausmützen stehen am Glühweinstand. Die Zier- und Schoßmöpse hecheln, die Köpfe verschwinden in Atemwolken. Ich atme in den Grobstrickschal. Wo ist, verdammt noch mal, das Fachgeschäft für Mozartkugeln? Halbe Stunde bis zur Lesung, muss Geschenkliste für die Kieler Freunde abarbeiten. Schnaps und Schokolade. Keine dicken Wollsocken, keine Ingwerplätzchen, kein schwieriges Buch eines schwierigen Poeten. Ein klinischer Irrer ist im Hemd und Jackett unterwegs.
Ich schaue genauer hin: ein posender Jüngling, der dem dürren Mädchen an seiner Seite gefallen möchte. Es trägt Röckchen, Jäckchen und schwarz gewichste Nazistiefel. Die Liebenden zittern.
Macht nix, denke ich, sie glühen füreinander, Herzhitze feit sie vor Erkältung. Reiche Bengalen stehen für Trüffelpaste Schlange. Fünf Minuten vor Ladenschluss finde ich das Geschäft, werde alle Scheine in meiner Börse los. Ab zum Literaturhaus. Einsame Kenner der Materie im Saal, ich erfreue sie mit Düsternis und Anti-Harfenklängen. Später im Hotel reiße ich die Zigarettenschachtel auf.
Raucherzimmer, zum Jubeln gut. Das Mobiltelefon klingelt. Die Bekannte fleht mich an, ich soll ihr helfen. Wobei? Bei der Wahl des passenden Geschenks für ihren Freund. Elf Uhr nachts, sie hat einen Knall. Ich sage: Du hast sie wohl nicht mehr alle. Bitte, sagt sie, er steht auf kleine Mopsfiguren aus Porzellan… Ich denke an die Möpse mit polsterbezugbeigem Fell, an die Leinenschlaufen am Handgelenk der Glühweintrinkerinnen. Wir sprechen über den Mops an und für sich: Kleiner Hund, größer als Teacup Pinscher, röchelt beim Toben, kackt brav in dunkle Ecken. Tückisch: Lässt geräuschlos Darmwind fahren, stinkt wie Hutze, man reißt würgend das Fenster auf.
Bekannte weist auf die Sammlung ihres Freundes, sie hat ihn zum Geburtstag und zum Fest immer mit einem Porzellanmops beschenkt. Diesmal will sie ihn überraschen, wäre ich so nett, ihr drei Bücher von mir zu schicken, signiert und mit persönlicher Widmung versehen? Sie würde dann Geld gespart haben, das wäre doch toll… Liest er? Sie erklärt: Nein, darum geht’s nicht, es zählt die Geste… Wieso sind meine Bekannten derart seltsam? Ich gebe ihr den Rat, sich weiterhin an Mopsfiguren zu halten, es zählt seine Freude.
Mobiltelefon klingelt, die Bekannte ist eine alte adlige Dame, sie sitzt nachts im Schaukelstuhl, starrt auf die Bilder ihrer Ahnen an der Wand, sie wartet, bis sie zu ihr sprechen. Sie sagt: Ich war heute im Kaufladen. Neben dem Ausgang steht ein Gerät. Bedienungsanweisung habe ich aufgeschrieben. Hören Sie zu. Erstens. Mahleinheit einstellen (Skala rechts). Zweitens. Tüte über Rohr schieben, klemmt automatisch beim Einschalten. Drittens. Tüte halten und Motor ausschalten. Lieber Herr Zett, können Sie mir verraten, um welches Gerät es sich handelt?…
Ist das eine Fangfrage?… Nein, es quält mich, nicht zu wissen, wofür man dieses Ding braucht. Übrigens hatte das Ding ein stumpfmetallisches Gehäuse… Aha… Sonderbar, nicht wahr… Ja… Also, was meinen Sie?… Ich tippe auf ein Kaffeebohnenmahlgerät, meine Dame… Glauben Sie?… Sie wirft mir vor, auf ihre Leichtgläubigkeit zu setzen. Ich starre auf die zehn Kippen im Aschenbecher. Die adlige Dame und ich einigen uns auf eine multifunktionale kleine Maschine, die im eingeschalteten Zustand knispelt und knuspelt.
Ich schalte das Telefon aus. Gehe vermummt hinaus. Salzburg, Mitternacht, minus vier Grad. Auf dem Balkon gegenüber steht eine alte Frau im Morgenmantel, bückt sich, streichelt ihren schwarzen Mops. Gibt’s doch gar nicht. Hohe Mopsdichte, denke ich, sagt das was über die Salzburger? Will nicht grübeln. Muss morgen vor der Abfahrt Schnaps besorgen: Haselnuss, Vogelbeere.