Der Marvel-Film Black Panther wird als Meilenstein für das schwarze Empowerment bejubelt. Und wie hört sich das dann an? Zu Gast in einer Vorführung, zu der Weiße keinen Zutritt hatten.
Es ist soweit: Black Panther ist da. Die Welt hat ihren ersten ausschließlich schwarzen Blockbuster. Der Film, der bereits im Vorhinein als Meilenstein, als Beginn einer neuen Ära gefeiert wurde, hat bereits in den ersten Tagen mehr als 200 Millionen US-Dollar eingespielt. Dieser kommerzielle Erfolg ist ein Politikum, weil eine schwarze Besetzung in Hollywood bisher als Kassengift galt. Dabei handelt es sich nicht um einen politischen Film, sondern um eine Comic-Verfilmung, die versiert mit allen Superheldenzutaten arbeitet und die ihr Publikum ordentlich unterhält und zuballert. Trotzdem, oder gerade deswegen, wird der Marvel-Held Black Panther 52 Jahre nach seiner Schöpfung gefeiert wie ein schwarzer Messias. Als hätte jeder Nichtweiße dieser Welt auf ihn gewartet. Und zwar seit sehr langer Zeit.
Ich habe mich nie als Zielgruppe für Marvel-Produktionen gesehen, plötzlich bin ich es offenbar doch. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater ist Afrikaner. Ein Umstand, der nichts mit meinem Filmgeschmack zu tun hat. Dennoch muss ich jetzt – hahaha – Farbe bekennen. Ich könnte behaupten, dass der Hype um diesen Film mich genauso viel oder wenig angeht wie der neue Film von Steven Soderbergh. Geht der alle Weißen etwas an? Nein. Ich behaupte außerdem, dass ein Film dieser Größe und Resonanz es nicht nötig hat, dass man ihn derart einhellig lobt. Ob Black Panther ein großes Kunstwerk ist, ist Geschmackssache. Black Panther ist leichte Unterhaltung vor einem schweren Hintergrund und das macht ihn zum Phänomen. Kein Film hat bisher so deutlich gezeigt, wie unterrepräsentiert sich das schwarze Amerika von seiner eigenen Unterhaltungsindustrie fühlt.
Es gibt ein paar Hollywoodregeln, die man nicht nachlesen muss, die man auch außerhalb der USA schon als Kind verinnerlicht hat wie eine Fremdsprache, die man en passant erlernt. Dazu gehört der Schwarze im Mainstream-Kino. Ist er ein guter Cop, lebt er dasselbe spießige Vorstadtleben wie sein weißer Kollege. Er hat eine schöne Frau („schön“ heißt hellbraun und nicht schwarz) und zwei süße Kinder (Kinder sind immer süß, die Farbskala setzt später ein), und früher starb der nette Schwarze häufig eine dreiviertel Stunde vor dem Showdown, schade. Selbstverständlich gibt es den schwarzen Mann auch in ultracool oder ultralustig. Die schwarze Frau hat ihren Auftritt oft in Gestalt einer eher weißen Beauty oder als taffe Big Mama.
Außerdem werden schwarze Schauspieler überproportional häufig als Richter besetzt. Euer Ehren in Gestalt einer älteren schwarzen Person suggeriert das gute Gefühl, man lebe in einem Rechtsstaat der Chancengleichheit. Für die betreffenden Schauspieler, deren Text im Grunde nur aus „Einspruch stattgegeben“ oder „Abgelehnt, fahren Sie fort“ besteht, ist der Hollywoodrichter kein wirklicher Karriereboost. Im Gegensatz zu britischen Produktionen gibt es verschwindend wenig gemischte Paare. Trotzdem: Die Zahl der Schauspieler, die kein Kassengift, sondern Kassenmagneten sind und die statt Quotenschwarzen große Rollen spielen, sind seit Sidney Poitier (Oscar für sein Lebenswerk 2002) ständig gestiegen.
Wirklich ein Meisterwerk?
Der Brite Steve McQueen hat 2014 einen Oscar für 12 Years a Slave bekommen. Steve McQueen, dessen Namen man sich so gut merken kann, weil es ihn schon mal gab, ist nicht nur preisgekrönter Regisseur, er ist als bildender Künstler auch Träger des Turner Prize. Sein Oscar für die Verfilmung einer erschütternden wahren Geschichte wurde mit Respekt, aber ohne Hysterie aufgenommen, was ganz gut zu McQueens Ausstrahlung einer durch und durch nichthysterischen Person passte.
Den Oscar als bester Film gewann vor einem Jahr das Drama Moonlight von Barry Jenkins. Die Krönung dieses Films ging in die Geschichte ein, weil die Laudatoren versehentlich den ebenfalls nominierten komplett weißen Musikfilm La La Land als Gewinner verkündeten. Moonlight ist die Geschichte eines einsamen Jungen, dessen einzige Bezugsperson ein Drogendealer ist, den Mahershala Ali darstellt, der dafür ebenfalls einen Oscar erhielt. Auch Moonlight war ein Film mit ausschließlich schwarzem Cast, der, gemessen an seinen relativ geringen Produktionskosten, kommerziell enorm erfolgreich war. Auch Moonlight erntete begeisterte Kritiken, löste aber, verglichen mit Black Panther, keine Masseneuphorie aus.
Black Panther, so liest man überall, biete die lang ersehnte Projektionsfläche für Schwarze. Eine Aussage ohne Zweitmeinung. Die Einzigen, die etwas gegen diesen Film hatten, waren bekennende Rassisten, die versucht haben, die Ratings auf der Website Rotten Tomatoes nach unten zu drücken. Abgesehen von diesem Zwischenfall, der vereitelt wurde und der nichts mit Kritik zu tun hat, ist man sich einig, dass Black Panther nicht nur ein Meilenstein für das Black Empowerment ist, sondern auch ein Meisterwerk.
Wie gesagt, es ist eine Marvel-Verfilmung. Ein Genre, bei dessen Zielgruppe ich bisher keine Hautfarbe vor Augen hatte, sondern eher Alter und Geschlecht. Jung und männlich. Diese unmoderne, tantige Annahme habe ich mittlerweile revidiert. Das Publikum im Alhambra-Kino in Berlin-Wedding ist nicht männlich und minderjährig, es ist größtenteils erwachsen und weist einen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent auf, der zudem sensationell gut gestylt und frisiert ist. Zu dieser Premiere war ausschließlich die Berliner Black Community eingeladen, tatsächlich soll keine weiße Person im Saal sein. Ich glaube es so lange nicht, bis ich im Kino sitze. Die (weißen) Deutschen, Polen, Türken und Russen, die ich im Foyer gesehen habe, sind in andere Filme gegangen. Hier bei Black Panther wird Deutsch, Deutsch mit Akzent, Englisch und Französisch gesprochen und wir könnten uns auch in einer Gegend mit überwiegend schwarzer Bevölkerung befinden. Im Compton? In Brixton? In Dakar? Egal. Black Power. Zur Eröffnung stellen sich viele afrikanische und afrodeutsche Vereine vor, laden ein zu ihren Projekten, Partys und Veranstaltungen. Die Stimmung steigt minütlich. Dies wird kein Film, den man anschließend diskutiert, dieser Film wird gefeiert, da komme, was wolle.
Jeder Weiße ist Kolonialist
Und Action. Erster Kampf – Sieg – Jubel im Saal. Erster Gag – halblustig – nein, saulustig. Okay. Auftritt Michael B. Jordan. Widersacher des Superhelden. Der bad guy wurde mit einem Sexsymbol besetzt. Der Kinosaal klingt bei seinen Auftritten wie eine Mädchenschule auf Achterbahnfahrt. Kreisch! Das ist süß.
Michael B. Jordan steht in der Afrika-Abteilung des British Museum in London und lässt sich von einer betont blutleeren weißen Frau ein paar Artefakte erklären. Das ist ein Speer der Ashanti aus Ghana – Ghana im Saal klatscht. Es folgen Völker aus anderen Ländern, Pfiffe und Beifall im Kino. Auch das Volk meines Vaters kommt in dieser relativ kurzen Szene vor – das ist ein Dings – eine Maske (?) des Volks der Fulbe. Applaus. Mein Vater hätte gelacht. Hollywood hat jetzt Platz für afrikanische Völker, die man sonst nur kennt, wenn man a) Afrikaner oder b) Ethnologe ist.
Was ich überhaupt nicht mag, ist Revanche-Humor. So verbietet die Schwester des Superhelden Black Panther, dessen bürgerlicher respektive royaler Name König T’Challa lautet, dem einzigen netten weißen Charakter, gespielt von Martin Freeman, den Mund und nennt ihn Kolonialist. Erwartungsgemäß tobt der Saal wieder, denn die Figur der Shuri ist nicht nur zum Niederknien niedlich, sondern auch das schlaueste Mädchen der Welt. Siehe schwarz, siehe Frau, siehe Projektionsfläche. Jeder Weiße ist also Kolonialist. Was ist dann jeder Schwarze?
Der zweite fragwürdige Gag geht wieder auf Kosten der Figur von Freeman (bekannt als Watson an der Seite von Benedict „Sherlock“ Cumberbatch), der hier einen CIA-Agenten spielt, den es auf die Seite der Helden verschlagen hat. Strategisches Treffen, alle schwarz, einer weiß, die Frage lautet natürlich, was man gegen die Bösen unternehmen könnte. Freemans Vorschlag wird mit Affengeräuschen untergebuttert. Freeman versucht es erneut und wieder bekommt er ein „Uuu-uuu-uuu“. Das ist affig. Aber ist es wenigstens lustig? Das Premierenkino sagt: Ja.
Dabei ist das letzte Affentheater erst ein paar Wochen her. Ein Sweatshirt mit der Aufschrift „Coolest Monkey in the Jungle“ wurde an einem schwarzen Kindermodel fotografiert. Der Shitstorm war enorm. Anschließend stürzte die Aktie von H&M in den Keller und in Südafrika wurden Filialen der Modekette geplündert. Die Strategie des Unternehmens bestand in einer Blitzentschuldigung und dem sofortigen Einstampfen des Sweatshirts. Was bedeutete das? Dass diese Kampagne, wäre sie an einem blonden kleinen Jungen fotografiert worden, niemanden gestört hätte? Dass der Zusammenhang „Affe und Schwarzer“ so nahe liegt, dass man sich sofort entschuldigen muss? Immerhin hat der Junge jetzt einen Modelvertrag bei dem Mann, der mal Puff Daddy hieß. Genug vom Monkey Business, zurück zum Panther Business.
In einem New-York-Times-Artikel stand, wie drei junge schwarze Männer für ihren Twitter- oder Instagram-Account vor einem Plakat dieses Films posierten und sich halb scherzhaft fragten, ob sich weiße Leute die ganze Zeit über so fühlen. Das Time Magazine hatte denselben Gedanken: Weiße sehen sich permanent repräsentiert, Schwarze nicht. Genau diesen Missstand wird dieser Film ändern. Wirklich? Ja, zu wenige Schwarze in den US-Massenmedien. Was nicht bedeutet, dass sich Weiße per se in dieser Ansammlung aus Schauspielern, Darstellern und Moderatoren wiederfinden müssen. Ein Missverständnis, das ich erschreckend rückwärtsgewandt und naiv finde. Ein Präsident, der wöchentlich alle außer seiner eigenen Familie beleidigt und der in seiner wenig subtilen Art zuweilen selbst an eine Marvel-Figur erinnert, macht es nicht besser. Trotzdem bezweifle ich, dass ein Marvel-Held als Projektionsfläche für Millionen von schwarzen Kindern und Teenagern genügt. Ich bezweifle, dass eine Identifikationsfigur aussehen muss wie man selbst.
Ein Fantasieort wie Mittelerde
Und vielleicht erscheint mir die ausgerufene Zeitenwende, die dieser Film mit sich bringen soll, auch so anachronistisch, weil ich – wie jede andere auch – an schwarze Superstars gewöhnt bin. In der Musik sind sie so selbstverständlich präsent, dass sie den Hollywoodmissstand vielleicht nicht ausgleichen, womöglich aber einen Beitrag zur Normalisierung liefern. Kendrick Lamar hat zum Soundtrack von Black Panther beigetragen, der britische Guardian vermutet darin seinen Superfly. Kendrick Lamars Karriere ist durch diesen Film weder aufzuhalten noch zu pushen, er ist bereits ganz oben. Den Score für den Film, der sich streckenweise anhört wie Hans Zimmer, hat übrigens ein Weißer komponiert, der Schwede Ludwig Göransson. Und auch Asien spielt eine kleine Rolle, es gibt ein paar Szenen in einem schicken Spielcasino in Busan, Korea. Das ist gut. Die Welt ist nicht nur schwarz-weiß.
Und auch nicht nur männlich. Black Panther wird von ausschließlich starken Frauenfiguren umgeben. Auch damit trifft der Film einen aktuellen Nerv und das völlig zu Recht. Eine weitere Hauptrolle spielt die Heimat des Superhelden. Der fiktionale ostafrikanische Hightech-Zwergstaat Wakanda ist frei von allen Problemen, mit denen sich seine realen Nachbarländer rumschlagen. Wakanda wurde nie kolonialisiert und ist eine perfekt funktionierende Gleichzeitigkeit aus Stammestradition und Fortschritt. Ein Fantasieort, vergleichbar mit Mittelerde, der jedoch in der US-amerikanischen Presse extrem mit Bedeutung aufgeladen wird und der immer wieder im Zusammenhang mit dem Begriff „Afrofuturismus“ genannt wird. Der Regisseur Ryan Coogler sagte in einem Interview, dass er Wakanda nicht mit einem anderen fiktiven Königreich verwechselt sehen will: Zamunda! Der Prinz aus Zamunda feiert dieses Jahr seinen 30. Geburtstag und ist ein Film von John Landis.
John Landis war übrigens für die Videos Thriller und Black Or White von Michael Jackson verantwortlich. Zum Zeitpunkt von Black Or White war bei Michael Jackson schon nicht mehr klar, ob er selbst black or white war. Nachdem Jackson weltweit mit Leuten tanzt, setzt Landis am Ende des Videos die damals sehr progressive Morphing-Technik ein und wir sehen einen hübschen sympathischen Menschen in den nächsten übergehen. Anschließend gibt es ein weiteres Ende, das damals auf den Index gesetzt wurde. Michael Jackson verwandelt sich in einen schwarzen Panther, verlässt das Studio, verwandelt sich wieder in Michael Jackson, tanzt, fasst sich in den Schritt, randaliert gegen ein Auto und mehrere Fensterscheiben und wird wieder zum schwarzen Panther. Was dieses Video mit dem aktuellen Kinohit Black Panther zu tun hat? If you’re thinkin‘ of being my brother it don’t matter if you’re black or white.