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Einmal Haar ohne nix

Unser Kolumnist wollte einen Fransenschnitt. Nun muss er eine Kapuze tragen. Ein Friseurbesuch ist eben kein Wunschkonzert. Dennoch hat der Lädierte uns auch diese Woche wieder ein Fax geschickt.

Machmud ist Schädelschäler. Türkenfriseur. Er sagt: Die anderen machen Stil und Fönwelle, ich mache Haar ohne nix. Im Schaufenster steht eine Tischstaffelei, auf der Staffelei steht ein Schild. Keksdosengoldener Rahmen. Eine Zeile in Handschrift, die Buchstaben am Satzende verlieren den Halt. Machmuds Merkvers: Ihr lieben Leut, das ist keine Kummerkammer! Die Schere in seiner Hand schneidet der schwarzen Seele nicht den Kopf ab. Für Therapie wird er nicht bezahlt.

Kunde im Laden soll Platz nehmen. Kunde soll im Automobilmagazin vom Vorjahr blättern. Kundenjammer ist unerwünscht. Komme rein, grüße Meister und Geselle, Gottesgruß wird erwidert. Tee, Kaffee, Sprudel gibts nix. Vorzimmerchic gibts nix. Meister Machmud flämmt Ohrhaare ab, pustet Kiensparflamme aus, hält keinen Spiegel an den Hinterkopf des Mannes. Weiter„Einmal Haar ohne nix“

 

Die Seligkeitsvernichterin

Dichter Dunst, der Himmel braun, kein Vogel singt. Im November droht die große Melancholie. Zum Glück hat Feridun Zaimoglu uns auch diese Woche wieder ein Fax geschickt: eine Suada zur Verdrussbekämpfung.

Eine Frau, Melancholia. Sie bewohnt den äußeren Rand des Randstreifens eines Landes, das sie sieht, wenn sie blinzelt. Das nur sie sieht, an Tagen des schnell schwindenden Lichts, Luft, Leere, Libellenflug. Grüner Chemieschaum. Taube Daumenkuppen: ihre Zeichen. Was versteht man, wenn man sie verstanden zu haben glaubt? Nichts und Nichtigkeit. Löste sie doch das Haarband, in der Nacht, kämmte sie sich doch das Haar in langen Strichen. Tauchte sie doch die Bürste in das Wasser in der Kupferschale. In ihren Augen helle Splitter aus zerträumtem Haß. In ihrem Mund schmeckt sie, schmeckt nur sie, zerbissene Zähne.

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Nur nicht abkühlen, nur nicht komisch werden!

Der Tausendseiter ist fertig, der Kumpel ein Tölpel, der über eine öde Hupe schluchzt. Vor lauter Schreck kauft unser Autor tütenweise Haushaltsreiniger.

Donnerstag, neun Uhr vierzehn, Arbeit am Tausendseiter abgeschlossen. Ich starre auf die Zeile, auf den Punkt am Satzende, auf den Doppelabsatz, und auf das Wort, das ich in Großbuchstaben getippt habe: ENDE. Ziehe das Blatt aus der Walze, suche und finde Tippfehler, berichtige. Wische die Tasten der Schreibmaschine sauber, greife mir an die Stirn: kein Fieber, keine Aufwallung, kein erstickter Jubelschrei.

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Friss dich glücklich

Was macht der Schriftsteller am Sonntag? Er gesellt sich zum Ungeziefer und spricht mit ihm. Das Fax der Woche

Ich sprach mit einer Ratte. Ihr Kopf steckte im Restfraß im Stanniol, blasses Licht der Straßenlampe fiel auf die Friedhofsmauer. Sie fraß zuckend, und ich ekelte mich, ich schauderte. Sie hatte vergorenen Fraß im Bauch, sie war besoffen, ich hätte schwören können, dass sie es war. Ratte, filziges Fell, Schluckauf. Der Sonntagsekel.

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Ich bin ein Anti-Interkulturberserker

Auf Lesereise durch die Republik. Programmpunkt Interkulturelle Literatur. Ausländer- und Exilantenenkel jammern und schnäuzen Kummer aufs Papier. Deutschenhass gehört heute zum guten Ton.

Anfahrt Mannheim, Fieberträume im Zug, es glühen mir Stirn und Schädel, Ausbruch eines schweren Schnupfens am goldenen Oktobertag, IT-Angestellte quatschen Girlanden aus kodierten Worten, sprachverarmte Muttersprachler, selbstgefälliges Schweinepack.

Ich mache gern den Spießer, erhebe mich vom Sitz, sage streng: Leiser bitte! Die Techniker starren, wenden den Blick ab. Ist das ein Blickduell? Nein. Sie wollen sich mit mir nicht befassen, ich bin eine sprechende Wanze, ein Stück Mensch, ein Menschenstück. Kurz vor der Ankunft Zwangsaufenthalt in Frankfurt: Wir warten auf den Lokführer, der seinen Kollegen ablösen soll. Weiterfahrt nach einer halben Stunde. Weiter„Ich bin ein Anti-Interkulturberserker“

 

Über Idiotenschelte erhaben

Österreicher so blöd wie Düsseldorfer? Alles verlogen und mau? Unser Kolumnist reist durch das Land und muss seine Vorurteile überdenken. Der Grund: ein Klavierspieler!

Reise ins Österreichische. Zeit für eine erste Charakterkunde: Der Österreicher ist krachend verlogen. Die Österreicherin zieht mit schlackernden Backen Worte in die Länge, dehnt und zerknackt Silben, zerkocht sie in der Spuckesäure, sprotzt sie aus dem bemalten Mäulchen wie angedaute Aasstücke. Der Österreicher ist ein Überbleibsel, der Dritte-Reich-Rest. Im Geiste Hitlerist, im Fleische mau und Mus. Es wird ihn niemals überraschen, dass ihn ein Auswärtiger, den er nicht kennt, auf der Straße anhält und sagt: Sie gehen mir auf die Nerven, weil Sie so hohl sind, dass Sie mir auf die Nerven gehen. Weiter„Über Idiotenschelte erhaben“

 

Literaturdebatten der Teichmolche

Unser Kolumnist muss schreiben. Ständig. Über die Welt, die Tiere, die Mitmenschen und sich. Internetzugang hat er nicht, deshalb schickt er uns jede Woche ein Fax.

Am Vorabend der Abreise: Die Stirn glüht, der Nacken krampft, die Augen teebeuteldick geschwollen. Schöne Scheiße. Stehe am aufgeklappten Koffer, packe nach nochmaligem Zählen einen Satz Socken und U-Hosen ein. Liege dann für eine Viertelstunde auf dem Rücken, komme mir blöd vor. Mitteilung vom Kumpel: Susi weg, bin verheert, komme vorbei, bleibe nicht lang. Er hockt wenig später auf dem Sofa wie eine Eule auf der Jule. Will heulen, kann aber nicht. Hat die letzte Träne des Tages schon vergossen. Er sagt: Susi, das ist ne Pickelnelke, trotzdem, ich lieb sie, mein Herz steht in Flammen… Wie trösten? Weiter„Literaturdebatten der Teichmolche“

 

Hitze weicht die Rüben auf

Unser Kolumnist muss schreiben. Ständig. Über die Welt, die Tiere, die Mitmenschen und sich. Internetzugang hat er nicht, deshalb schickt er uns jede Woche ein Fax.

Zähneputzen morgens mit der Elektrobürste. Pralle ab an meinem Spiegelbild: Sehe aus wie eine Teich- und Tümpelkröte. Hatte am Vorabend noch über unsere Kanzlerin gelästert: bemerkenswert dröge, trotz der Claqueure, die in der Merkel-Raute eine Geste der Besonnenheit entdecken. Das ist die Rache, denke ich, über Nacht haben dich die üblen Worte verhässlicht. Frühstücksrunde vor der Bäckerei. Freunde und Bekannte, Hausmeister, Gerüstbauer, Rentnerin nach frühem Einkauf auf dem Wochenmarkt. Weiter„Hitze weicht die Rüben auf“