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Energy Autonomie – der Film eines Öko-Utopisten

Selten war ich bei einem Film so hin- und hergerissen: Ist Energy Autonomy nun ein guter, empfehlenswerter Film? Der Dokumentarfilm von Carl-A. Fechner, der am 18.3.2010 in den Kinos anläuft, beschreibt die Vision, die weltweite Energieversorgung komplett auf Öko-Strom umzustellen. Hier der Trailer:

Vier Jahre lang hat Regisseur Flechner recherchiert, gedreht wurde am Ende etwa zwei Monate lang in elf Ländern. Herausgekommen ist eine Reise zu den Protagonisten der Öko-Szene. Manche sind altbekannt, etwa der Wirtschaftsnobelpreisträger Muhammad Yunus aus Bangladesh, der mit seinen Mikrokrediten Solaranlagen finanziert (und leider persönlich relativ kurz zu Wort kommt). Oder Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger, die sich im brasilianischen Urwald über ein Projekt informiert, bei dem die Anwohner Geld erhalten, wenn sie keinen Urwald abholzen.

Spannend ist der Besuch bei Zengrong Shi, dem Chef von Suntech Power, einem der größten Hersteller von Solarzellen weltweit mit Sitz in China. Oder beim Multitalent Elon Musk: Der 39-Jährige Amerikaner entwickelte zuerst das Amazon-ebay-Bezahlsystem Paypal, dann eine Raumstation. Inzwischen finanziert er das Elektroauto Tesla und Solarzellen.

Alles sehr interessante Persönlichkeiten, mit faszinierenden Geschichten. Und doch hat mich eines enorm gestört: Dieser Film hat den Charakter eines Werbefilmchens für die Ökostrom-Branche. Das beginnt bei der Optik: Viele Szenen wirken  zu glatt, fast „spielfilmartig“ – übrigens ganz anders, als der Video-Trailer vermuten lässt. Wunderschöne Windräder in Dänemark oder im Sonnenuntergang in Kalifornien. Dazu gibt es warme Musik, viele Geigen.

Regisseur Fechner erklärte mir, er wolle diesmal einen anderen Weg gehen, die Menschen „vom Schönen abholen“. Nur ist es ein waghalsiger Balanceakt zu Werbung und Kitsch. Erst recht, wenn sich oftmals die Hauptpersonen einfach nur die Bälle zu spielen; wenn ein Windstrom-Pionier aus Dänemark und eine Speicherexpertin aus Neuseeland sich gegenseitig versichern, wie wichtig Stromspeicher für ein flukturierendes Windstromangebot sind.

Eine der wichtigsten Personen in dem Film ist zudem Matthias Willenbacher, der Chef der Juwi AG, einem der führenden Projektentwickler von Solar-und Windparks. Willenbacher ist Hauptsponsor der Films – was dem Kinobesucher allerdings nicht sehr explizit gesagt wird.

Und dann gibt es noch den SPD-Solarpapst Hermann Scheer, dessen Buch Fechner zu dem Film inspiriert hat. Entlang Scheer erzählt Fechner seine Episoden, immer wieder taucht der Eurosolar-Präsident als Advocat der Ökostrombranche auf: Scheer in Los Angeles, Scheer im Berliner Bundestag, der unermüdliche Nachtarbeiter. Puh, das war mir dann doch irgendwann zuviel.

Zumal sein Counterpart in dem Film, Fatih Birol, der Chefökonom der Internationalen Energieagentur, relativ schwach wegkommt. Birol ist leider die einzige kritische Stimme in dem Film, ihm kommt die Ehre zu, Skepsis anzumelden und dem Öl die  Zukunft zuzureden.  Lieber hätte ich die beiden da im direkten Streitgespräch gesehen…

Das Anliegen des Films kann ich sicherlich teilen: Wer hätte nicht gern eine Welt, die sich 100 Prozent mit Ökostrom versorgt –  ohne dass es mehr kostet. Nur: Wer sich den Film anschaut, sollte nicht einen Dokumentarfilm im Stil von We feed the world oder Let´s make money erwarten. Energy Autonomy ist vieles, aber sicherlich kein hartes und aggressives Plädoyer für die Energiewende, sondern eher ein weichgespültes. Und dabei birgt das Thema doch soviel Sprengstoff.

 

Laufzeitverlängerung: 6 Milliarden Euro flöten

Wenn es um die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke geht, erwähnt die Bundesregierung fast schon reflexartig, dass sie die Zusatzgewinne der Energieversorger aus dem Stromverkauf abschöpfen will.

Eine interessante Zahl wurde heute bei einem Termin des Umweltbundesamts in Berlin bekannt. Dem Europäischen Emissionshandel ETS gehen bei einer pauschalen Laufzeitverlängerung der Meiler um acht Jahre rund sechs Milliarden Euro verloren. (Prinzip Emissionshandel: In der EU gibt es eine Mengenbegrenzung für CO2. Unternehmen müssen sich seit etwa vier Jahren Rechte kaufen, um CO2 ausstoßen zu dürfen. Mit diesen Rechten können sie an der Börse handeln.)

Der Einnahmeverlust entsteht dadurch, dass CO2-freier Atomstrom produziert wird – der nun nicht mehr in klimaschädlichen Kohlemeilern entsteht. Die Energieversorger benötigen nun also weniger Co2-Rechte als ursprünglich geplant. Würde man nicht eingreifen, dann wären einfach zu viele CO2-Rechte im Markt. Der Preis für diese würde in den Keller rauschen, alle Klimaschutzanstrengungen wären umsonst.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat nun ein theoretisches Konzept durchgespielt: Ab dem Jahr 2013 müssen die Stromkonzerne ja komplett die CO2-Rechte ersteigern. Diese Auktionierung führt die Bundesregierung durch. Diese könnte nun einfach weniger Rechte ausgeben, um damit dem Preisverfall zuvorzukommen. Und in genau diesem Fall würde sie auf Einnahmen in Höhe von rund sechs Milliarden Euro verzichten.

Für ihre Berechnung haben die UBA-Experten einen CO2-Preis von 15 Euro je Tonne unterstellt. Nun gut, derweil notiert die Tonne Kohlenstoff bei etwas mehr als 12 Euro… Aber das Ergebnis bleibt: Mehrere Milliarden Euro gehen dem internationalen Klimaschutz flöten, denn die Einnahmen aus dem ETS sollen ja in Klimaschutzprojekte investiert werden. Und dabei hat die EU auf dem Weltklimagipfel den Entwicklungsländern umfangreiche Finanzzusagen für den Klimaschutz gemacht.

Jochen Flasbarth, der neue Chef des atomkritischen Umweltbundesamts, plädiert für eine Anpassung der EU-weiten Zertifikateobergrenze. Um einen Preiseinbruch für CO2 zu vermeiden, solle die Gesamtmenge reduziert werden. Kein einfaches Unterfangen. Zwar bereiten die Experten in Brüssel gerade die dritte Handelsperiode ab 2013 mit Zertifikaten vor. Aber dass sie sich dabei nun auch noch mit dem deutschen Sonderfall „Laufzeitverlängerung“ beschäftigen müssen, hätten sie wohl kaum gedacht.

 

Bundesumweltminister Röttgen: viel Ziel, wenig Weg

Bundesumweltminister Norbert Röttgen ist ein brillianter Redner. Gerade, wenn es um sein neues Themengebiet Energie und Klimawandel geht. Dann packt ihn die Leidenschaft. Mit betenden Dürer-Händen beschwört er die Zuhörer: „2010 ist das Jahr der energiepolitischen Grundsatz-Entscheidungen.“ Man nimmt ihm ab, dass die Klimaverhandlungen in Kopenhagen ihn beeindruckt haben.

Röttgen redet von Energierevolution, von Energiekonzepten, von Gerechtigkeitsfragen. Er will Ziele diskutieren, Ziele definieren. Das Ziel heißt „Das Zeitalter der erneuerbaren Energien einläuten“. Sagt Herr Röttgen.

Norbert Röttgen ist ein brillianter Zieldefinierer. Nur wie der Weg dorthin aussieht – das schweigt er. Viel Ziel, wenig Weg. Wie das energiepolitische Konzept, das die Bundesregierung im Herbst im Kabinett beschließen will, aussehen könnte, verrät er nicht, nicht einmal Andeutungen.

Also bleibt es an uns, aus den Taten der Bundesregierung Rückschlüsse zu ziehen. Da steht eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke. Die geplante Kürzung der Solarstromförderung. Das geplante Ende der Förderung von hocheffizienten Mini-KWK-Anlagen. Die geplante Kürzung der Forschungförderung für Photovoltaik.

Ist das der Weg, der zum Ziel führt?

 

Big Oil in Davos

… wie  sich die Chefs der großen Ölkonzerne BP, Shell und Total die Zukunt vorstellen, berichtet  Uwe Jean Heuser von der ZEIT aktuell aus Davos. Die Branche strotzt vor Selbstvertrauen, dass es ohne Öl nicht geht. Schade. Wäre doch mal schön gewesen, beim Energy Outlook auch einen Vertreter von der Konkurrenz der Erneuerbaren Energien-Branche  zu hören…

 

Windbranche in Euphorie

„Es läuft super“, schwärmt der Pressesprecher des Bundesverbands Windenergie. Gerade hat die Branche die Zahlen für 2009 vorgestellt – und die Krise scheint mit einer Sturmböe weggeflogen zu sein: Knapp 1000 neue Windräder wurden in Deutschland neu installiert, ein Plus von 15 Prozent zum Vorjahr. Inzwischen stehen Anlagen mit einer Leistung von 25.770 Megawatt in Deutschland: Das ist Rekord – zumal es theoretisch der Leistung von etwa 18 Atomkraftwerken entspricht.

Die ersten Offshore-Räder stehen, endlich, in der Nordsee. Dass es so gut läuft, verdankt die Branche vor allem einer Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetz, das für 20 Jahre lukrative Vergütung für Windstrom garantiert. Seit 2009 fördert es ausdrücklich Offshore-Anlagen und den Ersatz alter Anlagen durch neue, leistungsstärkere (Repowering).

Schaut man sich allerdings den weltweiten Trend an, dann ähnelt das Bild arg der Solarbranche: Das große Wachstum passiert inzwischen in anderen Teilen der Welt. Die wichtigen Zukunftsmärkte sind China und die USA – in Deutschland findet vor allem Forschung und Entwicklung statt. Deutschlands Anteil am Weltmarkt wird von Jahr zu kleiner, inzwischen liegt er bei nur noch sechs Prozent.

Gerade China hat in den vergangenen Jahren den großen Sprung nach vorne gemacht und seit 2006 seine installierte Kapazität jedes Jahr verdoppelt. Gut für den Wettbewerb – doch für deutsche Windspezialisten auch ungewohnt: Firmen wie Enercon sind nicht mehr die unangetastete Nummer 1. Stattdessen sind es nun Unternehmen wie Goldwind, Dongfang oder Sinovel. Das Verrückte ist nur: Es sind Unternehmen, die mit deutschem Know-How groß geworden sind. Goldwind, Chinas ätester Windanlagenbauer und Marktführer, kaufte sich vor allem Lizenzen ein. In erster Linie beim deutschen Windanlagenbauern Jacobs Energie.

 

Investoren-Liebling „Better Place“

Draußen herrscht Wirtschaftskrise – und die Jungs von Better Place, dem amerikanischen Autobatterie-Spezialisten, haben es trotzdem geschafft, 350 Millionen US-Dollar Wagniskapital einzusammeln, wie die New York Times vermeldet. Nach Einschätzung von Branchenexperten hat kein Cleantech-Untenehmen bislang soviel Risikokapital am freien Markt erhalten können. Noch immer scheuen sich gerade private Geldgeber vor zuviel Engagement, zu unklar sind derzeit die politischen Rahmenbedingungen für die CO2-freie Wirtschaft. Better Place will weltweit ein Netz für Elektroauto-Ladestationen aufbauen, in Israel und Dänemark haben die Vorbereitungen begonnen, Renault hat seine Unterstützung bereits angekündigt.

Da passt es ganz gut, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen heute die Aktionswoche „Klima und Finanzen“ eröffnet. Er will mehr privates Kapital für den Klimaschutz mobilisieren, von 40 Milliarden Euro jährlich ist die Rede, damit Europa sein Ziel, die CO2-Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren, erreichen kann. Klingt viel . Klingt teuer. Aber wie hat schon Lord Stern gesagt: Wenn wir nichts gegen den Klimawandel tun, wird´s noch teurer.

 

Biobaumwolle: Etikettenschwindel

Ob die Jeans aus Biobaumwolle besser sitzt als eine „normale“, bezweifel ich. Aber sicherlich ist es ein besseres Gefühl, sie zu tragen. Kleinbauern in Indien profitieren. Weniger Pestizide werden eingesetzt. Weniger Dünger. Keine Gentechnik.

Keine Gentechnik? Leider nicht. Die Financial Times Deutschland berichtet heute über einen breiten Etikettenschwindel in der Biobaumwoll-Branche. Ein „erheblicher Teil“ der Ware sei gar nicht bio, weil die Baumwollpflanzen gentechnisch verändert seien.  Wer also eine schicke Biojeans bei C&A, H&M oder Tchibo gekauft hat, kann sich gar nicht mehr sicher sein, ob sie den Aufpreis tatsächlich wert war.

Das ist natürlich fatal, denn das Vertrauen einer wichtigen Branche steht auf dem Spiel. Es ist ähnlich wie bei Bio-Olivenöl und den ganzen anderen Mini-Skandalen der Vergangenheit, wo sich auf einmal Giftstoffe etc. im Produkt fanden. Wo Bio drauf steht, muss auch Bio drin sein. Darauf müssen sich Verbraucher verlassen können. Und darum müssen sich vor allem die Zertifizierer kümmern. Findet übrigens die „Grüne-Mode“-Fachfrau Kirsten Brodde in ihrem sehr amüsanten Blog ebenfalls…

 

Laufzeitverlängerung: Das kleine Müllproblem

Heute treffen sich ja im Bundeskanzleramt die Atomkonzerne, um über die Laufzeitverlängerung zu verhandeln. Eine interessante Zahl hat der BUND dazu ausgegraben:

„Mit jedem Jahr Laufzeitverlängerung wächst der radioaktive Müllberg um weitere 450 Tonnen.“

Passend dazu empfehle ich heute ein Stück der Kollegen aus dem Wissensressort über die Asse: Vom Salzbergwerk zum Atommülllager. Mit einer beeindruckenden 360-Grad-Ansicht des unterirdischen Lagers… Eine gute Alternative zum vor-Ort-Besuch…

 

Atom: Londons Dreifaltigkeit

Lord Hunt ist ein kleiner, vornehmer Mann, der Klimaschutzminister Großbritanniens. Heute stellte er in Berlin Londons zukünftige Energiepolitik vor. Es ist die Dreifaltigkeit, die er präsentierte: Das Königreich setzt auf erneuerbare Energien, Kernkraft und saubere Kohle (CCS). Es ist nicht nur der Klimawandel, mit dem Hunt diese Strategie begründet, es ist vor allem die Reduzierung von Importabhängigkeiten bei Gas und Öl. Denn wie kaum ein anderes europäisches Land ist London vor allem auf Gasimporte angewiesen. Die Ziele sind ambitioniert: Den Ökostrom-Anteil will London von aktuellen sechs Prozent auf 30 Prozent in 2020 steigern. Den größten Anteil soll dabei Offshore-Windenergie einnehmen. Ganz ausdrücklich lud Lord Hunt auch deutsche Windanlagenhersteller ein, sich in Groß-Britannien niederzulassen. „Wir haben großes Interesse daran, wenn sie kommen“, sagte Hunt. Neue Kohlekraftwerke müssen zukünftig für mindestens 300 Megawatt ihrer Gesamtkapazität die Anwendung von Kohleabscheidungstechnologien (CCS) nachweisen. Und den Ausbau der Atomkraft sieht UK an zehn Standorten vor, bis 2025 sollen die neuen Anlagen ans Netz gehen.

Ganz anders Deutschland. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hält sich zurzeit mit klaren Bekenntnissen zur Atomenergie vornehm zurück – im Gegensatz zu Wirtschaftsminister Brüderle. Röttgen setzt auf die „Zweifaltigkeit“: Auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien (So ausdrücklich taucht das Energiesparen übrigens nicht bei den Briten auf). In Berlin betonte er heute erneut, dass es sich bei der Kernkraft nur um eine Brückentechnologie halte „Und die muss nicht verbreitert werden.“