In den USA sorgte sein Text im Rolling Stones für Furore. Der US-Klimaaktivist BillMcKibben rechnet dort sehr verständlich durch, was passiert, wenn wir so weiter machen wie bisher, egal, ob bei der Ölförderung oder der verfehlten Klimapolitik. Hier ein Auszug:
2,795 Gigatons: This number is the scariest of all – one that, for the first time, meshes the political and scientific dimensions of our dilemma. It was highlighted last summer by the Carbon Tracker Initiative, a team of London financial analysts and environmentalists who published a report in an effort to educate investors about the possible risks that climate change poses to their stock portfolios. The number describes the amount of carbon already contained in the proven coal and oil and gas reserves of the fossil-fuel companies, and the countries (think Venezuela or Kuwait) that act like fossil-fuel companies. In short, it’s the fossil fuel we’re currently planning to burn. And the key point is that this new number – 2,795 – is higher than 565. Five times higher.
In seiner aktuellen Ausgabe bringt das Greenpeace Magazin übrigens eine deutsche Version.
Beeindruckend, was für eine Entwicklung Offshore-Windräder gerade durchmachen. Dieser Tage hat Siemens den Testbetrieb für eine Sechs-Megawatt-Anlage aufgenommen. Ein Rotorblatt misst 75 Meter, das entspricht nach Angaben von Siemens der Spannweite eines Airbus 380. Kurze Zeitreise: Vor ein paar Jahrzehnten, als die ersten 30-Kilowattanlagen ans Netz gingen, war ein Flügel gerade einmal fünf Meter lang, so lang wie ein Kleinbus.
Noch scheint bei Offshore-Windrädern das technische Potenzial nicht ausgeschöpft. State-of-the-art ist zurzeit die fünf-Megawatt-Anlage. Sie stehen auch im Testfeld Alpha Ventus in der Nordsee. Nach Informationen des Fraunhofer IWES-Instituts sind aber auch schon Zehn-Megawatt-Anlagen im Gespräch.
Allerdings macht den Ingenieuren die simple Physik das Leben schwer. Denn wer eine Anlage größer baut, um den Output zu steigern, der erhöht zwangsläufig das Gewicht. Eine simple mathematische Faustregel sagt: Wird die Anlagengröße verdoppelt, dann vervierfacht sich die Fläche – und Achtung: das Gewicht verachtfacht sich.
Größer geht es also nur, wenn die Anlage zugleich leichter wird. Denn hinter „Gewicht“ verbirgt sich natürlich nichts anderes als „Material“ – also Stahl – und damit höhere Kosten.
Und natürlich kollidiert der Größenwahn mit dem Anspruch, durch Serienproduktion die Kosten zu senken. Windräder größer als der Kölner Dom sind Einzelanfertigungen, die lassen sich (noch?) nicht schnell am Band produzieren. Handarbeit allerdings bedeutet wiederum höhere Kosten. Ein klassischer Trade-off.
Seit Jahren führt China die Rangliste der weltweit größten Kohlendioxid-Emittenten an. Gleichzeitig will das Land den Ausstoß reduzieren: Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 40 bis 45 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 sinken. Der 12. Fünfjahresplan, den der Volkskongress im vergangenen Jahr verabschiedet hat, sieht die Einführung eines Emissionshandels vor. Die Idee dahinter ist simpel: Wer CO2 emittiert, muss dafür ein Verschmutzungsrecht vorweisen. Hat er keines, muss er eines kaufen. Hat er zu viele, kann er sie verkaufen. So entsteht ein Markt für Kohlendioxid, der sich regulieren lässt.
Bleibt die Frage: Wie organisiert China das bloß? So langsam wird das konkreter. Inzwischen ist klar, dass China ein CO2-Handelssystem in sieben Piloregionen testen will. Dazu gehören Shanghai, Peking, Tianjin, Shenzhen, Chongqing, Guangdong und Hubei.
Mitte August startete etwa das Projekt in Shanghai. Wie das Portal China Law and Practice berichtet, sollen hier in einem ersten Schritt die Emissionen von rund 200 Firmen aus 16 verschiedenen Industrien erfasst werden. Unter anderem wird sich Baosteel, einer der weltweit größten Stahlkonzerne und damit ein großer Stromverbraucher (und zwangläufig auch CO2-Emittent) künftig einem solchen Schema unterwerfen müssen und mit Co2-Zertifikaten handeln. Wie schon in Europa werden die Behörden die erste Runde von Verschmutzungsrechten kostenlos verteilen.
In China einen Emissionshandel aufzubauen, ist natürlich extrem kompliziert. Allein das Datensammeln wird zur Herausforderung: Welche Industrieanlage emittiert eigentlich genau wie viel CO2? Außerdem sind die Energiemärkte alles andere als liberalisiert. Das geht schwer mit dem Preissignal-Ansatz eines Emissionshandels zusammen.
Die Bepreisung von Kohlendioxidemissionen verteuert die Produktion einer Kilowattstunde in einem Kohlekraftwerk. In Europa würde ein Stromversorger diese Kosten einfach auf den Endkundenpreis umlegen.
Das ist aber in China mit seinen regulierten Großhandelsmärkten und subventionierten Strompreisen kaum möglich. Laut der chinesischen Presseagentur Xhinhua kostete im Sommer in Peking eine Kilowattstunde Strom 0,48 Yuan. Das macht umgerechnet gerade einmal fünf Cent. Daran wird die Politik wohl kaum etwas ändern wollen.
„Das System in China wird erst einmal wenig ehrgeizig sein“, sagt Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts, der zurzeit chinesische Firmen bei der Einführung des Systems berät. Matthes hält das allerdings für nicht überraschend: Es ginge schließlich darum, die Unternehmen erst einmal überhaupt von dem System zu überzeugen – und nicht mit zu strengen Anforderungen zu erschrecken und gar für Komplettwiderstand zu sorgen. Das sei ähnlich bei der Einführung des europäischen Emissionshandelssystems gewesen.
Das ist natürlich Realpolitik pur. Aber wahrscheinlich der Erfolg versprechendere Weg.
Auf der Rappenecker Hütte hat die Energiewende bereits vor 25 Jahren begonnen. Die auf der Scheune installierten Solarzellen liefern seit 1987 Strom. Das Gasthaus auf etwas mehr als 1000 Meter Höhe zwischen dem Freiburger Hausberg und der Gemeinde Oberried ist ein Experimentierfeld für das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. „Die Module auf der Rappenecker Hütte weisen nach 25 Jahren noch deutlich über 80 Prozent ihrer ursprünglichen Leistung auf“, sagt ISE-Chef Professor Eike Weber. Bislang gibt es nach Angaben der ISE nur eine Schwachstelle: Langsam dringt Feuchtigkeit in die Module ein.
Auf der Rappenecker Hütte ist es nicht bei einem Solarkraftwerk mit einer Leistung von 3,8 Kilowatt – gefördert von der Europäischen Union – geblieben. 1990 kam ein Windrad mit einer Leistung von 1,8 Kilowatt hinzu. Dafür hatte das Bundesforschungsministerium Geld gegeben. Und 2003 ist eine Brennstoffzelle installiert worden. Eine Investition, die der Innovationsfonds des südbadischen Energieversorgers Badenova mitfinanziert hatte. Mit der Brennstoffzelle ist auf der Hütte dann ein paar Jahre lang so viel Strom produziert worden, dass der Dieselgenerator (Leistung: zwölf Kilowatt) gar nicht mehr gebraucht wurde. Allerdings war die Brennstoffzelle den Ansprüchen des Pächters der Hütte nicht gewachsen. Sie ging schnell kaputt und auch die zwei Nachfolge-Modelle hielten nicht allzu lange.
Erst in diesem Jahr zum 350-jährigen Bestehen der bei Wanderern beliebten Gaststätte, und zum 25-jährigen Bestehen des Solarkraftwerks, ist nun eine neue Brennstoffzelle installiert worden. Die Firma FuturE stellte die Vier-Kilowatt-Brennstoffzelle kostenlos zur Verfügung, um zu zeigen, dass sich auch diese Technik weiter entwickelt hat. Der Jahresstromverbrauch von 4.000 Kilowattstunden – zwischen November und März bleibt die Küche in der Hütte kalt – wird zu 65 Prozent von der Photovoltaik gedeckt. Der Windkraftanteil beträgt zehn Prozent. Die Brennstoffzelle deckt etwa 25 Prozent des Bedarfs.
Geheizt wird allerdings nicht mit der Brennstoffzelle, obwohl deren Abwärme über einen Wärmetauscher genutzt werden könnte. Das allerdings wäre technisch etwas aufwendiger, und als Finanzier hat sich offenbar auch keiner dafür gefunden. Deshalb wird das Gasthaus mit einer Zentralheizung gewärmt, in der große Holzscheite verbrannt werden. Für die Warmwasserbereitung gibt es aber seit dem Jahr 2000 eine Solarthermieanlage.
Das Experiment des ISE hat viele Nachahmer gefunden. „20 bis 25 Hütten des Alpenvereins sind mit ähnlichen Systemen ausgestattet worden“, sagt Projektleiter Georg Bopp. In Schwellen- und Entwicklungsländern ist diese Insellösung inzwischen ebenfalls häufig im Einsatz.
Die Solarpioniere von heute arbeiten an ganz ähnlichen Themen. Zum Beispiel die zwei jungen Erfinder Alex Hornstein und Shawn Frayne. Sie wollen über sogenanntes Crowdfunding eine Fabrik für die Produktion von Mikrosolarpaneln aufbauen. Die Panele werden genutzt, um Handys oder Batterien aufzuladen. Der Amerikaner Alex Hornstein lebt in der Hauptstadt der Philippinen, Manila. Der Absolvent des Massachussets Instituts for Technology (MIT) nennt sich selbst einen unabhängigen Erfinder. Shawn Frayne lebt in Hong Kong und arbeitet für die Firma Haddock Invention, die unter anderem schon ein Kleinstwindrad erfunden hat. Hornstein und Frayne wollen Kleinstsolarpanels besser und billiger herstellen. Dafür haben sie eine Maschine erfunden, die die Solarzellen bricht, auf Glaspanele aufklebt und in haltbares Plastik einschweißt. Die beiden Erfinder wollen die Panele um 30 Prozent billiger und fünf Mal langlebiger machen.
Die Geldsammelaktion der beiden Erfinder dauert noch bis zum 15. September und ihr erstes Ziel, 50.000 Dollar einzusammeln, um ihre Maschine auf ein großtechnisches Niveau zu bringen, ist schon fast erreicht. Am Freitag lagen die Zusagen bei gut 47.000 Dollar. Sollten sogar 100.000 Dollar zusammenkommen, versprechen die beiden Erfinder, einen günstigeren Laser-Schneider für ihre „Solar Pocket Factory“ zu entwerfen und die Konstruktionsdaten offenzulegen, damit er überall nachgebaut werden kann. Sollten sogar 150.000 Dollar zusammenkommen, soll die Solar Pocket Factory auch komplett mit Solarenergie betrieben werden.
Altmaier-Bashing seitens der Umweltverbände ist ja gerade in. Die Grünen glauben, dass sich der Bundesumweltminister über den Ausbau der Erneuerbaren grämen würde. Die Windmüller haben Angst, dass er den Ausbau der Windkraft an Land blockieren will.
Hier einmal eine Nachricht, die vielleicht die Truppe beruhigen mag. Auf einer Erneuerbaren-Energien-Tagung hat Peter Altmaier gerade betont, dass es mit ihm keine weiteren Ausnahmen für die Industrie bei der Ökostrom-Umlage geben werde.
„Für weitere Reduzierungen sehe ich keinen Bewegungsspielraum. Wenn, dann muss man das aus der bisherigen Privilegierungsmasse finanzieren.“
Einmal davon abgesehen, dass „Privilegierungsmasse“ ein ganz wunderbares, mir vorher unbekanntes Wort war: Übersetzt bedeutet das: Wenn irgendjemand eine Ausnahme von der EEG-Umlage haben möchte, dann muss jemand anders eine bitteschön aufgeben.
Altmaier berührt damit natürlich ein aktuelles Thema. Stromintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, können sich von der EEG-Umlage befreien lassen. Das Bundesumweltministerium schätzt, dass allein in diesem Jahr rund 730 Unternehmen so mehr als 2,5 Milliarden Euro einsparen werden.
Natürlich geht es am Ende darum, wer eigentlich die Kosten der Energiewende finanziert. Zur Veranschaulichung will ich den Lesern nicht einen „echten Altmaier“ aus meinem Notizblock vorenthalten:
Auf der x-Achse sieht man einen Zeitstrahl. Auf der y-Achse hat der Umweltminister leider vergessen, „Kosten“ dranzuschreiben. Die Erklärung geht so: Ursprünglich verteilten sich die Kosten der Energiewende relativ gleichmäßig auf den Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2050 (untere Kurve).
Jetzt aber, durch den rasanten Ökostromausbau, fallen die Kosten viel früher an (siehe obere Kurve): Die Ausgaben für die Ökostromvergütung steigen früher als gedacht an, dazu kommen auch noch die Kosten für den Netzausbau. Der große Finanzierungsbedarf wird also auf einen kürzeren Zeitraum verteilt als ursprünglich bedacht, er wird gestaucht.
Diese Stauchung hat natürlich vielfältige Folgen. Das beginnt bei Tennet, denen jetzt das Eigenkapital für den Netzausbau Offshore fehlt und endet bei Sozialtarifen, die mancher fordert, weil einkommensschwache Haushalte unter den schnell steigenden Strompreisen leiden.
Altmaier will deswegen einen „gesellschaftlichen und nationalen Konsens“ über die Energiewende. Das mag erstmal nach Blabla klingen, aber er hat Recht: Ohne das „Go“ der Bevölkerung und der Bundesländer, die Kosten gemeinsam zu stemmen, wird die Energiewende kaum gelingen.
Es ist wohl das klassische Dilemma: Da baut Deutschland mit einem riesigen Aufwand Windanlagen auf hoher See, um seine Energieversorgung langfristig auf Ökostrom umzustellen. Auf der anderen Seite bedeutet das Eingriffe ins Ökosystem Meer – bei denen allerdings die Fachwelt noch unsicher ist, wie gravierend sie sind. Klimaschutz versus Naturschutz: kein einfaches Unterfangen.
Der Schweinswal treibt da zurzeit heftig die Offshore-Branche um. Wie bekommt man es hin, dass er nicht langfristig vertrieben wird von den lauten Rammarbeiten am Meeresboden und auch nicht gleich taub wird. Am heutigen Donnerstag hat die Branche eine erste Bilanz der verschiedenen Schallschutzmethoden vorgestellt. Das Projekt kostete rund vier Millionen Euro.
Das Positive vorweg: Vom „Großen Blasenschleier“, bei dem ein Mantel aus Luftblasen die Schallwellen abfängt, bis zu Dämmschalen und Schlauchvorhängen: Alle Methoden sind wirksam und mindern den Lärm um im Schnitt neun Dezibel.
Das Problem ist nur, dass das nicht ausreicht, um den gesetzlichen Grenzwert von 160 Dezibel zu garantieren. Die Unternehmen und Institute formulieren es diplomatisch:
„Damit konnte eine deutliche Annäherung an den Schall-Emissionsgrenzwert von 160 Dezibel in 750 Meter Entfernung um die Schallquelle herum erreicht werden.“
Für die Offshore-Firmen ist das Thema nicht nur, salopp gesagt: pille palle. Wenn sie die Schallschutzgrenzen nicht einhalten, kann das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im Ernstfall sogar den Bau des Windparks untersagen. Zudem bedeuten die Schallschutzmaßnahmen enorme Kosten für sie. Denn für jeden Pfahl, den sie in den Meeresboden rammen, müssen sie zurzeit mit gewaltigem Aufwand auch ein Schallkonzept entwickeln – und das ja parallel zu den normalen Bauarbeiten. Kein einfaches Unterfangen.
Noch ist unklar, welche Technologie sich langfristig durchsetzen wird. Zurzeit setzen die Firmen vor allem auf den Luftblasenschleier, er ist „state of the art“. Doch er hat ein Problem – und das liegt in der Natur der Sache: Die Luftblasen verwirbeln und verändern sich, je nach Windstärke und Wellengang. Das bedeutet also, dass weitere Forschung nötig ist.
Wissenschafler kritisieren da wohl zu recht, dass sie gerade bei der Offshore-Windenergie aktuell nicht ausreichend Zeit haben, die ökologischen Folgen zu analysieren und zu bewerten. Was passiert mit dem Meeresboden, wenn sich langfristig mehr als 5.000 Windanlagen zukünftig in der Nordsee drehen sollen? Welche Folgen hat das auf die Biodiversität, nimmt sie zu, nimmt sie ab? Und eben: Wie wird´s dem Schweinswal mit den Windrädern gehen? Die Energiewende, sie ist zumindest in Teilen wohl gerade eine Operation am offenen Herzen. Aber anders lässt sie sich wohl auch nicht realisieren.
Mal flott ein Blick über den großen Teich: Vermont hat vergangene Woche als erster US-Bundesstaat ein Fracking-Verbot erlassen. Zu unklar seien die Risiken, ob Fracking (bei dem ein Chemikaliencocktail unter Tage gepresst wird, um Erdgas zu fördern) das Grundwasser verseuche, so Gouveneur Peter Shumlin. Gerade in den USA herrscht ja zurzeit ein wahrer Fracking-Boom und die Fördermengen haben die Erdgaspreise in den USA zurückgehen lassen.
Wie in den USA mehren sich allerdings auch in Deutschland die Kritiker, das zeigte auch der NRW-Wahlkampf. Das Thema Fracking wird auch diese Woche wieder aufkommen, wenn im Wirtschaftsausschuss eine Anhörung dazu läuft. Umstritten ist ja vor allem, dass Behörden sämtliche Genehmigungen noch nach dem Bundesberggesetz erlassen, das teilweise sogar noch aus der Kaiserzeit stammt. Konzerne wie RWE Dea oder ExxonMobil müssen danach erst eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorlegen, wenn sie mehr als 500.000 Kubikmeter Erdgas fördern werden – eine wohl vollkommen willkürliche Menge.
Die Opposition fordert, diese Grenze auf einen Kubikmeter zu senken – also eine UVP immer verbindlich zu machen. Mit schlechten Chancen, Union und FDP zeigen bislang kaum Interesse daran.
Es ist doch verrückt: Über Tage muss jeder Windmüller die verbindlichen Umweltchecks bei der Genehmigung eines neuen Windparks durchlaufen.
Unter Tage, wenn es um die Qualität des Grundwassers geht, scheint der Gesetzgeber das bislang nicht für nötig zu halten.
Seit der Eurokrise können die Zahlen ja gar nicht mehr groß genug sein. Aber 16 Milliarden Euro sind immer noch eine unvorstellbar große Zahl. So viel Geld wollen die Europäische Union, Japan, die USA, China, Indien, Südkorea und Russland für eine Idee ausgeben: den Traum von der unerschöpflichen Energie, dem Sonnenfeuer auf Erden – für den Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktor (Iter) im südfranzösischen Cadarache.
Seit den 1950er Jahren wird an der Kernfusion geforscht. In unkontrollierter und überwältigend zerstörerischer Form hatten die Physiker das Problem schon bald im Griff. Die Wasserstoffbombe fusioniert während ihrer Explosion Wasserstoffatome zu Helium und setzt unerhört hohe Mengen Energie frei. Doch die „kontrollierte“ Fusion von Tritium und Deuterium, zwei verschieden konfigurierten Wasserstoffatomen, zu Helium ist bisher nur einmal für 15 Sekunden geglückt. Trotzdem sind die Wissenschaftler seit Jahrzehnten überaus optimistisch, dass die Atomfusion „in etwa 50 Jahren“ einen großen Beitrag zur weltweiten Energieversorgung leisten könnte. Das aktuelle Zieldatum liegt irgendwo jenseits von 2050.
Wenn die Atomspaltung, um mit Bertholt Brecht zu sprechen, so etwas ist wie ein Banküberfall ist, dann ist die Kernfusion mit der Gründung einer Bank gleichzusetzen. Kein Rückschlag hat die gläubige Fusionsgemeinde je irre machen können. Und selbst die unkontrollierte Kostenexplosion bei Iter hat bisher nicht zur Besinnung geführt.
Erst vor wenigen Tagen hat das Europäische Parlament erneut mit 403 gegen 61 Stimmen beschlossen, die jüngsten Kostensteigerungen in Cadarache ungeachtet aller Sparappelle wieder einmal auszugleichen. Allein 2012 fließen deshalb weitere 650 Millionen Euro aus dem Etat der Europäischen Union in den Iter. Allein davon ließen sich mindestens zwei Offshore-Windparks vom Kaliber Alpha Ventus bauen, dem deutschen Experimental-Offshore-Windpark, bei dem die Kosten ebenfalls aus dem Ruder gelaufen waren. Alpha Ventus hat 250 Millionen Euro gekostet.
Helga Trüpel, haushaltspolitische Sprecherin der grünen Europafraktion, sagt:
„Wir halten zusätzliche 650 Millionen Euro für eine dramatische Fehlinvestition in eine atomare Risikotechnologie, die im Fusionsprozess radioaktives Tritium verwendet, und die wir daher grundsätzlich ablehnen.“
Die Bundesregierung dagegen hält weiter Fusionskurs. 2011 hat das Forschungsministerium 144 Millionen für die Fusionsforschung ausgegeben, 2012 werden es sogar 158 Millionen Euro sein. Das ist ein Fünftel der staatlichen Energieforschungsmittel. Für die weitere Erforschung der erneuerbaren Energien wird lediglich ein Zehntel der Mittel verwendet, obwohl davon im Gegensatz zur Fusion schon heute reale Beiträge zur Energieversorgung geleistet werden. Im Reaktor Wendelstein 7-X in Greifswald werden aktuell über das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik rund 500 Millionen Euro dafür ausgegeben, herauszufinden, ob ein Magnetfeld die Fusionsreaktion unter Kontrolle halten könnte.
Wenn der Experimentalreaktor Iter einmal fertig ist, wird allein die EU 7,5 Milliarden Euro in das Projekt investiert haben, 45 Prozent der Gesamtkosten. Alle anderen beteiligten Nationen tragen je neun Prozent der Kosten. Dass die Fusionsenergie tatsächlich einmal ein kontrolliertes Sonnenfeuer entfachen und „alle Energieprobleme“ lösen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Warum die EU und die anderen Partner dennoch weiterhin unbeirrt ihre Haushalte plündern, dafür hat Helga Trüpel nur eine Erklärung:
„Weder der französische Weg (mit Atomenergie in die Zukunft) noch der deutsche Weg (ohne Atomenergie in die Zukunft) können einen europäischen Energiekonsens stiften, sodass einzig Iter für die Sehnsucht steht, in der diese gemeinsamen Fortschrittsvisionen der europäischen Industrienationen aus dem 20. Jahrhundert wie zur Selbstvergewisserung bewahrt und verdichtet werden.“
Auf die Tank- und Stromrechnung seiner Truppen würde der amerikanische Verteidigungsminister sicher gerne verzichten: 150 Milliarden US-Dollar veranschlagt das Pentagon für das nächste Jahrzehnt. Das US-Militär gilt als größter Energieverbraucher der Welt, allein im Jahr 2010 verbrauchte es 125 Millionen Barrel Öl (zum Vergleich: Ganz Deutschland verbrauchte in dem Jahr laut CIA Factbook rund 911 Millionen Barrel).
Doch die Ölabhängigkeit macht angreifbar. Allein in Afghanistan waren im Jahr 2007 mehr als ein Drittel der Armee-Unfälle Anschläge auf Tanklaster, im Irak waren es zwölf Prozent.
Tja, was ist jetzt von solchen Entwicklungen zu halten? Klaus Töpfer, Ex-Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, spricht ja regelmäßig davon, dass Klimapolitik vor allem auch Friedenspolitik sei. Das bekommt bei solchen Meldungen eine ganz neue Bedeutung.