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Energiewende auf italienisch: Prämie für die Fossilen

Das Thema Kapazitätsmärkte ist sperrig und klingt wahnsinnig öde, aber es treibt die Energiebranche gerade um. Alles dreht sich dabei um die Frage: Wie können künftig Kohle- und Gaskraftwerke rentabel betrieben werden, wenn sie in Konkurrenz zu erneuerbaren Energien stehen, die keine Brennstoffkosten verursachen und deren Grenzkosten somit gleich null sind.  Ist eine Solaranlage einmal angeschlossen, kostet ihr Betrieb praktisch keinen Cent. Das wird für die alten, fossilen Kraftwerke mit ihren Kosten für Kohle und Gas zum großen Problem.

In Deutschland wird das Thema kontrovers diskutiert. Ganz spannend ist aber ein Blick über die Alpen hinweg, nach Italien. Ein Land, das einige Energie-Superlative zu bieten hat. Kein Land der Welt importiert mehr Strom (die aktuellsten Daten der IEA sind zwar aus dem Jahr 2010, seitdem hat sich jedoch nicht viel verändert). In keinem anderen Land Europas zahlen die Konsumenten höhere Strompreise. Allein im vergangenen Jahr hat sich Kapazität der Solaranlagen vervierfacht.

Vergangene Woche verabschiedete nun Italiens Parlament zwei Gesetze, welche die Einführung von Kapazitätsprämien vorsehen. Dabei erhalten die Betreiber von fossilen Kraftwerken Zuschüsse, um Kapazitäten vorzuhalten, wenn Solar- und Windanlagen wegen der Wetterlage keine Energie liefern. Außerdem sollen für die fossilen Kraftwerke die Umweltauflagen gelockert werden, berichtet die britische Financial Times. Noch ist unklar, wie hoch die Prämie sein wird. Und wer eigentlich die Prämie zahlen soll. Offenbar sieht das Gesetz vor, dass die Energieversorger wie ENEL das Geld nicht per Umlage von den Verbrauchern erhalten.

In Italien sorgt die Kapazitätsprämie für einen Schlagabtausch zwischen Ökos und den etablierten Versorgern. Die Vereinigung Third Industrial Revolution European Society, hinter der der US-Ökonom Jeremy Rifkin steckt, bezeichnete die Pläne Italiens bereits als „unmoralisch“ und technisch unausgegoren.

Die Branche der Erneuerbaren fürchtet, dass sich die großen Energiekonzerne durchsetzen und die Ökos gezielt ausgebremst werden. Allzu abwegig scheint der Verdacht nicht zu sein. Die Regierung hatte erst vor Kurzem die Förderung der Solarenergie de facto gedeckelt, die Einspeisetarife gekürzt und eine aufwändige Registrierungspflicht eingeführt.

 

USA leiten Ende der Kohle-Ära ein

Stromproduktion in den USA, Quelle: EIA
Stromproduktion in den USA, Quelle: EIA

Wie sehr gerade die internationalen Energiemärkte durcheinandergewirbelt werden, zeigt diese neue Grafik der US-Energy Information Administration: Erstmals seit 2007 haben die USA  in diesem April fast genauso viel Strom aus Erdgas produziert wie aus Kohle. Das wird gerade Klimaschützer (nicht vielleicht die Umweltschützer) jubeln lasssen, schließlich fallen beim Verbrennen einer Einheit Erdgas etwa nur die Hälfte der CO2-Emissionen an wie bei einer Tonne Braunkohle.

Was war da los im April? Laut Energiebehörde waren die Gaspreise auf einem Zehn-Jahre-Tief, das macht den Brennstoff attraktiver gegenüber der Kohle. Zudem gab es einen relativ warmen April, was zu niedriger Energienachfrage führte.

Natürlich sind das nicht prinzipiell positive Entwicklungen. Sicher, ein etwas weniger klimaschädigender, fossiler Brennstoff löst einen „dreckigeren“ ab. Aber auch Erdgas hat seine Schattenseite: Es ist in den USA nur wegen des umstrittenen Frackings so günstig, eine Fördermethode, bei der ein Chemikaliencocktail in die Erde gepumpt wird, um das Erdgas auszulösen. Und beim Fracking fallen schließlich auch Co2-Emissionen an, und zwar nicht zu wenig.

Und natürlich wird in den USA ja auch weiter Kohle gefördert, die Abbaumengen haben sogar in 2011 leicht zugenommen (0,9 Prozent in 2011). Die Kohle landet inzwischen zu günstigen Preisen auf dem Weltmarkt. Seit Monaten nehmen die Kohleexporte aus den USA zu. Die Kohle, die zur Energieproduktion genutzt wird, kaufen vor allem Asien, aber auch Deutschland und Frankreich.

Der Ökostromanteil in den USA nimmt übrigens wie der Erdgasanteil seit Jahren zu. Inzwischen liegt er bei 13 Prozent an der Gesamtstromproduktion. Den Löwenanteil macht die Wasserkraft mit 63 Prozent aus. Danach folgen Wind (23 Prozent), Biomasse und Geothermie. Der Anteil des Solarstroms liegt bei weniger als einem Prozent.

 

 

 

 

Kohle versus Öko: Wer gewinnt den Wettlauf?

In bester Tradition hat Greenpeace zum vierten Mal sein Energieszenario „Energie (R)evolution“ vorgelegt. Seit dem Jahr 2007 rechnet das Deutsche Luft-und Raumfahrtzentrum für die Umweltschutzorganisation aus, wie ein Ausstieg aus der Kohle und Atomkraft möglich wäre und welche Investitionen in welchen Bereichen dafür nötig wären. Der Report wird etwa einmal im Jahr aktualisiert, u.a. weil etwa der Anteil der erneuerbaren Energien doch schneller gewachsen ist als gedacht.

Ganz interessante Zahlen finden sich zwar nicht in dem 340 Seiten langen Wälzer, aber in einem unveröffentlichtem Hintergrundpapier. Demnach liefern sich Kohle und alternative Energien gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen weltweit. Greenpeace hat unter anderem die internationale Energie-Datenbank wie Platts nach geplanten Kraftwerkprojekten durchforstet. Was haben die  Energieversorger in der Pipeline?

Demnach sind in den kommenden fünf Jahren Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von rund 350 bis 400 Gigawatt weltweit geplant. Das beeindruckt, rechnet man im Schnitt mit 1.000 Megawatt Kapazität je Kraftwerk, wären das mindestens 350 neue Kohlekraftwerke (die ja für mindestens 40 Jahre am Netz sein werden).

Beeindruckender sind aber die Zahlen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Schaut man sich die Kapazitäten an, dann sind ähnlich hohe Zuwächse geplant wie bei der Kohle: Mehr als 470 Gigawatt Wind- und Solaranlagen sowie Wasserkraftwerke sind geplant. Und nein, den großen Batzen macht diesmal nicht die Wasserkraft aus, sondern Wind: Bis zu 300 Gigawatt Windkraft wären möglich.

Nun muss man allerdings vorsichtig sein, denn es handelt sich nur um Pläne. Auch in Deutschland waren zu Höchstzeiten ja einmal mehrere Dutzend Kohlekraftwerke geplant – am Ende wurde bislang gerade einmal eine Handvoll realisiert. Deswegen ist es jetzt so entscheidend, welche politischen Rahmenbedingungen herrschen; ob sich eher Investitionen in Kohle oder Wind lohnen. Damit das Zwei-Grad-Klimaschutzziel nicht gerissen wird, müssten laut Greenpeace die Erneuerbaren die Wachstumsraten der vergangenen zehn Jahre beibehalten. Zugleich müssten die Investitionen in fossile Kraftwerke auf ein Minimum heruntergefahren werden.

Nach aktuellen Zahlen des Netzwerks REN21 wurden übrigens im vergangenen Jahr weltweit rund 257 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Erneuerbaren investiert – ein Plus von 17 Prozent zum Vorjahr.

Und das in Zeiten der Euro- und Schuldenkrise.

 

Wenn erneuerbare Energien stören

Hochspannungsleitungen stehen im Mittelpunkt der Debatte über den Netzausbau. Foto: dpa

Am Mittwoch wollen die vier Stromnetzbetreiber in Deutschland ihren Ausbauplan vorlegen. Erste Details sind schon bekannt. Demnach müssen in Deutschland neue Leitungen mit einer Länge von rund 3.800 Kilometern gebaut werden. Wirklich neu ist diese Zahl nicht, die Dena-Netzstudie II kam bereits zu einem ähnlichen Ergebnis.

Der Plan der Netzbetreiber soll die Basis für einen bundesweiten Stromnetzentwicklungsplan bilden. Doch nun will der Chef der Deutschen Energieagentur (Dena), Stephan Kohler, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Ausbaufortschritt beim Stromnetz koppeln. Der Nachrichtenagentur dapd sagte er: „Wir raten dazu, den Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Nord- und Ostdeutschland so zu steuern, dass er synchron verläuft mit dem Ausbau der Trassen.“

Und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der schon im vergangenen Jahr mit der Plakatkampagne „Kraftwerke – ja bitte!“ aufgefallen ist, wird von der Nachrichtenagentur dpa so zitiert: „Unbedingte Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende sind zusätzliche fossile Kraftwerke, der Bau neuer Stromleitungen und die Bezahlbarkeit von Energie. Nur wenn Strom für Verbraucher und Unternehmen bezahlbar bleibt, wird der Umbau der Energieversorgung akzeptiert.“ Und dann gibt es auch noch den neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der den Ausbau der Solaranlagen mit dem Netzausbau in Einklang bringen will, weil sonst bei zu viel Sonne die Abschaltung von Solarparks drohe.

Da beginnt man sich doch zu fragen, ob die Energiewende bei diesen drei Herren wirklich in guten Händen ist. Wer, wie Stephan Kohler, den Ausbau erneuerbarer Energien an den Netzausbau koppeln will, will sie vor allem ausbremsen. Die Regierung hat beschlossen, die Stromversorgung bis 2050 mit mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien decken zu wollen. Das geht nach Kohlers Lesart aber nur, wenn nicht mehr so viele Erneuerbare-Energie-Anlagen gebaut werden. Aha. Der übermäßige Ausbau, wenn man ihn so sehen will, von Solaranlagen im Osten, dürften sich mit den jüngsten Solarstrom-Kürzungen für große Freiflächenanlagen ohnehin erledigt haben. Warum also warnt Köhler noch mal davor?

Mit den Windstromausbauplänen in den Ländern hat er zwar Recht. Aber geht der Netzausbau wirklich schneller, wenn erst das Netz und dann die Windräder gebaut werden? Im Süden wiederum, wo die meisten Solaranlagen gebaut werden, ist Altmaiers Forderung, ihren Ausbau an den Ausbau des Stromnetzes zu koppeln auch wenig zielführend. Denn der Solarstrom spielt in den großen Verteilnetzen kaum eine Rolle. Er bringt allerdings die lokalen und regionalen Stromnetze an ihre Grenzen. Dafür gibt es aber weder einen Netzentwicklungsplan noch überhaupt einen Plan. Die meisten lokalen und regionalen Netzbetreiber wissen nicht einmal, was in ihren Netzen los ist, seit diese keine reinen Verteilnetze mehr sind, sondern immer mehr Fotovoltaikanlagenbetreiber ihren Solarstrom einspeisen. Und das wirft Fragen auf für den Netzentwicklungsplan. Denn was ist von einem Höchstspannungsnetz zu halten, das unabhängig von den darunter liegenden Spannungsebenen gebaut wird? Da besteht zumindest das Risiko, sich eine Infrastruktur ans Bein zu binden, die schon in zwanzig Jahren niemand mehr braucht.

Besonders abwegig aber hat sich mal wieder der Bundeswirtschaftsminister geäußert. Es stimmt schon, es braucht Stromleitungen, aber keineswegs nur Hochspannungsleitungen, und womöglich auch gar nicht so viele, wie die Netzbetreiber sich das vorstellen können. Aber Rösler will fossile Kraftwerke. Er will sie vielleicht auch als Backup für Wind- und Solarstrom, die nicht immer in gleicher Menge verfügbar sind. Aber vor allem will Rösler sie als Ersatz für die Atomenergie, weil für ihn die Vokabel Energiewende offenbar nur bedeutet, dass die Kernkraftwerke bis 2022 stillgelegt werden. Warum neue fossile Kraftwerke, die nur noch stundenweise laufen, den Strompreis für die privaten und industriellen Verbraucher stabilisieren sollen, dafür hat er keine Antwort. Denn die müsste auch lauten: Das macht den Strom eher noch teurer. Die alternde Flotte deutscher Kohlekraftwerke müsste in den kommenden zehn Jahren ohnehin ersetzt werden. Auch das würde den Strompreis nach oben treiben. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist für diese Kostensteigerungen nicht allein verantwortlich, und wüsste der Wirtschaftsminister, wovon er redet, dann wüsste er das auch.

 

Trinkwasser Sammeln mit dem Windrad

Copyright: Eole Water
Copyright: Eole Water

Manchmal gibt es ja in diesem Wimmelfeld Grüne Technologien Ideen, bei denen man denkt: Stimmt, warum ist da eigentlich noch keiner drauf gekommen? Heute: das Wasser sammelnde Windrad. Der Franzose Marc Parent hat jetzt ein Windrad entwickelt, das einen Teil der erzeugten Energie dazu nutzt, Feuchtigkeit aus der Luft zu sammeln. Inspiriert dazu hat ihn seine Klimaanlage, die nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert und mit der er eine eine Zeitlang Trinkwasser in der Karibik sammelte. Zwei Millionen Euro hat er mit der Firma Eole Water bislang investiert, sie hält zwei Patente auf die Technologie und arbeitet unter anderem laut Referenzliste mit Firmen wie Siemens zusammen.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten steht seit vergangenem Herbst in der Nähe von Mussafah die Pilotanlage, ein Windrad mit einer Kapazität von 30 Kilowatt. Die Anlage zieht an der Spitze der Turbine Wind mit Hilfe von Ventilatoren ein. Die Luft wird entlang des Generators geleitet. Da sie immer auch Feuchtigkeit enthält, kondensiert das Wasser – wie morgens nach dem Duschen, wenn der Badezimmerspiegel beschlägt. Das Kondenswasser wird gereinigt und landet in stählernen Tanks.

Copyright: Eole Water
Copyright: Eole Water

Ausgelegt ist die Anlage für bis zu 1.000 Liter am Tag. Das schafft sie allerdings noch nicht, die Pilotmühle  komme auf etwa 500 bis 800 Liter, so  Thibault Janin von Eole Water. Wegen Stress mit dem örtlichen Flughafen dreht sie sich auch nicht nicht in der Luft, sondern bislang am Boden.

Aber immerhin. Solche Ideen sind natürlich interessant für Staaten, die weder über eine funktionierende Strom- noch Wasserversorgung verfügen. Und gerade solche Länder haben ein Interesse, ihre Trinkwasserversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Bislang verschlingen etwa die riesigen Entsalzungsanlagen in der Golfregion ja enorme Mengen an Energie, um Meereswasser aufzubereiten. Eines gibt es aber dort in der Regel in Überfluss: Sonne und Wind. Nun gilt es, sie zu nutzen. Und den Prototyp günstiger zu machen. Der kostet nämlich laut Eole Water zurzeit noch mindestens eine halbe Million Euro. Aber langfristig sei der Preis halbierbar. Mal schauen.

 

 

Neuer Ölhafen in Russland stößt auf Widerstand

Ein Prestigeprojekt der russischen Regierung  in der Nähe von St. Petersburg zieht die Kritik deutscher Umweltschützer auf sich. Der neue Ölhafen Ust-Luga, der eigentlich Anfang April eröffnen soll, ist offenbar eine marode Baustelle: 17 Meter tiefe Löcher sollen seit vergangenem Sommer in dem Dock klaffen, berichtet das russische Magazin Kommersant Money. Reuters meldete im November gleich drei schwere Landrutsche am Kai. Auch eilig installierte Metallplatten, die das Dock stabilisieren sollen, entpuppen sich als schlechtes Provisorium. Das Terminal soll eine Kapazität von rund 20 Millionen Tonnen Öl haben (das entspricht etwa dem Jahresumschlag an der NWO-Löschbrücke in Wilhelmshaven).

Der Naturschutzbund und die Grünen warnen inzwischen davor, den Ölhafen in Betrieb zu nehmen, und fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. „Es droht eine Ölkatastrophe großen Ausmaßes“, sagt die Grünen-Abgeordnete Valerie Wilms. Der neue Ölhafen sei eine Gefahr für die Ostsee und alle Anrainerstaaten. Wilms kritisiert, dass es keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben habe, obwohl das Umweltsekretariat der Ostsee-Anrainerstaaten (Helcom), dem auch Russland angehört, diese vorsieht. Bei einem Ölunfall an der russischen Ostseeküste seien schnell auch andere Länder betroffen. Deutschland habe eine besondere Verantwortung, schließlich habe man das Terminal mitfinanziert.

Auch wenn die Reparaturarbeiten laut Kommersant mindestens 30 Millionen US-Dollar plus zusätzlich 100 Millionen für Bohrungen kosten könnten: Der staatliche Betreiber und Besitzer, u.a. Rosneftbunker, meint es offenbar ernst. Für Russland ist das neue Terminal geopolitisch wichtig, schließlich ist es der Endpunkt der Baltic-Pipeline-2. Das Terminal ermöglicht es Russland, Öl nach Europa zu liefern, ohne es durch weißrussische Pipelines pumpen zu müssen.  Reuters meldet, dass Anfang April die ersten Öltanker anlegen sollen. Das Magazin Kommersant vermutet allerdings auch, dass dies nur Show sein könnte – zu groß seien die Probleme, zu sehr drängten die Reparaturarbeiten.

 

Fracking in zwei Jahren ohne Gift – na, mal schauen…

Der Vorstandsvorsitzende von ExxonMobil Central Europe, Gernot Kalkoffen, hat am Dienstag der Neuen Osnabrücker Zeitung ein bemerkenswertes Interview gegeben. Dabei geht es um das die Förderung von Schiefergas per Fracking. Fracking ist ja eine umstrittenen Fördermethode, bei der unter hohem Druck Wasser, Sand und Chemikalien ins Erdreich gepresst werden, um Erdgas zu fördern. Gerade in Niedersachsen und NRW wird dieses Verfahren unter heftigen Bürgerprotesten angewandt. Die Menschen vor Ort fürchten vor allem um ihr sauberes Trinkwasser.

Kalkoffen sagt nun in dem Interview Folgendes:

„Wir haben in den letzten zwei Jahren trotzdem die giftigen Komponenten, die wir gegebenenfalls einsetzen, von sieben auf vier reduziert. Unser Ziel ist, in spätestens zwei Jahren auf alle giftigen Chemikalien zu verzichten. Dafür prüfen wir zum Beispiel den Einsatz von UV-Licht. Schon jetzt versuchen wir, die einzelnen Mengen so gering wie möglich zu halten.

Erstaunlich, dass gerade ein Vorstand so frei von „giftigen Chemikalien“ spricht, die da im Einsatz sind, oder? Die Grünen sind natürlich prompt darauf eingestiegen und fordern entsprechend ein zweijähriges Fracking-Moratorium für Deutschland, bis eine giftfreie Förderung möglich sei. Das wird Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der ja für die (un)konventionellen Energien zuständig ist,  sicherlich begeistern: noch ein wunderbares Konfliktthema mit seinem Kabinettskollegen, Bundesumweltminister Norbert Röttgen.

Einmal ganz davon abgesehen, wie viele Bürgerinitiativen sich inzwischen in Deutschland gegen Fracking aussprechen: Auch international sorgt das Thema bei Umweltschützern für Proteste. In den USA machte ja 2010 der für den Oskar nominierte Film Gasland das Thema publik. Filmemacher Josh Fox zeigt darin die Umweltfolgen des Fracking-Hypes in den USA. Höhepunkt ist die Szene, in der ein Mann seinen Wasserhahn in der Küche aufdreht, ein Feuerzeug daran hält und eine riesige Flamme sich entzündet.

Die jüngsten Entwicklungen in den USA zeigen, wie viel Konfliktpotenzial in dem Thema Fracking noch steckt. Am Mittwoch wurde Filmregisseur Fox  verhaftet, als er im Kongress eine Anhörung  filmen wollte. Dort präsentierte die Umweltbehörde EPA den Entwurf eines Reports, der ausführlich die Gefahren des Fracking für das Trinkwasser analysiert.

Mal schauen, wie es in Deutschland weitergeht. Was aus der Ankündigung von Herrn Kalkoffen wird – ich lege mir das einmal auf Wiedervorlage in 2014. Auf jeden Fall bedarf es, wie schon bei der Energiewende, einer besseren Beteiligung und Aufklärung der Bürger. Das stellt sogar eine Studie fest, welche die  EU-Kommission vergangenen Freitag in  Brüssel präsentierte:

„An important aspect is public participation, since the exploration of shale gas raises significant concerns, especially in the field of environment. Our main finding is that public participation is rather limited.“ (S. 98, Final Report on Unconventional Gas in Europe)

 

Steuerschlupflöcher für internationale Rohstoffkonzerne stopfen

Das Global Policy Forum Europe (GPF) aus Bonn hat zusammen mit Brot für die Welt und Misereor eine interessante Studie über die Rohstoffindustrie veröffentlicht. Auf den ersten Blick ist es harte Kost, denn es geht um Bilanzierungen, Rechnungslegungen und Preismanipulation. Der Vorwurf: Jährlich entgehen den Ländern des Südens Milliarden an Steuereinnahmen, weil Unternehmen, die weltweit aktiv sind, es schaffen, ihre Gewinne so geschickt zu verbuchen und zu verrechnen, dass sie am Ende kaum Steuern in dem Land zahlen, wo sie fördern. Sie müssen ihre Umsätze, Steuerzahlungen und Gewinne nicht nach einzelnen Ländern und Projekten aufschlüsseln.

„All diese Tricks der Gewinnverlagerung und „Steueroptimierung“ sind nur möglich, weil weiterhin gravierende Regulierungslücken und mangelhafte Transparenzanforderungen gegenüber transnationalen Unternehmen bestehen. Die Gründe dafür sind keineswegs nur „hausgemacht“. Die Regierungen der führenden Industrieländer tragen erhebliche Mitverantwortung, weil sie eine effektive Regulierung und Kontrolle des internationalen Finanzsystems und die Bekämpfung der Schattenfinanzzentren jahrelang versäumt oder durch eine Politik der Deregulierung sogar aktiv verhindert haben. Einheitliche länderbezogene Offenlegungspflichten für Unternehmen wären ein wichtiger Schritt, um das Defizit an Transparenz und Regulierung zu überwinden.“

Nach Schätzungen der US-Organisation Global Financial Integrity entgingen Entwicklungsländern zwischen 98 und 106 Milliarden US-Dollar jährlich (Zeitraum 2002 bis 2006) an Steuereinnahmen, weil Unternehmen Handelspreise manipulierten:

„Indem Firmen Preise für importierte Güter zu hoch und für exportierte Güter zu niedrig ansetzen, können sie unter Umgehung staatlicher Kontrollen Gelder aus einem Land transferieren.
Im- und Exporteure nutzen dabei verschiedene Methoden:
»    Es werden falsche Angaben über die Qualität oder Güte eines Produktes gemacht. Zum Beispiel wird ein hochwertiger Diamant zum Preis eines Industriediamanten verkauft, oder der Eisengehalt von Erz wird zu niedrig angesetzt.
»    Es werden falsche Angaben über die Menge eines Gutes gemacht. Zum Beispiel wird eine Lieferung von 100.000 Hemden als eine von nur 80.000 verbucht.“

Die USA verschärfen inzwischen die Standards. Der Dodd-Frank-Act sieht inzwischen vor, dass Unternehmen an die Börsenaufsicht SEC melden müssen, wie viel sie Regierungen für den Zugang zu Bodenschätzen, Erdöl und Erdgas gezahlt haben, und zwar auf Länder- und Projektbasis. Für Unternehmen wie die Erölkonzerne PetroBas (Brasilien), Sinpoc (China), BP (UK) oder Shell (Niederlande/UK) sicherlich kein Spaß. Mit Hilfe von Lobbyisten würden bereits die ersten Rohstoffkonzerne in Washington sich gegen die Umsetzungsdetails wehren und für Ausnahmeregelungen kämpfen, so das GPF.

In Europa kommt das Thema nun auch auf. Erst vergangene Woche hat die EU einen Entwurf für mehr Transparenz vorgestellt. Jetzt wird es spannend, was aus ihm wird: Wird die Branche ihn verwässern oder wird es tatsächlich strengere Veröffentlichungsvorgaben geben.

 

 

Klimaschädigende Subventionen explodieren, warnt IEA

Die Internationale Energie-Agentur macht sich dieser Tage bei Regierungen unbeliebt, indem sie die klimaschädigenden Subventionen für die fossilen Energien weltweit anprangert. Insgesamt hätten Regierungen im vergangenen Jahr 409 Milliarden US-Dollar ausgegeben, die dazu führten, dass der Ölpreis künstlich niedrig gehalten wird. Bis zum Jahr 2020 könnten sich die Subventionen sogar auf mehr als 660 Milliarden US-Dollar aufsummieren. Also mehr als eine halbe Billion US-Dollar!

Das größte Problem: Die Subventionen führen zu einer dramatischen Fehlentwicklung, weder sorgen sie für Arbeitsplätze noch Wirtschaftswachstum, so die IEA. Stattdessen führen sie zu Energieverschwendung  und gefährlichen Preisschwankungen:

„(…) that subsidies to fossil-fuel consumers often fail  to meet their intended objectives: alleviating energy poverty or promoting economic development, and instead create wasteful use of energy, contribute to price volatility by blurring market signals, encourage fuel smuggling and lower competitiveness of renewables and energy efficient technologies.“

Da kann man nur sagen: Weg damit! Oder kann mir jemand ein Pro-Subventionen-Argument liefern?

 

 

 

Vattenfall zögert bei CCS-Prestigeprojekt

An diesem Freitag wird der Bundesrat über das umstrittene CCS-Gesetz abstimmen. CCS steht für Carbon Capture and Storage – also die Abscheidung des Klimagases in Kraftwerken und anschließende Speicherung. CCS ist schwer umstritten, für die einen ist es eine pragmatische Lösung, um den Klimawandel in Griff zu bekommen, für die anderen nur ein Instrument, um Kohlekraftwerke weiterhin am Laufen zu halten.

Anfang Juli hatten Union und FDP das CCS-Gesetz, das den Einsatz der Technologie regelt, im Bundestag verabschiedet. Nach jahrelangem Gezerre mit den Bundesländern enthält es nun eine Länderklausel, die extrem umstritten ist. Die Bundesländer haben das Recht, auf ihrem Terrain CCS abzulehnen. Wegen heftiger Bürgerproteste haben Niedersachsen und Schleswig-Holstein dies bereits angekündigt.

Es ist eine argumentative Falle für CCS-Befürworter wie etwa Brandenburg. Denn was soll die dortige rot-rote Regierung unter Matthias Platzeck (SPD) ihren Wählern sagen: Schleswig-Holstein und Niedersachen sorgen sich mehr um das Wohl ihrer Bürger als Brandenburg? Aller Vorraussicht nach wird das Gesetz morgen im Bundesrat wohl abgelehnt und der Vermittlungsausschuss angerufen.

Für Vattenfall geht es am morgen Freitag um viel Geld – um mehr als 1,5 Milliarden Euro. Diese Summe will der Stromkonzern in ein Pilotprojekt am Braunkohlekraftwerk Jänschwalde investieren. Zwar dementierte Vattenfall heute auf Nachfrage von ZEIT ONLINE einen Bericht, nach dem man das CCS-Projekt absage. Allerdings hatte das Unternehmen bereits im Juli gewarnt, dass es unter den aktuellen Bedingungen des Gesetzes die Technologie nicht weiterverfolgen könne. Als einzige Unternehmen in Deutschland plant Vattenfall eine CCS-Pilotanlage im großen Stil. RWE hatte seine Pläne bereits vor Jahren aufgegeben.

Der Streit um CCS ist ein Streit um Fördermittel, Bürgerproteste und die Möglichkeiten der Landespolitik. Der Streit um CCS ist aber auch ein Ausblick, was uns in Zeiten des Klimawandels und der Energiewende noch alles erwarten wird.  Stromnetzausbau, Speicherbau, Energieeffizienz: Das alles sind Themen, die ebenfalls nicht konflikfrei über die Bühne gehen werden. Es wird Zeit, dass wir uns eine gescheite politische Streitkultur zulegen.