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Mehr Transparenz beim Atomausstieg

Haben Sie schon einmal vom Umweltinformationsgesetz gehört? Die Idee ist simpel: Wer etwas von einer Behörde wissen will, kann die Bekanntmachung der Daten verlangen, egal, ob es um geplante CCS-Felder (Kohlendioxid-Verpressung unter Tage) in der Nachbarschaft, EU-Subventionen für Landwirte oder Genmais-Verunreinigungen geht.

Greenpeace will jetzt per Umweltinformationsgesetz die Energiewende vorantreiben. Denn weiterhin hält sich das, sagen wir mal freundlich, „Gerücht“, dass es zu Blackouts kommen wird, wenn die Bundesregierung den Atomausstieg ernst meint und auch im Winter keine Atomkraftwerke am Netz sind. Die Umweltschutzorganisation hat bei der Bundesnetzagentur beantragt, Daten der Netzbetreiber zu veröffentlichen. Bislang verweigern die Netzbetreiber die vollständige Veröffentlichung und verweisen auf Geschäftsgeheimnisse. Eine unabhängige Überprüfung der Daten, welche die Netzbetreiber zur Verfügung stellen, gibt es bislang nicht. Ein sperriges, aber wichtiges Thema. Denn es bleibt weiterhin unklar, ob die Stromnetze tatsächlich schon kurz vor dem Kollaps stehen, oder ob diese Einschätzung den Netzbetreibern nur entgegenkommt, um den Atomausstieg zu verzögern.

Ich bin gespannt, wie die Bundesnetzagentur reagieren wird. In anderen Fällen wie etwa den EU-Subventionen für die Landwirtschaft, kam es am Ende zu einer Veröffentlichung – aber  meist erst nach jahrelangem juristischem Gezänk. Dabei drängt die Zeit. Denn in diesem Sommer sollte sich entscheiden, wie es mit den Kernkraftwerken weitergeht. Und die Entscheidung sollte auf einer Datengrundlage getroffen werden, die nicht nur einseitige Interessen widerspiegelt.

 

Londons ehrgeiziger Klimaschutz – mit Atomkraft

Berlin ist nicht allein. Themen wie  Energiewende, Ausbau der Erneuerbaren Energien  und die Reaktorsicherheit werden auch in anderen europäischen Metropolen derzeit heiß diskutiert. Unter anderem in London. Großbritannien hatte sich ja vor drei Jahren als erstes Land weltweit ein Klimaschutzgesetz gegeben, das vorschreibt, bis 2050 die CO2-Emissionen um 80 Prozent zu mindern. Nun wird es konkret. Bis 2025, also in nur 14 Jahren, will London die Klimagas-Emissionen halbiert haben. Kein anderes Industrieland hat sich bislang derart ehrgeizige Ziele gesetzt. Die Ankündigung des Ministers für Klimaschutz und Energie, Chris Huhne, war von heftigen Debatten begleitet. Wie die BBC berichtet, hatten die ambitionierten Pläne nur eine Chance, weil Greenpeace der Regierung mit einem Justizverfahren drohte, um die unrechtmäßige Einflussnahme seitens der Industrie zu untersuchen.

Wie sieht nun der britische Plan für die Energiewende aus? Im Unterschied zu Berlin setzt London weiterhin auf Atomkraft. Atom- und Ökostrom sollen jeweils auf einen Anteil von 40 Prozent am Strommix kommen, hat jüngst das Beratergremium Committee on Climate Change vorgeschlagen. Die deutschen Energiekonzerne RWE und E.on stehen bereits in den Startlöchern. Die Rivalen haben sich in Großbritannien zu dem Joint Venture Horizon Nuclear Power zusammengetan und hoffen auf den Bau von bis zu vier neuen Blöcken.

Energieminister Huhne lässt sich allerdings ein Hintertürchen offen. Die Regierung wolle die Atomkraft unter der Voraussetzung ausbauen, dass staatliche Subventionen nicht erforderlich seien, sagte er heute. Da kann man gespannt sein, wie das funktionieren soll…

 

Emissionshandel beschert Atomkonzernen Zusatzgewinne

Eigentlich – oder besser: theoretisch – ist der Emissionshandel ja eine feine Sache. Das Klimagas Kohlendioxid wird bepreist und jeder, der es produziert, muss  dafür Verschmutzungsrechte bezahlen. Doch die aktuelle Organisation des europäischen Emissionshandels führt zu zahlreichen unerwünschten Nebeneffekten.

Einer betrifft die Bilanzen der großen Energiekonzerne. Die konnten nämlich zwischen 2005 und 2012 zwischen 35,6 und 38 Milliarden Euro Mehreinnahmen verbuchen, hat jüngst das Ökoinstitut im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF berechnet. Wie das? In den ersten beiden Handelsperioden bekamen die Energieunternehmen die Zertifikate umsonst zugeteilt. Der CO2-Preis wurde aber aber gleich auf den Strompreis umgelegt, dieser stieg also an. Da aber die Produktionskosten für Strom aus Atomkraftwerken gleich blieben, nahm die Gewinnmarge der Atomkonzerne zu.

„Abkassieren und Jammern“ wirft der WWF den Stromunternehmen nun vor.  Er fordert eine Erhöhung der so genannten Atomsteuer, an der die Regierung bastelt. Diese soll  die Zusatzgewinne der Atomkonzerne abschöpfen  – und die Einnahmen hat Finanzminister Schäuble fest für seinen Haushalt verplant. Doch was aus der Kernbrennstoffsteuer in Zeiten nach Fukushima wird, ist noch völlig unklar. Offenbar überlegt die Bundesregierung sogar auch, sie zu kippen – ein Dankeschön an die Atomkonzerne für den geplanten Atomausstieg.

 

Energiewende konkret: Die Pläne der Bundesregierung

Gleich sechs Gesetzesvorhaben will die Regierung noch vor der Sommerpause auf den Weg bringen – na, dann mal ran! Hier ein guter Überblick von dpa:

Norbert Röttgen muss sich erst einmal von seinem Staatssekretär einen Zettel reichen lassen. Aus dem Stegreif kann auch der sonst so informationssichere Umweltminister nicht aufzählen, was da alles im Rahmen des Energiepakets am 6. Juni an Gesetzen vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.

«Die größte Überraschung», setzt er schmunzelnd an, sei sicher, dass ein neues Atomgesetz kommt. Dann folgt in seiner Aufzählung ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz, eine Reform des erst kürzlich angepassten Energiewirtschaftsgesetzes, ein neues Baugesetzbuch, eine Reform des Ökoenergiefonds, Neuerungen zur Kraft-Wärme-Koppelung und Eckpunkte für eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Und wäre das nicht genug, könnte auch die Mietrechtsreform von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in das Energiepaket aufgenommen werden. Das ist aber eher unrealistisch. Denn es ist umstritten, dass Mieter in der Zeit energetischer Gebäudesanierung für drei Monate keine Mietminderungen mehr geltend machen können, der Mieterbund geht dagegen auf die Barrikaden.

«Fast alles, was mit dem beschleunigten Ausbau regenerativer Energien zu tun hat, hat räumliche Auswirkungen. Das betrifft also das Planungs- und Baurecht», sagt Bauminister Peter Ramsauer (CSU). «Deswegen ziehen wir die Aspekte, die diesem Ziel dienen, aus der derzeit laufenden Novelle des Bauplanungsrechts vor.»

Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer warnt vor unausgegorenen Reformen und verweist auf das Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers Kohlendioxid. Dieses war zur Begleitung der Energiewende von der Regierung verabschiedet worden und beinhaltet wegen des Widerstands im Norden nun eine Länderausstiegsklausel. So können CO2-Speicherstätten torpediert werden. Zu diesem Gesetz sind wegen offener Fragen und strittiger Punkte über 50 Änderungsanträge im Bundesrat eingegangen, berichtet Krischer.

«Ich kann mich nicht erinnern, dass in einem solchen Tempo schon mal so ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht worden ist», sagt Krischer. Doch ob die Länder überall mitspielen? Beim Netzausbau sollen sie einer Bundesfachplanung zustimmen. «Damit entmachten sich die Länder ja selbst», sagt Verbraucherschützer Holger Krawinkel. Und Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) betont, es könne nicht nur um Offshore-Windkraft gehen. Bayern will nicht abhängig werden von Energielieferungen von der norddeutschen Küste und setzt daher auf heimische Energie aus Biogasanlagen seiner Landwirte, sowie auf Sonnenstrom und Windräder in heimischen Gefilden.

Was ist nun geplant? Ramsauer und Röttgen wollen einheitliche Kriterien für die Ausweisung von geeigneten Flächen für Windkraftanlagen in allen Bundesländern. Das Planungsrecht soll dafür angepasst und ein Leitfaden für die Kommunen vorlegt werden. Geplant ist der Austausch älterer Windräder durch neuere, leistungsstärkere. Zudem wird es um die künftigen Vergütungen gehen. Zum Ausbau der Anlagen auf See wurde beschlossen, Genehmigungsverfahren beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu bündeln. Bisher mussten bei unterschiedlichen Behörden in zeitraubenden Verfahren Genehmigungen besorgt werden.

Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, betont, dass bei den Gesetzen das Prinzip Qualität vor Zeit gelten sollte. «Am Ende muss ein Gesetz stehen, das den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreibt und so einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergieenergie Dass der Bundesumweltminister jetzt eine Kürzung der Vergütung für Windenergie an Land vornehmen will, steht diesem Ziel entgegen», sagt Albers.

Auch beim Thema Biomasse will die Regierung neue Pflöcke einschlagen, etwa durch eine Begrenzung der Maismenge, die verwendet werden darf, um eine «Vermaisung» der Landwirtschaft und steigende Lebensmittelpreise zu verhindern. Und dann ist da noch ein Problem, das auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Sorgen macht. Da wohl mehrere der 17 Meiler sofort stillgelegt und die Laufzeiten verkürzt werden, könnten Milliarden der AKW-Betreiber im Ökoenergiefonds und bei der Brennelementesteuer fehlen.

Daher muss auch hier ein neues Gesetz her, die Neuverhandlung der Zahlungen dürfte für die Regierung zu einer besonders komplizierten Operation werden. In Koalitionskreisen wird es für wahrscheinlich gehalten, dass die Atomsteuer wegen des Atomausstiegs gekippt wird, was Schäubles Sparziele über den Haufen werfen könnte. «Bei der Energiewende hängt alles mit allem zusammen», seufzt ein Koalitionär ermöglicht. Dass der Bundesumweltminister jetzt eine Kürzung der Vergütung für Wind an Land vornehmen will, steht diesem Ziel entgegen», sagt Albers.

 

Globalisierung verwässert Klimaschutz-Statistiken

Die Grundstruktur des Kyoto-Klimaschutzprotokolls ist ja eigentlich simpel: Es unterscheidet zwischen Industrienationen wie Deutschland, die sich zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen verpflichten, und Entwicklungsländern, die – aus Rücksicht auf ihr Wirtschaftswachstum – nicht daran teilnehmen müssen. Seitdem hat sich vor allem Europa eine ambitionierte Klimaschutzpolitik verordnet, um die CO2-Emissionen zu mindern.

Auf den ersten Blick könnten man meinen, es ist ein Erfolg: Zwischen 1990 und 2008 konnte in den Industrieländern der Emissionsanstieg gebremst werden. Doch das Kyoto-Protokoll hat eine entscheidende Lücke: Es geht nicht auf die Emissionen ein, die durch Waren entstehen, die in Entwicklungsländern produziert und anschließend importiert werden. Das führen die Klimawissenschaflter Glen Peters, Jan Minx, Christopher Weber und Ottmar Edenhofer in ihrer aktuellen Studie  „Growth in  emission transfer via international trade from 1990 to 2008“ aus:

„Der Konsum in Industrienationen verursachte einen Emissionsanstieg in Entwicklungsländern, welcher die bis 2008 erreichten Emissionseinsparungen in den Industrienationen um ein Fünffaches übersteigt.

„Wir begrenzen Emissionen bei uns, verursachen aber zugleich mehr CO2-Ausstoß in Regionen ohne Klimaschutzziele“, sagt Minx. Nur durch dieses Auslagern von Emissionen, so die Autoren, könnten die Industrieländer bislang ihre Klimaschutzziele mit vergleichsweise geringen Anstrengungen und trotz wachsenden Konsums erreichen.“

CO2 ist ein globales Klimagas, das sich an keine Ländergrenzen hält – entscheidend ist eben, wie die weltweite Klimagasbilanz aussieht. Und die sieht schlecht aus:  Zwischen 1990 und 2008 sind die Emissionen global um 39 Prozent gestiegen. Offenbar gibt es  enormen Zahlenbedarf. Denn bislang werden die CO2-Emissionen nur dem Land zugeschrieben und unter dem Protokoll erfasst, auf dessen Gebiet sie entstehen. Dabei wird immer öfter Produktion ins Ausland ausgelagert:

„Beispielsweise führt das niedrigere Lohnniveau in Entwicklungs- und Schwellenländern zu Produktionsverlagerungen aus Industrieländern.  (…)  So zeigt ein Vergleich der Europäischen Union und der USA: Nur in der EU gibt es verbindliche Regeln für Klimaschutz, trotzdem ist hier wie dort der Transfer von Emissionen durch Handel gleichermaßen gestiegen.“

Was tun? Leider bleibt die Studie hier relativ vage, die Autoren fordern, dass auf jeden Fall auch die Emisionen von importierten Gütern erfasst werden müssten. Aber das ändert nichts am Grundproblem des Kyoto-Protokolls: Die weltweiten größten CO2-Emittenten China und USA machen nicht mit.

 

Die Energiewende und ihre Kosten

Dieser Tage kursieren ja die verschiedensten Zahlen über die Kosten der Energiewende, also dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Einstieg in die Erneuerbaren. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von drei Milliarden Euro insgesamt, die Deutsche Energieagentur (dena) heute von einer Strompreissteigerung für Privathaushalte von etwa 20 Prozent, machmal ist auch von 70 Prozent die Rede. Drei Gedanken noch dazu:

– Was oft in Vergessenheit gerät: Wer auf Erneuerbare setzt, der spart sich den Import von Öl, Gas und Uran, um damit Energie zu erzeugen. Im vergangenen Jahr waren das insgesamt etwa 7,4 Milliarden Euro, schätzt der Bundesverband Erneuerbare Energien (pdf BEE-Jahreszahlen_2010).  (Ehrlicherweise muss man allerdings die Investitionen in erneuerbare Energien wiederum von den eingesparten Brennstoffimporten abziehen.)

– Dazu kommen noch die vermiedenen Umweltkosten – okay, ein ganz schön schwammiger Begriff. Aber klar ist, dass fossile Energieträger natürlich auch Schäden verursachen (Klimawandel, Waldsterben, Gesundheitsschäden). Eine grobe Schätzung des BEE geht von zusätzlich vermiedenen Kosten in Höhe von 8,3 Milliarden Euro in 2010 aus. Passend dazu auch die aktuelle Studie von Greenpeace Energy, welche die wahren Kosten von Atom- und Kohlestrom zu beziffern versucht und insbesondere auf die staatliche Förderung eingeht:

„So profitierte die Atomstromproduktion zwischen 1970 und 2010 von staatlichen Förderungen in Höhe von 186 Milliarden Euro. Der Steinkohle-Verstromung kamen 165 Milliarden Euro zugute, bei Braunkohle waren es 57 Milliarden Euro. Die erneuerbaren Energien erhielten im selben Zeitraum 28 Milliarden Euro, die Zusatzkosten des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) mit eingeschlossen.“

– Zwar fürchten die Energieversorger um die Gewinne aus den abgeschriebenen Meilern. Aber ob der Atomaustieg tatsächlich ein Minusgeschäft für sie wird? Die Financial Times Deutschland zitierte jüngst die Investmentbank Macquarie:

„Das höhere (Strom, die Red.)-Preisniveau verbessere die Marge der zunächst verbleibenden Kernreaktoren und des übrigen Kraftwerksparks von Eon und RWE so stark, dass eine vorzeitige schrittweise Schließung der Meiler bis etwa 2025 neutralisiert werde. „Letztlich sind die Auswirkungen auf die Gewinnschätzung und den fairen Aktienwert minimal“, so Matthias Heck von der Investmentbank Macquarie.“

 

Die Aschenbrödel-Wirtschaft: Wohlstand ohne Wachstum

Es ist ein Thema, das die Menschen offenbar bewegt: Der Saal der Grünen-nahen Böll-Stiftung in Berlin platze diese Woche bei der Präsentation des Buches  „Wohlstand ohne Wachstum – Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt“ aus allen Nähten.

Tim Jackson, Copyright: Sustainable Development Commission
Tim Jackson, Copyright: Sustainable Development Commission

Autor des Buches ist der britische Wirtschaftswissenschaftler Tim Jackson, Professor für Nachhaltige Entwicklung an der Universität Surrey.

Brauchen wir wirklich Wachstum, um Wohlstand zu erfahren? Jedes Quartal aufs Neue Wachstumsprognosen, noch mehr BIP-Prognosen? Jackson plädiert in seinem Buch, das jetzt erstmals auf Deutsch erschienen ist, für einen neuen Wohlstandsbegriff, der weniger auf materiellem Wohlstand beruht, sondern eher darauf, ein sinnerfülltes Leben zu führen – und zwar nicht zu Lasten der Umwelt.

Kaum überraschend, dass Jackson daher viel Zeit damit verbringt, an den Grundfesten unseres heutigen Wirtschaftssystems zu ruckeln. Es sind bekannte Streitpunkte, etwa die fehlende Aussagekraft des Wachstumsindikators Bruttoinlandsprodukt (BIP), der noch nicht einmal Effekte wie Umweltverschmutzung oder einfachste Dienstleistungen wie Hausarbeit betrachtet.

Es sind aber vor allem auch provokante Gedanken. Mit vielen Daten widerlegt etwa Jackson gekonnt den „Mythos Entkopplung“, den ja auch gerne deutsche Umweltpolitiker immer wieder beschwören. Er besagt, dass sich die Wirtschaftsleistung durch effizientes Wirtschaften vom Ressourcenverbrauch unabhängig machen kann. Auf den ersten Blick mag das stimmen, die globale Energieintensität sei etwa heute 33 Prozent niedriger als noch 1970, so Jackson. Betrachte man jedoch absolute Werte, dann falle auf, dass etwa die globalen CO2-Emissionen heute um fast 40 Prozent höher seien, als noch 1990. Jacksons Buch ist daher vor allem auch eine Konsumkritik.

Was aber wäre ein Wirtschaften, das nicht zu Lasten unserer Lebensgrundlagen und des Klimas geht? Jackson hat dafür den Begriff der Aschenbrödel-Wirtschaft geprägt („Cinderella-Economy“). Lokale Firmen, kommunale Energieprojekte, Bauernmärkte, Slow-Food-Genossenschaften, Büchereien. Noch fallen solche Projekte kaum ins Gewicht. Aber glaubt man Jackson, sind sie die Keime für ein neues, ressourcenschonenderes und umweltverträglicheres Wirtschaftssystem, das uns alle glücklicher machen könnte.

Ein spannendes Buch, das genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Denn spätestens seit der Finanzkrise – und vielleicht jetzt noch mehr nach dem AKW-Desaster in Japan – fragen sich viele Menschen, ob unsere derzeitige Art zu Wirtschaften die richtige ist.

Jetzt ist die Politik gefragt, Jackson entlässt sie nicht aus der Verantwortung. Denn sporadische Verzichts- und Entsagungsübungen des Einzelnen bringen nichts. Die Politik müsse die strukturellen Wachstumszwänge aufbrechen, fordert Jackson. Na, wie gut, dass alle Mitglieder der neuen Bundestags-Enquete-Komission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der sozialen Marktwirtschaft“ Jacksons Buch erhalten haben.

Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum – Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, oekom Verlag München, 19,95 Euro

 

Gebäudesanierung immer noch ein Minusgeschäft

Bessere Wände, isolierte Fenster, eine neue Heizung: Eigentlich ist klar, was mit den meisten Altbauten in Deutschland passieren sollte. Nicht nur aus Klimaschutzgründen ist eine Sanierung sinnvoll, auch der Geldbeutel freut sich. Schließlich sind in 2010 die Heizkosten teilweise um bis zu 40 Prozent gestiegen.

Die Crux ist nur: In den wenigsten Fällen lohnt sich eine Wärmedämmung. Vierzig Prozent der Hausbesitzer, die sich zu einer Sanierung durchringen, können anschließend keine höhere Miete verlangen, so das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie:

„Selbst in den Fällen, in denen Mieterhöhungen erfolgten, ist der Gewinn für Vermieter in der Regel überschaubar: Bei 86 Prozent der sanierten Objekte betrug die dadurch erzielte Rendite weniger als 5  Prozent. Das liegt zum einen daran, dass jede Wohnung und jedes Haus aufgrund des Baujahrs, der Bauart und Nutzung unterschiedlichen Modernisierungsbedarf aufweist. (…) Zum anderen gelingt es vielen Vermietern schlicht nicht, die Sanierungskosten in ausreichendem Maße auf die Mieter umzulegen.“

Die Studienmacher, die 1300 Sanierungsobjekte zusammen mit der KfW untersuchten, kommen zu dem Schluss, dass die Investitionen  in einigen Fällen sogar so hoch gewesen seien, dass Vermieter trotz einer starken (prozentualen) Mieterhöhung keine hohe Rendite erzielen konnten.

Das IW fordert daher bessere Förderprogramme auf Bundesebene, um Hausbesitzer überhaupt zum Sanieren zu bewegen. Wie passend, dass die KfW seit März ihre Fördertöpfe wieder aufgefüllt hat. Für´s Dämmen und den Austausch von Fenstern und Heizungen stehen nun wieder neue Gelder bereit.

 

Neue Zahlen zum Solarboom

Ich gestehe:  Auch ich verirre mich eher selten auf den Internetseiten der Bundesnetzagentur. Dabei hat die Bonner Behörde durchaus Spannendes aus der Grünen Geschäfte-Welt zu berichten. Heute veröffentlichte sie jüngste Zahlen zum Solarboom in Deutschland. Im vergangenen Jahr gingen demnach doppelt so viele neue Solaranlagen ins Netz wie noch 2009. Insgesamt wurden 7400 Megawatt Nennleistung neu installiert – das entspricht theoretisch (!) der Leistung von – grob gesagt – drei Atomkraftwerken.

Gerade die angekündigte Kürzung der EEG-Umlage sorgte für einen Run auf Solaranlagen – viele Solarfirmen verzeichneten ein kräftiges Umsatzplus.

Von dem Atomunglück in Japan profitieren sie übrigens auch. Egal, ob Solarworld, Q-Cells oder Solon: Sie alle legten vergangene Woche kräftige Kurssprünge hin, teilweise um mehr als 60 Prozent. Schließlich spekulieren Anleger darauf, dass Ökostrom-Unternehmen von einer politischen Energiewende weltweit profitieren werden.

Ob das allerdings tatsächlich so kommt, ist Kaffeesatzleserei. Denn statt radikal in den Ausbau regenerativer Energien zu investieren, könnten viele Regierungen auch einfach versucht sein, auf Kohle zu setzen.

 

EU präsentiert maue Klimaschutz-Strategie

Na, da hatte ich mir mehr erhofft: Heute hat die EU ihre Klimaschutzstrategie für das Jahr 2050 vorgestellt – und zurecht sind Umweltschutzverbände unzufrieden: Die EU hat es verpasst, das EU-Klimaschutzziel von bisher 20 Prozent auf mindestens 30 Prozent Treibhausgasreduktionen bis 2020 anzuheben. Auch von Verbindlichkeit ist leider vorerst keine Rede. Erst im Jahr 2013 will EU-Energiekommissar Günther Oettinger den Mitgliedsstaaten  ein rechtsverbindliches CO2-Reduktionsziel vorschlagen – eventuell. Zwei weitere vergeudete Jahre …