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„Mis-Shapes“

Indie-Sause mit dem altbekannten Motto „Schwul.lesbisch.scheißegal“: Wenn das Molotow seine Sommerpause beendet, geht in Hamburg die Sonne auf.

Was gäbe es Schöneres, als seine Sommerpause auf drei Floors zu beenden? Und das dazu noch mitten im Sommer! Der ist zwar bisher noch etwas schmal ausgefallen, aber vielleicht ändert sich das, wenn die poly-sexuelle Indie-Party Mis-Shapes unter dem altbekannten Motto Schwul.lebisch.scheißegal zum Tanz ins Molotow lädt. Den Club bespielen Martha Hari & Tanz.Indie.Nacht mit Indie, Pop und Elektro. Im entspannten Molotow-Backyard, der anstelle der SkyBar als dritter Floor geöffnet wird, heißt die Losung Beats, Bass & Beach Tunes, ausgegeben von Johannes D. Täufer, der die Badegäste am Clubstrand in Tropical Disco, Chillwave und Deep House taucht. Im Karatekeller geht es derweil etwas zünftiger zu, wenn Das_K von Special Needs das Haus rockt. Ein runder Abend!

Text: Ole Masch

 

Mungal Patasar and Pantar

Indien und die Karibik sind eine ganz wunderbare musikalische Einheit. Glaubt ihr nicht? Dann hört euch diese Band live an.

Und da denkt sich unsereins, die Karibik könnte nicht weiter weg sein von Indien und doch hat die indische Diaspora auch dort ihre Spuren hinterlassen. Mal ganz von der spicy Küche abgesehen, wurde auch viel Kultur übermittelt. Und ob ihr es glaubt oder nicht, das hört man bis heute in der urbanen Popmusik. Soca ist Anfang der 1970er in Trinidad und Tobago aus Calypso, Soul, Funk und, ja, indischen Instrumenten wie Dholak, Tabla und Dhantal entstanden. Besonders indisch wird’s dann bei der Unterart Chutney Soca und selbst traditionelle Musik aus dem südasiatischen Land wird von der Gemeinschaft weiter mit karibischen Klängen vermengt. Allen voran machen das Mungal Patasar und Pantar. Der Starvirtuose und seine neunköpfige Band spielen seit 1994 diese einzigartige Symbiose zweier Musikkulturen. Und wenn Steel Drum auf Tabla trifft, dann heißen die Songs auch schon mal Ol‘ Lady und Dreadlocks. Live zu hören auf der MS Stubnitz.

Text: Andra Wöllert

 

Barry Burns (Mogwai)

Wenn Künstler Douglas Gordon ruft, kommen sie alle – oder in dem Fall Barry Burns von Mogwai zu seiner Aftershowparty.

Douglas Gordon ist eigentlich Video- und Installationskünstler. Für das Stück Bound To Hurt handelt er emotionale Ausnahmezustände auf der Bühne ab – und nimmt sich vor allen Popsongs zur Hilfe. Carole King über Jacques Brel bis Madonna werden in surreale Gewaltfantasien übersetzt. Die Aftershowparty zur Premiere am 6. August wird deutlich beschwingter, obwohl oder gerade weil sich Gordon seinen DJ für den Abend selbst ausgewählt hat. Barry Burns, hauptberuflich Mitglied von Mogwai, die wiederum eine der progressivsten Post-Rock-Bands unseres Planeten darstellen. Barry Burns mixt seine Leidenschaft für Indie mit Dancefloor-Beats. Unterstützt wird er von einer hauseigenen Wuchtbrumme. Tanzgelüste statt Gewaltfantasien!

Text: Andra Wöllert

 

„Las Insoladas – Sonnenstiche“

Die argentinische Sommerkomödie im 3001 spielt mit Licht und Schatten – sowohl optisch als auch seelisch – und verführt zum Träumen.

Der Blick von einem Hochhausdach auf Buenos Aires lässt wenig Raum für Sehnsucht: Graue Gemäuer stehen dicht an dicht. Die Sicht ist versperrt. Wäre da nicht die Sonne … In dem Film Las Insoladas – Sonnenstiche kündigt sich diese an einem argentinischen Sommertag im Jahr 1995 zunächst als sanfte Verführerin an. In den frühen Morgenstunden leckt sie erst vorsichtig am Beton und breitet sich dann immer mehr aus. Bald ist die sonst so sterile Kulisse in goldenes, verheißungsvolles Licht getaucht. Mittendrin: sechs Freundinnen im Bikini. Valeria, Karina, Lala, Flor, Vicky und Sol gönnen sich kurz vor einem entscheidenden Auftritt mit ihrer Salsa-Gruppe eine kleine Auszeit auf dem Dach. Während sie sich auf dem heißen Stein räkeln, sich gegenseitig die Nägel lackieren, die Sonnenbrillen zurechtrücken, Sekt trinken, kiffen, dösen, tanzen und einander aus ihrem Leben erzählen, verstreicht der Tag und die Stadt heizt sich immer mehr auf. Gegen Nachmittag ist der Einfluss der Sonne nicht mehr sanft, sondern stechend. Sie steigt zu Kopf und lässt die Gemüter kochen. Verdrängtes und Schmerzliches kommt zum Vorschein und eine Gemeinsamkeit der sonst sehr unterschiedlichen Frauen. Welche das sind, erfährt man in dem Film von Gustavo Taretto ab Donnerstag im 3001 Kino.

Text: Katharina Manzke

 

„Rausch – La Versione Italiana da Giancarlo“

Der Rausch beim vergangenen Sommerfestival war einfach zu schön, um ihn jetzt nicht zu wiederholen – in der italienischen Version.

Im Avant-Garten gab es während des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel im letzten Jahr ein rauschendes Fest. Songs über Liebe, Drogen und Alkohol wurden gesungen. Gerade findet das Sommerfestival statt und alle lechzen nach einem neuen Rausch. Der zieht dieses Mal in das Hinterzimmer des italienischen Restaurants Il Pavone gleich gegenüber vom Kunstzentrum und heißt im Untertitel passenderweise La Versione Italiana da Giancarlo. Und so geht es dieses Mal um Amore, Vino und Fernweh. Nur die Protagonisten bleiben. Es singt der Frontmann der Hamburger Band Selig, Jan Plewka. Es spielt Leo Schmidthals, Bassist von Selig, der als Komponist aber noch viele andere Instrumente drauf hat. Und es inszeniert Regisseur Tom Stromberg, der mit Plewka unter anderem den Konzertabend Sound of Silence aufführte. Wer Giancarlo jetzt genau ist, bleibt unbekannt. Vielleicht erklärt sich das aber im Rausch.

Text: Andra Wöllert

 

„Danger Dave“

Ein Leben, von dem viele träumen, einfach machen, drauf los skaten und feiern. Doch was macht ein Skate-Hero, wenn er auf die 40 zugeht?

„Lebe wild und gefährlich!“ Das war immer das Motto des französischen Profi-Skaters David Martelleur. Viele Freundschaften hat er dabei geknüpft, alles mitgemacht, selber angezettelt, Ärger mit der Justiz gehabt. Nun aber geht Underground-Hero Danger Dave auf die 40 zu und der chaotische Alltag aus Betonpisten, Partys und verwandten Genüssen hat seine Spuren hinterlassen. Fünf Jahre lang hat der Regisseur Philippe Petit den legendären Skater-Star auf seinen letzten Dienstreisen durch Europa, Asien und die USA begleitet, einen Mann, der auch als Waldschrat nicht klein beigibt: „Das ist nicht das Ende, Mann. The end is a long time away.“ Ein Charakterporträt nicht nur eines Mannes, der sein Leben außerhalb der gesellschaftsdiktierten Norm lebt, sondern auch der ganzen Skateszene. Zu sehen gibt’s die Hommage draußen – im Hof des Rathauses Altona beim Zeise Open Air.

Text: Andra Wöllert

 

„Der Prozess“

Die pure Wucht des Originals: Das Bucerius Kunst Forum präsentiert in seiner Reihe „Große Romane der Weltliteratur“ Franz Kafka.

Keine Scheu vor dem Bekannten, dem Vielgehörten, so könnte der Leitspruch der Lesereihe im Bucerius Kunst Forum lauten. Warum nicht die Meister ganz ohne adaptive Verschnörkelungen, ohne Einbettung in den Zeitgeist einfach mal mit der puren Wucht des Originals sprechen lassen? Damit lassen sich zuweilen die versiertesten Kultursnobs überrumpeln. So wie man bei Freunden vielleicht ganz zufällig Jimi Hendrix hört (zu Hause hat man ihn seit Jahrzehnten nicht aus dem Schrank geholt) und plötzlich denkt: Was für eine geniale Kraft das doch hat! Ein wahres Schwergewicht der Literatur wird an diesem Abend aus dem Schrank geholt; auf dem Programm steht Franz Kafkas Der Prozess, serviert von Christian Brückner und fachkundig kommentiert von Hanjo Kesting – auch sie Klassiker, gewissermaßen.

Text: Nik Antoniadis

 

„Time Is Illmatic“

„My people be projects or jail, never Harvard or Yale“: Das Zeise Open Air Kino zeigt die Doku über Nas‘ bahnbrechendes Debütalbum.

Nach über 20 Jahren, einem Sequel-Album (Stillmatic), einem Re-Issue des Original-Albums, einem Buch und ungezählten Artikeln über dieses Jahrhundertalbum, diesen Meilenstein des East-Coast-Hip-Hop: Was könnte es da geben, das noch nicht erzählt ist? One9’s Doku konzentriert sich auf die Biografie, auf das Leben von Nasir Jones von seiner Kindheit in den Housing Projects von Queensbridge, New York bis zur Produktion seines inzwischen legendären Debütalbums Illmatic, die er im zarten Alter von 19 Jahren begann. Eine Aufnahme, die 20 Jahre Leben in 40 Minuten Hip-Hop konzentriert. Aber neben den außergewöhnlichen poetischen Rap-Fähigkeiten von Nas ist der Film, der beim Zeise Open Air läuft, vor allem so sehenswert, weil er diese Zeit einfängt, in der er auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft war. Eine Zeit, in der er so gute Raps reimte, dass er auch heute, mit über 40, immer noch Songs performt, die er als Teenager geschrieben hat. Und die, wenn er sich von seinem Chauffeur zum Goldschmied fahren lässt, die Erinnerung daran wach halten, wo er herkommt: „My people be projects or jail, never Harvard or Yale“.

Text: Nik Antoniadis

 

„Poltergeist“

Nichts geht über das Original: Das Savoy zeigt zum Abschluss seiner Filmreihe „Summer of Spielberg“ den modernen Spukklassiker in der Originalfassung.

Wer erinnert sich noch an diesen Dialog? „Morgen werde ich jemanden anrufen“, sagt er. Und sie: „Ach ja? Wen zum Beispiel? Ich habe schon in den Gelben Seiten nachgesehen. Es gibt Möbelpacker; aber für ‚merkwürdige Phänomene‘ gibt es da keinen Eintrag.“ Zugegeben, es ist ein bisschen her. So lange, dass die Gelben Seiten noch nicht zu den merkwürdigen Phänomenen gehörten, die dem Ehepaar Freeling Kopfzerbrechen bereiteten. Es ist ein Klassiker der Filmgeschichte, geschrieben von einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der Filmgeschichte. Zum Abschluss der Reihe Summer of Spielberg zeigt das Savoy Kino die moderne Spukgeschichte um die Neubausiedlung auf dem Indianerfriedhof und die „Fernsehleute“, die die kleine Carol Anne zu sich holen, in der englischen Originalfassung. Und wer sich das Remake von 2015 angeschaut hat, wird auch in diesem Fall feststellen: Nichts geht über das Original.

Text: Nik Antoniadis

 

Ogoya Nengo & The Dodo Women’s Group

Begabt, aber teuer: Auf der MS Stubnitz beweist die kenianische Sängerin, dass lediglich der erste Teil ihres Namens richtig ist.

Ihre großartige Stimme wurde entdeckt, als sie Kühe hütete; wenn sie sang, erhoben sich Häuptlinge und Krieger, um zu tanzen. Bald legte sich Anastasia Oluoch Akumu einen Künstlernamen zu, Ogoya Nengo, dem Vernehmen nach eine Referenz an den Magoya-Clan, dem sie angehört, aber auch an die beachtlichen Honorare, die sie verlangte und die sie als teuerste Dodo-Dängerin weit und breit identifizierten. Nengo heißt, vertraut man den Internet-Experten der Luo-Sprache, so viel wie „Preis“; andere, die dieser Sprache mächtig sind, übersetzen ihren Bühnennamen schlichtweg mit „die Begabte“. Man liegt aber wohl immer richtig, wenn man feststellt, dass es Ogoya Nengo nicht an Selbstbewusstsein mangelt. Zusammen mit den Dodo-Frauen hält sie ein im Aussterben begriffenes musikalisches Genre am Leben, Dodo. Manchen gilt diese Musik als eine Art von gesungener Sozialkritik, andere verorten sie eher als derbe Unterhaltung bei Hochzeiten, Trinkgelagen und Ringkrämpfen. Aber auch jene, die nicht fließend Luo sprechen, können sich auf einen sensationellen Abend auf der Stubnitz freuen. Eingeleitet wird er von dem Hamburger Musiker Sven Kacirek, der schon 2009 mit Unterstützung des Goethe-Instituts in Nairobi durch Kenia reiste, um traditionelle Musiker aufzuzeichnen. Nach seinem Solo-Konzert folgt Ogoya Nengo samt Band, und wer danach immer noch mehr will, kann sich ab 23 Uhr auf DJ George Odhiambo freuen.

Text: Nik Antoniadis