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Kegeln im John Lemon

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es am Sonntag regnet: Die Freizeitsportart Kegeln erlebt ein Revival – und das aus gutem Grund.

Der Hamburger Sommer ist nicht grade dafür bekannt, dass man ihm stets im luftigen Kleidchen oder Muskelshirt – oder was auch immer Menschen bei hohen Temperaturen anziehen – begegnen kann. Manchmal lädt er dank Regen geradezu zum Drinnenbleiben ein. Wie wäre es dann aber damit, nicht in der eigenen unaufgeräumten Wohnung zu verweilen, sondern sich trotzdem sportlich zu betätigen? Im John Lemon zum Beispiel. Da kann unsereins nämlich nicht nur Bier oder Käffchen trinken, sondern vor allem Kegeln bzw. Kegeln lernen. Fangen wir doch damit an, dass Kegeln nicht das mit den Löchern in der Kugel ist. Das ist Bowling. Aber auch bei diesem Freizeitsport muss die Kugel präzise über eine Bahn geschwungen werden, um am anderen Ende neun Kegel umzuwerfen. Die Profis kegeln auch wahlweise einen „Tannenbaum“ um oder niedrige Hausnummern. Wer einmal den Dreh raus hat, wird kreativ und vielleicht sogar süchtig. Die Chancen stehen jedenfalls gut, dass das nicht der letzte Besuch und das letzte Spiel im John Lemon waren.

Text: Andra Wöllert

 

Imkertag

Sich ein Bienenvolk auf dem Balkon zu halten, ist klüger als es klingt. Warum, erklärt dieser Text und der Imkertag im Museum Kiekeberg.

Bello oder Muschi würden zu viele Haare in der Wohnung verteilen und wenn möglich, sollte man jeden Tag vom Aussterben bedrohten Tierarten helfen? Es gibt da etwas, das das Herz des einen oder anderen Großstädters mit gleichem oder ähnlichem Gedankengut höher hüpfen lässt: „Urban beekeeping“ auf der wohnungseigenen Dachterrasse. Die bedrohten Bienen finden die Stadt nämlich gar nicht so lebensfeindlich, wie der Mensch erst mal glaubt. Angeblich ernten Stadtimker sogar deutlich mehr Honig als Landimker. Parks, Wiesen und Gärten sei Dank. Was man beim Imkern beachten muss, sollte dennoch gelernt sein – und hier kommt eine wunderbare Gelegenheit dazu: Im Freilichtmuseum Kiekeberg ist am Sonntag Imkertag. Wie entsteht der Honig in den Bienenstöcken, wie kommt er dort heraus und welche Geräte benötigt der Imker, um den Honig weiter zu verarbeiten? All diese Fragen beantworten die Museumsimker und andere Experten in Vorträgen, Mitmach-Aktionen und Vorführungen, die für Jung und Alt geeignet sind. Wer dann nicht für das neue, alte Hobby gewappnet ist… Also: Ran an das flüssige Gold – nach dem Imkertag.

Text: Andra Wöllert

 

Symfotronik Open Air

Wie, bei den Open Airs in Hamburg läuft doch überall die gleiche Musik? Auf dieses Event trifft das sicher nicht zu.

Im Grunde haben wir alles diesen Sommer schon mal bei Open Airs gehört: House, Techno, HipHop und alle möglichen Spielarten dazwischen. Ein Freiluftevent schickt sich jetzt aber an, uns musikalisch etwas Neues zu bieten. Die Symfotronik verbindet – drei Mal dürft ihr raten – elektronische mit klassischer Musik. Omis und Opis, die sonst gerne in Philharmonien abhängen, sind sicher willkommen, aber eigentlich soll das Event eher junge Partygänger ansprechen, die Bock haben auf einen gediegenen Sonntagabend mit bestens kuratiertem, atmosphärischem Klassikelectro oder auch Electroklassik. Okay, wir wissen nicht, wie wir es nennen sollten, dafür aber die Künstler selbst: Electroacustic, Indi-Post Classical oder Experimental heißen die Stile, die uns von Sekuoia aus Kopenhagen, Carlos Cipa aus München, dem Berliner Sebastian Plano oder den Grandbrothers aus Düsseldorf für unsere musikaffinen Gehörgänge kredenzt werden – mal hinterm Piano, mal hinterm Plattenteller oder beidem. Und wen das jetzt alles noch nicht überzeugt hat: Die Symfotronik ist neben Butterland, dem Kampf der Künste oder dem Vogelball Teil der MS Artville, die wiederum die Vorhut zum MS Dockville-Festival darstellt. Alles gute Adressen – genau wie die Symfotronik eben.

Text: Andra Wöllert

 

„Die analoge Achterbahn“

Drastische Darstellungen von Doktorspielen: Manuel Francescon kommt zu einer ganz besonderen Filmvorführung ins B-Movie.

Für den ungebildeten Laien des digitalen Zeitalters sieht das Ding aus wie ein sehr alter Föhn. Und das wahrscheinlichste, das ihm zu Namen wie Bauer T610 oder Braun Nizo 801 in den Sinn kommt, ist vielleicht ein obskures Rasierer-Modell oder ein Spähpanzer aus der DDR. Was Manuel Francescon leidenschaftlich sammelt und ebenso leidenschaftlich verwendet, ist tatsächlich ein Fossil des analogen Neolithikums: eine Super8-Kamera. Seit er in seiner späten Jugend eine auf dem Flohmarkt erstand und sogleich seinen ersten Film drehte (Zahnpasta des Grauens), hat ihn die Nerdwut nicht mehr losgelassen. Heute kann er auf eine beachtliche Super8-Filmografie zurückschauen, darunter Blockbuster wie Freax, Freax II und (überrascht?) Freax III, eine erschütternde Trilogie über Sex, Gewalt, Mundgeruch und jede Art von Körperflüssigkeit, ein ekelerregend komische Reise zu den Deponien des deutschen TV-Sondermülls. Sein neuestes Werk, das er persönlich mit ins B-Movie bringt, sind satirische Super8-Filme „aus dem analogen Grab“. Aufgrund „drastischer Darstellungen von Doktorspielen“ und „unflätiger Gossensprache“ unterliegt die Filmvorführung strengstem Jugendverbot. Also, Ausweis nicht vergessen!

Text: Nik Antoniadis

 

Rabatz Open Air

Elektrisch, aber anders: Das beschauliche Landhaus Walter im Hamburger Stadtpark mutiert von der Bluesbühne zum House-Dancefloor. 

Was ist passiert? Eigentlich sehen wir im Landhaus Walter regelmäßig Holzfällerhemden und Lederwesten, gerne auch kräftige Kerls, die seit 40 Jahren Pferdeschwanz tragen und beim Klang von Worten wie Gibson Les Paul und Dobro feuchte Augen kriegen. Wenn am Samstag zum zweiten Mal in Folge das Rabatz Open Air an den Start geht, werden sich die meisten von ihnen vermutlich ebenfalls die feuchten Äuglein reiben, aber nicht bei allen Stammgästen werden es Freudentränen sein. Die einzige musikalische Schnittmenge zwischen dem üblichen geliebten ehrlichen Bluesrock und dem samstäglichen Freiluft-Rabatz ist nämlich: Elektrisch. Allerdings weniger im Sinne von E-Gitarre, sondern eher im Sinne von Elektro. Im Sinne von Matthias Koehl alias Bratenschneider, Timo Maas und dem Brasilianer Victor Ruiz, die zusammen mit Dick Himself, Switchbox, Mike Peppel, HEADtoTOE, Daniel Bruns und Hotzpod an den Decks alles raushauen, was die Party-Crowd im Stadtpark zum schwingen bringt.

Text: Nik Antoniadis

 

PowerPoint Karaoke

Albtraum oder Freizeitgestaltung: Im Molotow können alle, die sich trauen, ihr Improvisationstalent an vollkommen unbekannten Charts testen.

Ihr redet gerne über Dinge, von denen ihr keine Ahnung habt? Vor Leuten, die auch keine Ahnung haben? Dann ist die PowerPoint Karaoke im Molotow eine Pflichtveranstaltung. Möchtegern-Meteorologen, gedemütigte Werbefachleute oder auch zwanghafte Selbstdarsteller sind herzlich aufgefordert, sich durch Reihen unbekannter Charts zu clicken und ihre Zuhörer irgendwie glauben zu lassen, sie seien vollkommen Herr der Lage. Was jeden Büroangestellten dazu brächte, Blut und Wasser zu schwitzen, ist im Molotow zur festen Institution geworden. Mit garantiertem Kündigungsschutz. Einige Eindrücke gibt das untenstehende Video der Deutschen Meisterschaft in Köln.

Wer danach noch nicht genug hat, kann ab 23 Uhr den allsamstäglichen Motorbooty! Rock’n’Roll Dancefloor entern und seinen Improvisationserfolg zu DJ Starry Eyes und Michi gebührend abfeiern.

Text: Nik Antoniadis

 

Friends Alster

Rundherum Wasser und jede Menge Eiweiß: Das neue Sushi-Boot Friends Alster lädt zur Eröffnungsfeier auf die Binnenalster.

Wo könnte man Fisch besser essen als auf einem Boot? Haben sich die Erfinder von Friends Alster gedacht und das neueste Baby von Sushi for Friends am Ballindamm festgemacht. Die Küche ist zwar schon seit ein paar Tagen offen, aber so richtig offiziell ist es noch nicht. Um die Eröffnung an der Binnenalster angemessen zu feiern, lädt das Team (Foto) zur Grand Opening Party – nicht nur zum Anleger am Ballindamm, sondern ab 22 Uhr auch im Golden Cut in St. Georg. Weil das Flanieren zwischen beiden Locations mit voranschreitendem Abend mühselig werden kann – besonders da in beiden Läden Sushi, Sekt und andere Glücklichmacher warten – steht ein Shuttle Bus für Pendler bereit. Um die Sache rund zu machen, servieren Kai Schwarz und Bruno Verdugo von den Decks die nötigen Vibes, damit man bei so viel Eiweiß auch mal auf andere Gedanken kommt.

Text: Nik Antoniadis

 

MS Artville

Salz, Brot und Beats: Zum Richtfest tischt die Wilhelmsburger Kunststadt erlesene künstlerische und musikalische Leckerbissen auf.

Natur, Sommer, Wiese, gute Musik, nette Leute und auch noch was fürs Auge. Zum fünften Mal wird das MS Artville auf der Elbinsel errichtet. Die Wilhelmsburger Kunststadt ist hungrigen Großstadtgeistern Inspirationsquelle, Hort der Entspannung und hemmungsloser Feierei. Los geht’s zwar eigentlich schon mit der Sonnenfeste (5.7.), der offizielle Opener ist aber das Richtfest am 25.7. Zu diesem Anlass wollen es die Artville-Stadtväter so richtig krachen lassen: Das Musikressort übernehmen die DJanes Meggy und Ratkat sowie Tilman Tausendfreund und Beykin. Außerdem parkt das Rap-Mobil Easy Kisi wieder auf dem Gelände, diesmal mit Zwegatmann und PHABSPIN am Steuer. Die Stadt selbst wird errichtet von bildenden Künstlern wie Darko Caramello, den Ghostbastlers feat. Kienast und Kienast (die eine Art Würfeldorf bauen), Zipper and the Corner mit „From Beer to Fame“ (muss man mehr sagen?) oder Konstanze Habermann und Adelaida Cue-Bär, die in einem verlassenen Wohnwagen die fantastische Geschichte des Browsky Palace erzählen. Zum Richtfest sind also reichlich Bauherren, Architekten und Musikanten geladen, Salz und Brot ist ebenfalls da, und wenn das Wetter mitspielt, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

 

Hafengrün Festival

Elektro-infizierte, extrem peacige Piratenparty: Der Neuhöfer Strand wird drei Tage lang Dancefloor und Chillzone.

„Tanzen, schunkeln, lachen und Spaß haben unter freiem Himmel“. Die Ansage der Veranstalter klingt weniger nach Elektro-Party, sondern mehr nach gepflegtem Kaffeekränzchen auf dem sonnigen Barkassentörn. Ist es aber nicht. Zur vierten Auflage des Hafengrün Open-Air Festivals wird ein ganz amtliches Line-up von Housemeistern und Sounddealern aufgefahren. Drei Tage lang verwandeln sie das alte Werftgelände am Neuhöfer Strand in eine Elektro-infizierte, extrem peacige Piratenbucht. Lötkolben und Schweißerbrille könnt ihr getrost zu Hause lassen. Stattdessen gibt’s Cocktails, Sand zwischen den Zehen und Shanties in den Ohren, zum Ausspannen Chill-Oasen, Palmen inklusive. Damit es am Ende nicht allzu piratenmäßig abgeht, darf das Festival in diesem Jahr auch wieder ganz legal die Nacht durchfeiern.

Text: Nik Antoniadis

 

„Calligraffiti Ambassadors“

Kalligrafie mit Großstadt-Attitüde: Die Affenfaust Galerie präsentiert in ihren neuen Räumen die Streetart-Arbeiten von 25 zeichnenden Künstlern.

Es gibt eine Art natürliche Verwandtschaft zwischen den beiden: Wenn Kalligrafie die Kunst des schönen Schreibens ist, dann ist Graffiti gewissermaßen eine Unterkategorie der Kalligrafie. Offiziell anerkannt wurde dieses familiäre Verhältnis im Jahr 2007 von Niels Meulman. Der Niederländer, der als Sprayer mit seinem Tag Shoe einige Bekanntheit erlangt hatte, organisierte damals in Amsterdam eine Ausstellung mit dem vielversprechenden Titel Calligraffiti. Dass Graffiti mehr ist als das Besprühen von S-Bahnwänden und Fußgängertunneln, ist ja schon lange klar; aber nach dieser Ausstellung wusste nun auch jeder, dass Kalligrafie durchaus mehr zu bieten hat, als sich in einem Volkshochschulkurs lernen lässt. Als traditionelle Handschrift mit Großstadt-Attitüde ist Calligraffiti inzwischen weltweit praktizierte Kunstform. Erst im vergangenen Frühjahr hat Shoe 25 Künstler aus aller Welt zu Botschaftern dieser Street Art gekürt. Auf Initiative des Hamburger Kalligrafen Jan Koke wurden diese Calligraffiti Ambassadors nun in der Affenfaust Galerie zu einer Gruppenausstellung zusammengeführt.

Text: Nik Antoniadis