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Das Leben…

…nach dem Tod am Meer: In seiner Film-Doku porträtiert Martin Rieck verschiedene Bestatter in Husum.

Anna und Philipp sind dreißig und übernehmen ein traditionsreiches Bestattungshaus in Husum. Dafür sind sie aus Hamburg in das beschauliche Küstenstädtchen an der Nordsee gezogen. Er ist gelernter Bestatter, sie hat vorher noch nie einen Leichnam gesehen. Nun sind sie das Bestatterpaar vor Ort und sehen sich den Rollenerwartungen ihres neuen provinziellen Umfeldes ausgesetzt: Makelloses Auftreten, pausenlose Erreichbarkeit rund um die Uhr – und bloß keine Experimente. Tod und Trauer sollen so sein, wie sie immer waren. Der Film taucht über Monate in den Alltag von Anna und Philipp ein, der von Andacht, Respekt, aber auch Humor und nicht wenigen skurrilen Momenten geprägt ist. Bei ihrem täglichen Business mit der Pietät – der Akquise, Aufbereitung und Aufbahrung von Leichen –, und bei ihrem täglichen Überlebenskampf. Denn die beiden müssen sich als Unternehmer erst finden und sich als die Neuen auf einem alten Markt etablieren. Ein Film über das Leben mit dem Leben nach dem Tod und die Fragen: Wie viele Tote braucht ein Bestatter, um über die Runden zu kommen? Und wie viel Tod und Totenstille hält eine Beziehung aus? Martin Rieck wird anwesend sein.

 

Old School

In der „Alten Schule“ treffen Kindergarten- und Schulkinder von heute auf die Schulkinder aus den 1950er Jahren – vom 26. bis zum 29. März auf Kampnagel.

Auch Theatermacher erkunden verstärkt die Ängste, Krisen und Möglichkeiten des Lebens im Alter. Mit dem mittlerweile zweiten Themenschwerpunkt Old School auf Kampnagel wird nicht nur über das Alter gesprochen: Die älteren Damen und Herren stehen als Protagonisten, Erzähler und sogenannte „Alltagsexperten“ selbst auf der Bühne. Der Regiestudent der Theaterakademie Hamburg Ron Zimmering inszeniert King Lear als Demenzkranken und zieht Parallelen zwischen Lear und seiner eigenen Großmutter, die ihre Krankheit in losen Aufzeichnungen dokumentierte. Zimmering und sechs Laiendarsteller des Bergedorfer „Haus im Park“ sezieren in King Lear das Chaos des Vergessens, kämpfen durch Generationenkonflikte und fragen: Was bleibt von der eigenen Persönlichkeit, wenn Erinnerungen und Sprache einem entgleiten? Beim Old School treten die Omas und Opas nicht isoliert auf, sondern immer auch im Verhältnis zu jüngeren Generationen oder anderen Gruppen. So bringt die Künstlergruppe LIGNA Senioren und Menschen mit Behinderung zusammen. In Der Wert meines Lebens fragen sie sich, nach welchen Regeln und Wertvorstellungen sie leben und suchen nach einem körperlichen Ausdruck eigener Wünsche. Mit subversiver Energie geht es in der Performance Verschwende deine Rente zu, einem Senioren-Casino mit Black Jack, Bingo und Bier.

Text: Natalia Sadovnik

 

Tom Lüneburger

„Berlins schönste traurige Stimme“ ab März wieder auf Tour und am 26. im Knust – zum ersten Mal mit eigener Band.

Head Orchestra heißt das neue Album, zu dem Tom Lüneburger sagt: „Kopfkino. Der immerwährende Film im Kopf. Das ewig spielende Orchester der Gedanken. Wohin mit all dem Getöse? Ab ins Studio und raus damit. Meine Songs entstehen sehr reduziert und oft höre ich das Orchester dazu. Diesmal sollte es mitspielen“. Das Thema des Albums Head Orchestra ist Verlust. Es geht um die Auseinandersetzung mit Angst und Schmerz, dem wandeln auf dem schmalen Grat zwischen wehmütiger Melancholie und völliger Verzweiflung. Wenn alles zu viel wird. Über die Konfrontation mit Situationen und Geschehnissen, die kaum auszuhalten sind, die die eigene Kraft übersteigen, und am Ende die stets immergleiche Frage aufwerfen: Was bleibt? Es geht um loslassen, neu anfangen und die Suche nach dem ganz eigenen Weg. Aufgeben ist keine Option. Niemals.

 

Glass Animals

Das britische Quartett entführt sein Publikum in einen mysteriösen Sound-Dschungel – am 25. März im (bereits ausverkauften) Molotow.

Willkommen im Sound-Dschungel von Glass Animals! Wenn das Quartett aus Oxford zu musizieren anfängt, ist das ein bisschen so, als öffne sich die Tür zu einer fremden Welt für einen. Man ahnt schon, was da alles auf einen wartet, aber ganz einfach ist es nicht, sich durch das mal eng bewachsene, mal sonnendurchflutete Klangdickicht zu kämpfen, das sich da vor einem auftut. Also macht man sich vorsichtigen Schrittes auf und wagt sich immer tiefer vor, bis man auf einmal umgeben ist von wunderschönen und doch auch mysteriösen Melodien, die ihren Ursprung in den verschiedensten Genres haben: R ’n’ B, Soul, Electronica, Pop, Indierock … Aber keine Angst: Sich zu verlaufen ist bei den Songs ihres Debüts Zaba so gut wie unmöglich. Am Ende wartet die Band immer irgendwo in der Ferne, um einen mit offenen Armen zu empfangen.

 

Lesen und stöhnen

Rainer Moritz, Stephan Schad und Anne Weger präsentieren die Ergebnisse ihrer literarischen Stellensuche in Sachen „Schlechter Sex“.

Nein, über Sex redet man nicht – weder über guten, denn das könnte Neid hervor rufen, und schon gar nicht über schlechten, denn das ist ja so peinlich. Umso schöner, dass sich drei Literaten jetzt diesem Thema annehmen. Rainer Moritz hat jahrelang nach entsprechenden Stellen in der Literatur gesucht und diese in seinem Buch Wer hat den schlechtesten Sex? Eine literarische Stellensuche (DVA) versammelt. Das stellt er an diesem prickelnden Abend voller komischer, misslungener und peinlicher Sexstellen vor. Stephan Schad und Anne Weger lesen ausgewählte Passagen. Stöhnend kommen unter anderen Elfriede Jelinek, Philip Roth, Clemens J. Setz, Peter Härtling, Michael Kleeberg, Sibylle Berg, Martin Walser, Bernhard Schlink, Nicholson Baker, Wilhelm Genazino, Karen Duve und Marcel Reich-Ranicki zu Wort.

 

Hendrik Schwolow…

… und seine Big Cracker Band schmettern ihren Swing-Sound nach Art von Stan Kenton und Count Basie im altehrwürdigen Cotton Club.

Höre gerade Musik von Jelly Roll Morton, Oldtime-Jazz aus den 1920ern. Und ich muss zugeben (obwohl jahrelang ignoriert und belächelt) es gefällt mir mittlerweile. Mal gemütliches, mal flottes kollektives Musizieren, inklusive improvisierten Momenten – echt charmant, romantisch, wirkt heute fast aus einer anderen Welt. Das bringt mich auf die Idee, dann doch mal wieder (obwohl jahrelang ignoriert und belächelt) das Programm von Hamburgs erster Adresse für solchen Sound zu studieren, den Cotton Club, und siehe da: Am 25. März wird dort Entsprechendes dargeboten. Hendrik Schwolow und seine Big Cracker Band sind zwar eher in den Dreißigern zuhause, also in der goldenen Ära des Swing, d.h. Material, Instrumentierung und die Rhythmen sind leicht anders gelagert, aber, worauf es ankommt: Auch hier stellt sich ein Haufen Leute in den Dienst eines größeren Ganzen, musiziert hochkonzentriert, aber ausgelassen, virtuos, aber unaufdringlich – und das alles auf einer kleinen Bühne, so dass man den Schall auch physisch zu spüren bekommt, die Interaktion zwischen den Musikern aus unmittelbarer Nähe mitverfolgen kann. Das könnte doch mal wieder ganz spaßig sein. Mal ausprobieren…

Text: Arthur Kaufeld

 

Howe Gelb

Der Desert-Folk-Vorreiter und Giant-Sand-Gründer ist mit neuen Songs zu Gast im Knust. Im Beiprogramm: Grant-Lee Phillips.

Desert-Folk-Vorreiter und Giant-Sand-Gründer Howe Gelb ist zurück, mit einer neuen Sammlung von Songs, die in die staubige Americana eintauchen, mit der er erstmals vor 30 Jahren zu experimentieren begann. Produziert und aufgenommen wurde das Werk größtenteils in seiner Heimat Tucson. Sein wievieltes Werk es ist, weiß Gelb selbst nicht so genau. Denn er denkt, es bringe Unglück sowas zu wissen. Aber Aberglaube beiseite: Das Album, von Gelb selbst produziert und von John Parish abgemischt, ist sein stärkstes seit Jahren. Für The Coincidentalist hat der Formen wandelnde, sich immer weiter entwickelnde Gelb sich aus dem eigenen schallbeladenen Spielbuch bedient und verschmelzt Desert-Folk, Alt-Country, Indie Rock, Jazz und Experimental zu einem Stil, den er auch liebevoll als „Erosion Rock“ bezeichnet. Für einen neuen Schritt in seiner beeindruckenden musikalischen Karriere, präsentiert dieses Album das, was Gelb am besten kann und es bietet eine perfekte Gelegenheit, um sich noch einmal mit ihm vertraut zu machen oder aber für Ersthörer, um Howe Gelbs wundervolle Welt zu erleben.

 

The Wombats

„Let’s Dance To Joy Division“: Das Trio aus Liverpool spielt seinen lustigen Indie-Powerpop am 25. März in der Großen Freiheit 36.

Im April erscheint das dritte Wombats-Album Glitterbug – nicht gerade überambitioniert für eine Band, die immerhin über zehn Jahre zusammenspielt. Zumal der lustige Indie-Powerpop des Trios gar nicht nach Feintuning und genialischem Tüftelkram klingt. So lange das Endergebnis aber derart vorzeigbar ist, will man sich gar nicht beschweren: besser alle vier Jahre ein gutes Album als in jedem zweiten ein durchschnittliches. Vom frühen Dance-Punk-Kracher Let’s Dance To Joy Division, dem Tanzflächenfüller des Debüts A Guide To Loss, Love & Revelation, zur aktuellen Single Greek Tragedy ist es ein langer, aber auch nachvollziehbarer Weg: The Wombats sind 2015 weniger krachig, präziser, elektronischer – das kluge Popverständnis ist dasselbe. Wenn ein Song was taugen soll, braucht er eine tadellose Melodie. Klingt banal, können die wenigsten. Dafür darf man sich dann auch etwas Zeit lassen.

Text: Thorsten Moor

 

Der Zinker

Die Londoner Unterwelt der 1920er Jahre: Edgar Wallaces Krimi in der Inszenierung von Frank Thannhäuser feiert am 24. März Premiere im Imperial Theater.

Edgar Wallace ging fast pleite, weil er den Lesern Geld versprach. Jeder, der das Ende seines Romans Die vier Gerechten erraten konnte, bekam ein ordentliches Taschengeld. Edgars Hauptfigur in dem Stück Der Zinker ist da etwas schlauer: Statt Geld zu verschenken, erpresst er Ganoven, damit sie ihm gestohlene Ware für einen Bruchteil ihres Wertes verkaufen. Andernfalls verzinkt er die Banditen bei Scotland Yard. Blöd nur, wenn der Zinker selbst in einen Mord verwickelt wird: Die Inspektoren Elford und Barrabal gehen einer Spur nach, und die führt sie zu dem Geschäft eines gewissen Frank Sutton. Elford und Barrabal sind nicht die Einzigen, die sich für diesen Fall interessieren, und schon bald ist auch Reporter Joshua Collie dem Zinker auf der Spur. In dem Stück, welches auf dem gleichnamigen Roman basiert, führt Frank Thannhäuser Regie. Der gebürtige Kasseler ist seit der Eröffnung Intendant, Regisseur und Schauspieler des Theaters ganz vorn auf dem Kiez.

Text: Adriana Jodlowska

 

Eröffnungsreigen

Die „Stipendiaten des Hamburger Arbeitsstipendiums für bildende Künstler 2014“ im Kunstverein: Eröffnung ist am 24. März mit Christoph Blawert.

Die Bezeichnung ist hölzern, das Ergebnis umso spannender und die Präsentation auch: Die „Stipendiaten des Hamburger Arbeitsstipendiums für bildende Künstler 2014“ zeigen ihre Arbeiten im Kunstverein. Das ist eine Premiere, ebenso, dass dieses nicht in einer Gruppenschau, sondern in zehn Einzelausstellungen geschieht. Eine nach der anderen wird im Erdgeschoss eröffnet, im Wochentakt und insgesamt zwei Monate lang. Den Anfang macht Christoph Blawert, es folgen Lara Steinemann (Abb.), Benjamin Yavuzsoy, Katja Aufleger, Anna Lena Grau und andere, und zu jeder Präsentation gibt es eine Eröffnung mit Künstlergespräch über die Arbeit des Stipendiaten und das jeweilige Projekt, über Ideen und Konzepte – und mit der Möglichkeit einer kontinuierlichen Diskussion. Die hat sich im Kunstverein bereits im letzten Sommer bei dem täglich wechselnden Film- und Ausstellungsprojekt A Paradise Built in Hell bewährt.

Text: Sabine Danek