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„Shadowland“

Neun Akrobaten des Pilobolus Dance Theatre inszenieren mit Licht und Schatten dramatische Bilder von Elefanten und Menschenfressern.

Das Schattenspiel ist eine der ältesten Kunsttechniken der Welt. Mit Scheinwerfern, Leinwänden und ihren Körpern erschaffen neun Akrobaten aus Connecticut ein Bühnenabenteuer mit Tanz und Artistik. Shadowland erzählt die Geschichte des Erwachsenwerdens von einem jungen Mädchen, das im Traum in eine Schattenwelt absteigt und dort allerlei Gefahren begegnet. Die Show erliegt nicht dem unerfüllbaren Traum vollständiger Illusion – manchmal gehen die Scheinwerfer an und legen die Zaubermittel offen. Die Künstler gehören zum 1971 gegründeten Pilobolus Dance Theatre – ein bekannter Name: Der Hyundai-Werbespot aus dem Jahre 2007, in dem die Künstler das neue Auto-Modell allein mit ihren Körpern nachformten, wurde im Netz millionenfach angeklickt. Und nach ihrem Auftritt bei einer Oscar-Verleihung wurde die Truppe schlagartig in der breiten Masse bekannt. Erst dann entstand Shadowland, das 2009 uraufgeführt wurde und noch bis Ende Januar in Hamburg gastiert.

Text: Natalia Sadovnik

 

Pingipung-Labelnacht

Das Hamburger Label reserviert die Bühne der Astra-Stube für DJ und Mitgründer Heiko Gogolin sowie das Duo Springintgut & F.S. Blumm.

Da haben sich zwei gefunden: Die Musiker Springintgut und F.S.Blumm verbinden akustische Instrumente mit elektronischer Kleinkrämerei, der eine ausgehend vom Cello, der andere von der Gitarre. Man kennt sich über das gemeinsame, feine Hamburger Label Pingipung, doch eine gemeinsame Tour durch Japan hat die beiden im Frühjahr endlich zu Kreativpartnern gemacht. Aus einem als Zugabe geplanten Track ergab sich bald eine Fülle an Ideen – das Ergebnis ist das jüngst als Springintgut & F.S. Blumm veröffentlichte Album The Bird And White Noise, ein wunderbarer Schnellschuss der sonst eher in bedächtigem Tempo arbeitenden Künstler. Bei der Pingipung-Labelnacht darf das neue Dream-Team der sympathischen Plattenfirma demnach nicht fehlen, ebensowenig wie Heiko Gogolin, DJ, Journalist und einer der Mitbegründer des Labels. Menschmaschinenmusik mit Herz.

Text: Michael Weiland

 

„Speisung der 5.000“

Das Kollektiv Kommando Himmelfahrt nimmt das biblische Gleichnis als Anregung für ein futuristisches Oratorium über das Teilen und Geben in Zeiten der Massenproduktion.

Kommando Himmelfahrt ist seit dem Jahr 2008 immer wieder zu Gast auf Kampnagel. Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit zeigt sich in den visionären Inszenierungen des Theaterkollektivs (Jan Dvorak, Thomas Fiedler und Julia Warnemünde), deren besonderer Reiz auch darin liegt, dem Zuschauer die weitreichende Kraft von Mythen bewusst zu machen. Die aktuelle Inszenierung Die Speisung der 5.000 nimmt einen Mythos als Ausgangspunkt, bei dem man sofort große Zahlen im Kopf hat und ein noch größeres Wunder. In der Erzählung aus den vier Evangelien vervielfältigte Jesus fünf Brote und zwei Fische, um 5.000 Menschen damit satt zu bekommen. Kommando Himmelfahrt überträgt die Idee von der wundersamen Vermehrung auf die Gegenwart und Zukunft. An die Stelle göttlicher Wunder sind Technikglaube und industrielle Massenproduktion getreten. Gleich einem neuen Souverän, nicht greifbar und dennoch allgegenwärtig, bestimmen die neuzeitlichen Vervielfältigungsmechaniken das Leben der Menschen. Doch welche Bedeutung kann etwas noch haben, wenn es alle gleichermaßen besitzen können? Thomas Le-Boeg, bekannt durch die Hamburger Band Kante, Selig-Frontman Jan Plewka, das Ensemble Resonanz und der Kampnagel-Chor bilden den musikalischen Rahmen. Es soll ein modernes, spirituelles Oratorium entstehen, das auch den Charme der 1970er ausstrahlt.

Text: Reimar Biedermann

 

Kurzfilmtag

Im Metropolis zeigt das Team der Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg cineastische Häppchen aus 25 Jahren. Im Anschluss: Erotik- und Musikkurzfilme

Am kürzesten Tag des Jahres feiern Menschen auf der ganzen Welt den Kurzfilmtag (Foto: Impressionen aus 2013). In Hamburg kann man unter anderem im Vorführungssaal des Metropolis Platz nehmen, um cineastische Häppchen zu konsumieren. Dort zeigt das Team der Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg ab 19 Uhr seine Kronjuwelen aus 25 Jahren Festivalgeschichte – eine Auswahl der Filme, die auf der Jubiläums-DVD vertreten sind. Dazu gehören unter anderem die Beiträge Gewässer des Grauens (Ewjenia Tsanana, D 1998), Kaffee & Kuchen (Douglas Horn, USA 2011) sowie Lius Frühlingserwachen (Andrew Soo, Australien 1999). Im Anschluss präsentiert der in Dänemark lebende Filmsammler und Autor Jack Stevenson unter dem Titel Sex Films eine Zusammenstellung von alten amerikanischen Erotik- und Musikkurzfilmen. Er holt aus seinem Archiv einige 16mm-Filmperlen hervor, „von den frühen 1910er Jahren der Stummfilmzeit bis hin zu den Jukebox-Filmen der 1960er“, heißt es in der Programmankündigung.

Text: Lena Frommeyer

 

„Sonny Boys“

Einmal Feinde, immer Feinde: Die Gesellschaftskomödie von Neil Simon im Ernst Deutsch Theater zeigt, dass Abscheu ein hartnäckiger Begleiter ist.

Gerd Heinz inszeniert Sonny Boys, die Gesellschaftskomödie des populären Bühnenautors Neil Simon. Darum geht’s: Der frühere Starkomiker Willie Clark (gespielt von Manfred Krugs Tatort-Sideman Charles Brauer) lebt zurückgezogen in einem heruntergekommenen Hotelzimmer am Broadway. Der einzige Kontakt zur Außenwelt ist sein Neffe Ben, der ihn mit dem Lebensnotwendigsten versorgt: Zigarren und die neueste Ausgabe der Variety. Ben ist gleichzeitig sein rühriger, jedoch nicht besonders erfolgreicher Agent. Eines Tages flattert allerdings ein gut bezahltes Angebot ins Haus: Der Sender CBS möchte ihn mit seinem ehemaligen Bühnenpartner (Werner Rehm) für eine Aufzeichnung zusammenbringen. Trotz der tiefen gegenseitigen Abscheu füreinander, willigen beide ein – und alte Konflikte kochen wieder auf.

Text: Natalia Sadovnik

 

Erdmöbel

„Last Christmas“, „Lametta“ und „Ding Ding Dong“: Das Kölner Quartett präsentiert die Lieder seines humoristischen Weihnachtsalbums im Knust.

Erdmöbel zählen zu jenen Gruppen, die man leider häufig vergisst, wenn man von den wichtigsten deutschsprachigen Popbands der letzten 20 Jahre spricht. Der leisetreterische Charme des in Münster (Westfalen) gegründeten und mittlerweile in Köln ansässigen Quartetts lässt sich eben zu bereitwillig von notorischen Wortführern in die Ecke drängen. Die Band scheint das seit jeher nicht zu kümmern, stattdessen macht sie das Uncoolste überhaupt und veröffentlicht ein Weihnachtsalbum. „Mandarinensüß und christbaumkugelbunt“, befand dazu die Süddeutsche Zeitung, „hochmelodische Refrains, Basslinien, die allein durch den Schnee tanzen könnten, Posaunen voll Melancholie, dazu Texte, so fein gedrechselt wie Weihnachtsfiguren aus dem Erzgebirge … Ja, so kann das was werden mit diesem Fest. Oh kommet doch all.“ Im Knust stellen Erdmöbel ihr Geschenk (Albumtitel) live vor. Danach singt man zur Melodie von Last Christmas nur noch ihre Umdichtung Weihnachten ist mir doch egal. Wer sind Wham!?

 

Kultur im Gängeviertel

Wer im Dezember „in die Gänge kommt“, kann Klangskulpturen im Kunsthaus Speckstraße besichtigen und Textilien im LaDöns bedrucken lassen.

Trotz der beginnenden Großrenovierung des Gängeviertels – die bunte Siedlung in der Neustadt bleibt ein Ort für Kultur. Auch im Dezember lohnt sich eine Stippvisite. Im Kunsthaus Speckstraße wird aktuell die Masterarbeit Beginning End Beginning von Julian Terbuyken ausgestellt. Er studierte Sound & Vision an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und zeigt von 17 bis 20 Uhr seine kinetischen Installationen und Klangskulpturen. Einen Mini-Spaziergang (150 Meter) entfernt, widmet man sich in den Räumen der Produktionsdesign- und Arbeitskooperative LaDöns den Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest. Im Siebdruckverfahren kann hier jeder von 14 bis 20 Uhr Textilien zu Einzelstücken veredeln lassen. Unterschiedliche Motive und Farben stehen zur Auswahl. Ein gutes Geschenk. Übrigens: In diesem Gebäude war früher eine Puppenwerkstatt ansässig.

Text: Lena Frommeyer

 

DJ Vito & Friends

Das Hip-Hop-Familientreffen des Deluxe-Soundsystem-DJs steigt im Knust. Mit dabei sind unter anderem Miss Leema, Saint One und John Known.

Für einen Teil von Hamburgs Hip-Hop-Szene wird die Bescherung in diesem Jahr auf den letzten Samstag vorm heiligen Abend gelegt. DJ Vito vom Deluxe Soundsystem feiert seinen legendären Geburtstagsbash und das verspricht ein außergewöhnlicher Abend zu werden. In den letzten Jahren versammelte der Plattenaufleger dabei eine große Schar alter und neuer Bekannter: Samy Deluxe, Afrob, Megaloh, Flo Mega, Ali A$, MoTrip, Mine, Matteo Capreoli, DJ Stylewarz, DJ Dynamite & DJ Saint One sind nur einige Namen, die sich in den zwei vergangenen Birthday Bashes das Mikrofon in die Hand gaben. Wer sich diesmal zum Familientreffen einfindet, bleibt teilweise noch geheim. Über seine Facebook-Seite verrät DJ Vito aber schon einige beteiligte Akteure, darunter Miss Leema, DJ Saint One und John Known. By the way: Das Video da unten ist sehenswert. Nette Moves, Jungs!

 

Frappööös

Zum Design- und Kuriositäten-Markt nebst Trödelbasar lädt die Künstlergemeinschaft Frappant e.V. in die Viktoria Kaserne.

Die Viktoria Kaserne lebt. Ins ehemalige Gestapo-Gebäude zog die Künstlergemeinschaft Frappant e.V.. Kreative Menschen der Bereiche Design, Freie Kunst, Fotografie, Stadtplanung, Film, Mode, Illustration, Architektur und Medienkunst arbeiten hier unter einem Dach. Da entsteht allerhand Erstaunliches, das beim legendären Design- und Kuriositätenmarkt Frappööös #5 von 12 bis 21 Uhr der Öffentlichkeit präsentiert wird. Über die gesamte Veranstaltungsfläche des Frappant e.V. (inklusive Kachelraum) bieten Künstler und Designer die Produkte ihres Geistes feil. Im ersten Stock findet ein Floh- und Trödelbasar statt. „Flanieren, schnabulieren, kommunizieren, oxidieren“, ist das Motto des Tages, welches es zur Musik von DJ Benjo und der Band NO sowie „frappierenden Köstlichkeiten und Getränken“ umzusetzen gilt.

Text: Lena Frommeyer

 

Die starke Gertrud

Emanzipation statt Selbstzerstörung: Das Stück um Aufbruch und Neuanfang im Leben einer ehemaligen Opernsängerin läuft zum letzten Mal im Thalia in der Gaußstraße.

Als Hjalmar Söderberg 1906 Gertrud schrieb, schuf der bekannteste schwedische Autor der Jahrhundertwende eine Figur, die ihrer Zeit weit voraus war. Der Schreibantrieb kam von einem selbst erlebten Liebesfiasko: Kurz vorher hatte Söderberg von dem Verhältnis seiner Geliebten zu einem viel jüngeren Mann erfahren. Dieser Betrug beschäftigte ihn noch Jahre später und lag auch seinem Roman Ein ernstes Spiel zugrunde. Das Schauspiel Gertrud entstand innerhalb weniger Wochen. Die ehemalige Opernsängerin langweilt sich in ihrer Ehe, in der sie sich unverstanden fühlt, und beginnt ein Liebesverhältnis mit einem deutlich jüngeren Mann. Doch auch von diesem fühlt sie sich verraten und entscheidet sich schließlich gegen alle Männer, die ihr Leben bestimmen. Gertrud wird oft in einem Zug mit Strindbergs Fräulein Julie und Ibsens Hedda Gabler genannt, doch Söderbergs Protagonistin geht einen großen Schritt weiter, statt Selbstzerstörung bricht sie aus der von Männern dominierten Gesellschaft aus, um ein eigenständiges Leben zu führen. Der norwegische Regisseur Eirik Stubø inszeniert den nach wie vor aktuellen Stoff als eine Geschichte von Aufbruch und Neuanfang.

Text: Natalia Sadovnik