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Ty Segall

Der talentierte und hyperaktive Endzwanziger gastiert mit Band und neuem Album namens „Manipulator“ im Knust. Support: J. C. Satan.

Wer sowohl die kalifornischen Hardcore-Punks von Black Flag als auch die Drogenrocker von Hawkwind sowie den frühen David Bowie als Inspirationsquelle nennt, kann mit seiner eigenen Musik so verkehrt auch nicht liegen. Und wer mit Ende 20 schon mehrere Alben veröffentlicht und in verschiedenen Bands (darunter eine mit dem sympathischen Namen The Perverts) gespielt hat, der muss nicht genial sein, aber fleißig und willensstark allemal. Ty Segall wirkt wie ein Slacker aus dem Bilderbuch, live auf der Bühne ist aber sämtliche Schlaffheit im Nu verflogen. Der Mann will rocken, auch wenn er mal den Blues hat. Und dass er nach der Vielveröffentlicherei der vergangenen zehn Jahre zurzeit „nur“ ein Album im Tourgepäck mit sich herum trägt, dürfte weniger mit Faulheit als mit Konzentration zu tun haben. Das neue Werk heißt Manipulator. Ob der Typ sich etwa damit selbst meint?

 

Joyce Manor

College-/Indie-/Emo-Rock im Hafenklang: Drei junge Bands sorgen für freundliches Kopfnicken und Leute, die durch die Luft fliegen.

Frisch aus dem College, ab in den Hafenklang: Drei junge Bands sorgen am 4. November für freundlich wackelnde Köpfe. Das Trio Great Cynics stammt aus London und hat sich klassischem Indierock mit Power-Pop-Einschlag und zweistimmigem Gesang verschrieben. Die Cheap Girls aus Lansing, Michigan, gehen da schon etwas rauer zu Werke, inklusive Gitarrenwänden und krachendem Schlagzeug. Das kalifornische Quartett Joyce Manor schließlich toppt das Ganze noch einmal durch eine gehörige Portion Nervosität, Virtuosität und Aggression. Statt slackerhaftem Hängertum herrscht hier – selbst bei balladeskeren Songs – stets ein Mindestmaß an Adrenalin und Aufgekratztheit. Und die eine oder andere Math-Rock-Band dürften die auch schon mal gehört haben. Kein Wunder also, dass bei deren Konzerten regelmäßig Leute durch die Luft fliegen.

 

Hamburger Krimifestival

Mord im Kopf: Namhafte Krimiautoren wie Simon Beckett und Donna Leon lesen auf Kampnagel aus ihren neuesten oder bekanntesten Werken.

Wie tickt ein Mensch, der den Bauch einer Leiche mit Kaninchen füllt, Würmer durch verwesende Körperteile kriechen lässt oder Frauen in Hochzeitskleid in einem Bunker quält? Autoren von Kriminalromanen sind Spezialisten für solch kreative Quälereien. Die eingangs genannten Taten stammen aus der Feder von Simon Beckett, jenem Journalisten, der es mit seinem Roman The Chemistry of Death um den fiktiven Forensiker David Hunter in ziemlich viele Bücherregale schaffte. Er und andere namhafte Autoren wie Donna Leon stellen bis zum 8. November beim Hamburger Krimifestival neue Werke vor. Los geht es mit der Eröffnung am 4. November, wenn Simon Beckett aus seinem Buch Der Hof liest. Stephan Benson sorgt für die deutsche Übersetzung. Im Anschluss musiziert Jazz-Pianist Joja Wendt. Diese Veranstaltung ist bereits ausverkauft. Der Blick ins Programm offenbart Alternativen.

Text: Lena Frommeyer

 

Köpenick am Schlump

Das Abaton Kino zeigt Gyula Trebitschs Produktion „Der Hauptmann von Köpenick“ mit vorheriger Einführung von Michael Töteberg und Volker Reißmann.

Er hätte gern den Faust verfilmt, ist aber auch so zu einer hanseatischen Respektsperson avanciert: Gyula Trebitsch war Ehrenprofessor und Ehrenschleusenwärter. In Tonndorf, wo er 1960 sein Studio Hamburg gegründet hat, ist eine Schule nach ihm benannt. Das Leben des gebürtigen Ungarn, der Praktikant bei der Ufa war und KZ-Gefangener, ist Gegenstand eines Buches im Verlag Ellert + Richter. Zur Einstimmung auf die Lektüre läuft Trebitschs größter Kinoerfolg: Die Oscar-nominierte Real-Filmproduktion Der Hauptmann von Köpenick, für die 1956 auch am Schlump gedreht wurde. Die Filmwissenschaftler Michael Töteberg und Volker Reißmann führen in den Film ein und zeigen Interviews mit Heinz Rühmann und dem 2005 verstorbenen Gyula Trebitsch sowie seltene Fotos von den Dreharbeiten 1956 in Hamburg.

 

Jazzraum-Geburtstag

Eine Hamburger Jazzreihe feiert ihren 12. Geburtstag – mit einer Fotoausstellung, Musik vom Plattenteller und der überaus sehenswerten Live-Band Cnirbs.

Der Jazzraum feiert Geburtstag. Anfang November vor 12 Jahren begründete der Hamburger Schlagzeuger und Komponist Tarik Husseini den Sunset Jazz Club im damals noch existenten Altonaer Club Subotnik. Später zog er ein paar Straßen weiter gen Elbe und wurde in Jazzraum umbenannt. Dort residiert er bis heute. So viel Durchhaltevermögen muss gefeiert werden, dachten sich die Veranstalter (und das dankbare Publikum wird nicht widersprochen haben). Mit dem Trio Cnirbs, bestehend aus Matthäus Winnitzki (Keyboards, Komposition), Stephan Meinberg (Trompete, Euphonium) und Konrad Ullrich (Schlagzeug), hat sich einer der interessantesten Jazzbands der Republik für zwei Live-Sets angekündigt, um Stücke ihres kürzlich beim brennt-rekords-Label erschienenen Albums Hey Kollege zu Gehör zu bringen. Außerdem gibt es eine Ausstellung mit Fotos vergangener Jazz-Abende und Musik vom Plattenteller.

 

Sage Francis

Der 37-jährige Poetry Slammer und Hip-Hop-MC aus Miami Florida präsentiert sein neues Album, „Copper Gone“, live im Uebel & Gefährlich.

Am Anfang war die Slam Poetry, dann kam der Hip-Hop. Dass Sage Francis einen Sinn für starke Zeilen hat, lässt schon das lustige Wortspiel im Namen seiner ersten Crew, Art Official Intelligence, deutlich erkennen. Später gründete er zusammen mit dem Produzenten Joe Beats das Duo Non-Prophets (wieder so ein gelungener phonetischer Dreh im Bandnamen). Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 veröffentlichte er den vieldiskutierten medienkritischen Track Makeshift Patriot, für den es in den USA alles andere als nur Applaus gab. Sein Blick auf die Welt ist nicht gerade positiv, was sich auch in seinen Mixtapes niederschlägt, die er seit Ende der 1990er herausbringt und die stets das Wort „sick“ im Titel tragen. Das neue Album des mittlerweile 37-jährigen MCs aus Miami heißt Copper Gone. Ob er dessen Tracks im Uebel & Gefährlich mit voll besetzter Live-Band vortragen wird oder doch nur in Begleitung eines DJs? Man darf gespannt sein.

 

Mysrifax

Der Fernsehsender TIDE und das Metropolis Kino zeigen einen experimentellen Mittachtziger-Film von Andy Hertel – in Anwesenheit des Regisseurs.

Bis Dezember 2014 präsentieren Hamburgs Lokal-TV-Sender TIDE und das Metropolis Kino Werkinterviews mit FilmemacherInnen, die seit den 1960er und 1970er Jahren das künstlerische Filmgeschehen von Hamburg aus maßgeblich beeinflusst haben. Am 5. November ist Andy Hertel im Metropolis Kino zu Gast, der 1968 Student an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg wurde, dort mit Kommilitonen die erste Filmklasse gründete und Mitglied der Hamburger Filmmacher Cooperative wurde. Gezeigt wird Mysrifax von 1984/85, ein „psychedelischer Überraschungsfilm, der Sachen zeigt, die nur Super-8-Röllchen erzählen können“, so die Ankündigung. Andy Hertel: „Ich habe die 8mm-Filmröllchen so aneinander gelegt, bis ich sah, dass sie zusammen passten.“ Außerdem im Programm: Ann Kimminichs 29-minütiges Werkinterview mit Hertel und zwei weitere Kurzfilme.

 

St. Pauli im Film

Ein Team lokaler Filmemacher zeigt im Ballsaal des FC St. Pauli seine Langzeitdokumentation „Buy buy St. Pauli“ über Protest und Solidarität rund um die ESSO-Häuser.

Auf St. Pauli sind Filme ein Instrument des Protestes. Diese etwas anderen Heimatfilme weisen auf Missstände hin – so auch Buy buy St. Pauli von Irene Bude, Olaf Sobczak und Steffen Jörg. „Im Februar 2012 haben wir angefangen zu filmen“, erinnert sich Irene Bude. Mit ihrem Team begleitete die Filmemacherin die Auseinandersetzung um die ESSO-Häuser. Für die Langzeitdoku ließen sich Bewohner in die eigenen vier Wände schauen. Jürgen Moebus zeigt seine Fußball-Fanwand, Heinz Barth seine Mitbringsel von Fahrten zur See, Evi Madejski schwärmt von den Kirschbäumen im Gemeinschaftsgarten. Drumherum erzählt der Film die Geschichte der ESSO-Häuser, die nach dem Krieg als zukunftsweisender Bau entstanden.

Buy-buy-St-Pauli-Premiere

Das Team begleitete Demonstrationen und Sitzungen, es war vor Ort, als die Häuser kurz vor Weihnachten 2013 evakuiert wurden, weil die Wände (angeblich) wackelten. Es folgen Bilder vom Abriss, Stimmen zum öffentlichen Planungsprozess. Irene Bude besuchte die Bewohner im Exil. „Ich wohne jetzt auf’m Friedhof. In Finkenwerder. Wann hörst du hier ’n Auto. Nie!“, sagt einer von ihnen. Am 2. November feiert Buy buy St. Pauli Premiere im Ballsaal der Südtribüne des FC St. Pauli.

Text: Lena Frommeyer

 

Do It Yourself

Selber basteln oder Handgemachtes kaufen beim Handarbeitstag am Kiekeberg und dem Desigmarkt „Hello Handmade“ auf Kampnagel.

Sticken, Nähen, Häkeln, Filzen, Weben, Stopfen, Klöppeln … Längst in Vergessenheit geratene Handarbeitstechniken stellt das Kiekeberg-Museum vor und lädt am 2. November von 10 bis 18 Uhr zum Ausprobieren an die Gerätschaften. Zu diesem Handarbeitstag gehört auch ein Woll- und Stoffmarkt. Wer keine Lust hat, selbst Nadel, Faden und Schere in die Hand zu nehmen, aber dennoch seine Wohnung individuell dekorieren möchte, lässt andere basteln. Beim Markt Hello Handmade können sich die Besucher einen ganzen Tag lang durch handgemachte Einzelstücke, von Klamotten über Papierwaren bis Schmuck und Schokolade, wühlen. Hier gibt’s originelle Geschenke – nicht nur für untern Tannenbaum, beispielsweise ein Lebensmotto auf Holz für die Wand von Navucko (Foto).

 

„A Touch of Sin“

Im Rahmen von „China Time 2014“ zeigt das Metropolis Kino bis zum 14. November mehrere aktuelle Filme aus der chinesischen Volksrepublik.

Yi’nan Diaos im Juli dieses Jahres angelaufener Neo-Noir-Thriller Feuerwerk am hellichten Tage hat die Neugier geweckt auf weitere Produktionen aus der Volksrepublik. Acht Spielfilme, die im Metropolis Kino gezeigt werden, sollen es während der China Time 2014 stillen. Auch in ihnen vermitteln sich über Genre-Vorgaben Einblicke in die Alltagsrealität im heutigen China. Von Korruption auf dem Lande erzählt A Touch of Sin (am 2. November), zu dem sich der Regisseur Jia Zhangke von den Mafia-Filmen Martin Scorseses anregen ließ. No Man’s Land von Ning Hao (12./13. November), der illegalen Tierhandel schildert, versteht sich als Hommage an die Italowestern der 1970er und ist in entsprechend kargen Wüstenlandschaften angesiedelt. Ein Programm aus neun Kurzfilmen beschließt das Festival am 14. November.