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„Fast Genial“

Prägen uns die Gene oder eher die Umwelt? Die Inszenierung von Benedict Wells Roman-Bestseller startet im Altonaer Theater.

Ob Veranlagung oder Sozialisierung unseren Lebensverlauf maßgeblicher prägen, ist eine Frage, die Menschen seit eh und je umtreibt und wohl niemals zufriedenstellend beantwortet werden kann. Auch Benedict Wells, der als junges Schreibtalent von sich reden ließ, widmete sich diesem Rätsel. In seinem dritten Roman Fast Genial erzählt er die Geschichte von Francis, der mit seiner Mutter in einem heruntergekommenen Trailerpark in Delaware lebt und sich als absoluter Versager wähnt – bis er erfährt, dass er ein Retortenbaby ist und die Gene eines Genies in sich trägt. Zusammen mit seinem besten Freund und der geheimnisvollen Anne-Marie macht sich Francis auf die Reise, die sein Leben verändern soll. Das Altonaer Theater inszeniert den Bestseller von Wells als einen spannenden Roadtrip – mit Liveband.

Text: Natalia Sadovnik

 

Spoon

Roots-Rock, Blues und Soul: Britt Daniels Band präsentiert den hakeligen Sound ihres achten Albums „They Want My Soul“ live im Uebel & Gefährlich.

Mit dem Begriff Indierock kann Spoon-Chef Britt Daniel bekundetermaßen so gar nichts anfangen – die mit minimalistischer Eleganz rockende Gitarrenmusik seiner Band steht trotzdem bei dieser Klientel in höchster Gunst. Selber schuld: Wer in den Neunzigern als Pixies-Wiedergänger seine Karriere beginnt, hat den Geruch eben am Leib. (Bis heute ist das Debüt Telephono die einzige ihrer Platten, die man nicht guten Gewissens als modernen Klassiker bezeichnen könnte.) Freigeschwommen hat sich die Band mit einem hakeligen Sound, der rootsigen Rock, Bluesfiguren und Soul in immer neue und schnell wieder verworfene Zusammenhänge bringt. They Want My Soul ist das achte Album von Spoon, Daniel hält es für das bislang beste der Band – ein beachtlicher Superlativ, käme er nicht aus voreingenommener Quelle. Wir würden dennoch beipflichten.

Text: Michael Weiland

 

Design in Hamburg

Am ersten Novemberwochenende präsentieren sich Designer und Künstler bei drei Events: dem DesignGift, dem Kunstherbst und der Geschenkmesse Bildschön.

Direkt an der Elbe und in Laufweite voneinander entfernt lädt die Altonale zum kreativen Doppelpack am 1. und 2. November: Während sich der DesignGift am Cruise Center Altona der Mode und den Accessoires von rund 100 nachhaltig arbeitenden Designern und Labels aus Altona, Hamburg und ganz Deutschland widmet, zeigt der Kunstherbst am Ex-England-Fährterminal aktuelle Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Zeichnung, Druckgrafik und Fotografie. Alle Künstler sind vor Ort, live entstehen Miniaturporträts und Urban Art; und am Sonntag kommen ausgewählte Exponate unter den Auktionshammer. In entfernter Nachbarschaft geht es ebenfalls kreativ zu: Hübsche Zeichnungen und Drucke auf Plakaten und Geschirr, in Kinderbüchern oder als Postkarte – das Hamburger Kinderbuchhaus im Altonaer Museum lädt zum vierten Mal zu Bildschön, einer Geschenkemesse der Illustrationskunst. Mit dabei sind unter anderem das Altonaer Atelier Amaldi, Buchbindemeisterin Karen Begemann und das Studio Hoch 5.

Text: Julia Braune

 

Seiteneinsteiger

Das Hamburger Lesefest für Kinder und Jugendliche wird zehn Jahre alt und feiert mit über 200 Veranstaltungen, einem „Lesenetzfest“ und beliebten Autoren.

Egal wo man wohnt und wie alt man ist, das Seiteneinsteiger Literaturfestival begegnet einem ab dem 31. Oktober in ganz Hamburg auf Augenhöhe. Das Programm umfasst 200 Veranstaltungen, darunter viele Buchpremieren, Besuche bei Hamburger Verlagen und Büchermachern sowie einem Lesenetzfest im Altonaer Museum. An Wochentagen werden vor allem die Schulen zur Wirkungsstätte für literarische Aktionen wie Lesungen, Workshops und Poetry Slams. Nachmittags und an den Wochenenden streifen Kinder, Jugendliche und ihre Familien durch die Stadt für literarische Verfilmungen, Lesenächte, Theaterinszenierungen und vieles mehr. Beliebte Autoren wie Paul Maar, Andreas Steinhöfel und Kirsten Boie sind Gast des Lesefestivals. Für ältere Jugendliche ist wohl der Abend mit Graphic Novel-Künstler Émile Bravo am 6. November interessant. Auch die kleinsten Lesungen Hamburgs in einem alten VW-Bus versprechen interessant zu werden, beispielsweise mit dem Hamburger Autor Nils Mohl. Am 1. November findet die musikalische Lesung Am Samstag kommt das Sams mit Paul Maar und den Vorchören des Mädchenchores Hamburg an der Staatlichen Jugendmusikschule statt (ab 5 Jahren).

 

PlanBude

In einem Container auf St. Pauli wird Mitbestimmung beim Neubau der ESSO-Häuser demonstriert. Jeder darf seinen Vorschlag einbringen.

Seit September hat der Spielbudenplatz eine neue Attraktion: Nein, kein neues Musical – sondern die PlanBude. An der Ecke zur Taubenstraße, die ESSO-Häuser-Baustelle im Rücken, steht nun eine ungewöhnliche Containerkonstruktion. Den einzigen, öffentlich zugänglichen Blick auf das Areal bietet die Dachterrasse dieser PlanBude. Drinnen geht es an einem Mittwochabend, ein paar Tage nach der Eröffnung, bereits wie in einem Taubenschlag zu. Menschen bauen mit Lego. Das, was man für Spielzeug halten könnte, sind Planungsmethoden, sogenannte Tools, mit denen die Besucher ihre Ideen und Vorstellungen von der Neugestaltung des ESSO-Häuser-Areals verdeutlichen und verbildlichen können. Ein Team aus Stadtentwicklern, Architekten und Experten auf dem Gebiet Soziale Arbeit erarbeiten daraus die Grundlage für die Auslobung zum Architekturwettbewerb, auf dessen Basis der Bebauungsplan erlassen wird. Vom Bezirk wurden sie beauftragt, den St. Pauli-Code zu finden. Unter dem Motto Knack den St. Pauli-Code lädt das Team am 1. November um 16 Uhr zur „Untersuchung und Fotosafari rund um die Reeperbahn“.

Text: Julia Braune

Um Anmeldung wird gebeten über office@planbude.de – aber auch spontane Besucher sind willkommen.

 

Shellac

Das geniale Minimal-Rock-Trio um den Ausnahme-Produzenten und -Gitarristen Steve Albini gibt sich live auf Kampnagel die Ehre.

Nicht zu viele Köche verderben den Brei, meistens sind es zu viele Zutaten: Der Shellac-Kopf und Hobby-Kulinariker Steve Albini weiß das. Darum ist seine Band auch so sparsam in der Wahl ihrer Mittel: Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang, und wenn einer davon mal nichts zu sagen hat, bleibt er halt auch stumm. Dude Incredible ist das fünfte Album der Band, die sich für ihre Platten viel Zeit lässt: Ihr Debüt At Action Park erschien vor 20 Jahren, davor machte Albini Musik mit Big Black, nebenher ist er einer der gefragtesten (und besten) Indierock-Produzenten (Nirvanas In Utero und Surfer Rosa der Pixies gehen auf sein Konto, sowie Dutzende andere Klassiker). Shellac stehen für harten, aber transparenten Gitarrenrock, wütend, schneidend, mit einem bösartigen Humor, der nicht jedermanns Sache ist. Aber wer jemals auf den Geschmack gekommen ist, freut sich über das Festmahl auf Kampnagel.

Text: Michael Weiland

 

Datscha Party

Das Datscha-Projekt lädt zu einem Abend mit osteuropäischer Musik und einer achtköpfigen Italo-Balkan-Band ins Uebel & Gefährlich.

Das Datscha-Projekt betreibt seine feucht-fröhlichen Partys bereits seit 2001. Seit gut 13 Jahren verfolgen die Veranstalter nun also schon ihr Anliegen, osteuropäische Musik zu allgemeiner Weltmusik zu machen und ihre Lebensfreude bundesweit auszuleben. Für den Abend des 1. November im Ballsaal des Uebel & Gefährlich wurde dafür das achtköpfige Italo-Balkan-Orchester mit dem vielversprechenden Namen Kaligola Disco Bazar eingeladen. Die Band wurde 2011 in Rom vom Musiker und Produzenten Andrea Cota aka DJ Mondo Cane gegründet und hat uns so einige Datscha-Hits der letzten Zeit beschert. Für die Party im Uebel & Gefährlich heißt es deshalb Federico Fellini meets Emir Kusturica meets Electro. Mit Sicherheit ausgesprochen tanzbar und sowieso absolut empfehlenswert. Gute Laune garantiert.

Text: Ole Masch

 

Kent Nagano

Der Star-Dirigent, der ab 2015 für die Hamburgische Staatsoper arbeitet, liest aus seinem Buch „Erwarten sie Wunder!“.

Wer diesen Namen noch nicht kennt, sollte ihn sich spätestens jetzt merken: Star-Dirigent Kent Nagano tritt – nachdem er für die Los Angeles Opera, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, die Bayerische Staatsoper München und das Orchestre Symphonique de Montréal tätig war – im September 2015 seinen Dienst als Generalmusikdirektor und Chefdirigent der Hamburgischen Staatsoper an. Eine andere Kulturform führt ihn bereits 2014 an die Elbe: Kent Nagano liest am 31. Oktober im Rolf-Liebermann-Studio aus seinem Buch Erwarten Sie Wunder!. In seinem literarischen Debüt gestattet er Einblicke in seine Kindheit und erklärt „die sinnstiftende Kraft der klassischen Musik“ (NDR). Kent Nagano wuchs als Kind japanischer Einwanderer in einem Fischerdorf an der amerikanischen Westküste auf. Dort prägte ihn ein aus Georgien stammender Musikpädagoge, der die Kinder des Dorfes für klassische Musik begeistern konnte. Der Norden liest heißt die Reihe, in deren Rahmen der Dirigent auftritt. NDR-Redakteur Christoph Bungartz führt durch den Abend.

Text: Lena Frommeyer

 

Birdland

We’re back! Der wieder eröffnete Jazzclub lädt am letzten Oktober-Wochenende zu einem prominent besetzten Mini-Festival.

Groß war das allgemeine Lamento, als im letzten Jahr verlautbart wurde, dass der Hamburger Jazz-Club Birdland schließen würde – inklusive so mancher Krokodilstränen von Leuten, die erst seitdem wissen, wie „Jazz“ buchstabiert wird. Sei’s drum, nun hat er ja wieder geöffnet und alle Welt freut sich darüber. Um diese Freude zu teilen, lädt das Birdland nun zu einem kleinen, We’re back! überschriebenen Festival, zu dessen erstem Tag die Soul Jazz Alliance um den Alt-Saxofonisten Vincent Herring und Drummer Joris Dudli in der Gärtnerstraße gastieren wird, um die „funky arrangements“ ihres aktuellen Albums True Paradise zum Besten zu geben. Für den zweiten Festival-Tag am 1. November ist eine echte Jazz-Legende angekündigt: Der New Yorker Bob Dorough stand in den 1940er Jahren mit Charlie Parker auf der Bühne und hat mit Miles Davis aufgenommen. Dass der mittlerweile immerhin 90-jährige Sänger und Pianist nochmal in Hamburg zu sehen ist, gleicht einer mittleren Sensation.

Text: Marco Fuchs

 

OZM Gallery

Der Stencil-Künstler Mittenimwald eröffnet in der Galerie für Urban Art im Schanzenviertel seine neue Ausstellung „Mundo de los muertos“.

Graffiti und Street Art sind in dieser Galerie im Schanzenviertel zu Hause. Neben bekannten „Straßenkünstlern“ wie Loomit, (dem kürzlich verstorbenen Sprayer) OZ und Low Bros stellt in diesem Herbst auch wieder Mittenimwald in der OZM Gallery aus. Er ist Stencil-Künstler, nutzt mit dem Cutter zugeschnittene Schablonen und Spraydosen, um Bilder auf einen Untergrund zu bringen. Gesellschaftskritik im popkulturellen Gewand kann man seine Werke überschreiben, bei denen Porträts von Revoluzzern oder Diktatoren mit Schriftzügen wie „i love $$$“ oder „enjoy capitalism“ zusammengebracht werden. Nun ließ sich Mittenimwald von einem mexikanischen Feiertag inspirieren: Am 31. Oktober, dem „Tag der Toten“ eröffnet seine neue Ausstellung Mundo de los muertos. Die gastgebende Galerie verspricht „ein überdreht pop-propagandistisches, bitter-süßes Stencil-Fest“.

Text: Lena Frommeyer