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„Je Danse Donc Je Suis“

Die französische Pop-Party-Reihe feiert ihren zehnten Geburtstag im Nachtasyl. Es gratulieren die Bands Stereo Total und Les Frères Checkolade.

Je Danse Donc Je Suis„, sang Brigitte Bardot im Jahre 1964 mit verführerische Stimme – und lieferte damit den Soundtrack für eine Generation, die gegen gesellschaftliche Konventionen antanzte. Tatsächlich schwoft es sich zu der flotten Nummer auch heute noch gut. So gut, dass ein nach dem Stück benannter Clubabend am 27. September sein zehnjähriges Jubiläum im Nachtasyl feiert. Der eigentliche Stargast der Sause sind die Bands des Abends: Stereo Total lassen ihren Pop-Trash mit französischem Akzent durch den Dachbodenclub im Thalia Theater schwirren. Zudem erwachen die frenchy Elektro-Popper von Les Frères Checkolade aus ihrem nunmehr zehn Jahre andauernden Dornröschenschlaf und spielen dem Team ein Ständchen. Anschließend garniert DJ Luc Le Truc den Abend mit musikalischen Sahnehäubchen aus seiner Plattensammlung – da ist doch bestimmt auch etwas von Brigitte Bardot dabei …

Text: Lena Frommeyer

 

Golden Pudel Club

Zwei befreundete DJs aus dem Süden der Republik lassen den Tanzschuppen am Fischmarkt in Deep Underground House versinken.

Wer auf Deep Underground House steht, sollte sich diesen Party-Termin dick und rot im Kalender anstreichen. Im Golden Pudel Club, der sich kürzlich den Titel Mietpreiskönig verliehen hat, legen heute die DJs Simon Ferdinand und Markus Mutzenbacher ihre Platten auf die Teller. Gäste können sich an diesem Abend auf ein eingespieltes Team freuen. „Two brothers, different mothers“, hieß es schon einmal anderswo über dieses Duo. Ferdinand und Mutzenbacher kennen sich seit über 15 Jahren und haben zunächst in Süddeutschland für Furore gesorgt. Dort entstand die Party-Reihe Batterie Pusteblume, die für etwas steht, was auch im Norden immer gut ankommt: geschmackvolle elektronische Musik fernab digitaler DJ-Konfektionsware und direkt vom Plattenteller. Schlecht komprimierte MP3s bleiben heute zu Hause.

 

Neonschwarz

Die Hamburger Hip-Hop-Crew lädt zum Release-Jam ihres kürzlich erschienenen Debüt-Albums „Fliegende Fische“ auf die MS Stubnitz.

Am 19. September ist das Debütalbum Fliegende Fische der Hamburger Rap-Crew Neonschwarz auf Audiolith Records erschienen. Genau eine Woche später lädt das Quartett nun zum Release-Jam auf die MS Stubnitz, um seinen linken Rap mit Rückgrat, Haltung und den richtigen Botschaften auch live auf die Meute loszulassen. Unterstützt werden die Neonschwizzys von Refpolk & Pyro One, die kürzlich ihre Aufstand der Rucksäcke betitelte EP herausgebracht haben, sowie vom Hamburger Rap-Trio Eljot Quent. Letzteres hat nicht nur ihr Buuf (wie die Gruppe ihr kleines, bescheidenes Tonstudio irgendwo im Hammerbrooker Niemandsland nennt) für die Aufnahmen von Fliegende Fische zur Verfügung gestellt, nein, Len Kurios hat das Album auch produziert, gemischt und ein paar Beats beigesteuert.

Text: Jan Kahl

 

„Identitäten dehnen“

Auf der Bühne weiter denken: Monika Gintersdorfers und Knut Klaßens Performance fußt auf den Ideen des französischen Marxisten Alain Badiou.

Ein bisschen anstrengend klingt das ja schon, was der französische Marxist Alain Badiou da fordert: die Dehnung der individuellen Identität ins Unendliche bei Beibehaltung des Egoismus, aber ohne Gier. Wie soll das denn bitte funktionieren? Badiou blickt in seinen Theorien unter anderem auf illegale Migranten, die neue Formen des Widerstandes gegen das bestehende System entwickeln. Badious komplizierte Ideen sind Grundlage einer Performance des Künstlerduos Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen. Identitäten dehnen eröffnet Ende September die neue Spielzeit auf der Kampnagel-Bühne und bietet interessante Aspekte zur aktuellen Debatte um Flüchtlinge in der Stadt, wie sie mit den Schutzbefohlenen auch im Thalia Theater stattfindet. Neben Badious Gedankengängen werden aktuelle europäische Philosophie-Konzepte zum Thema Migration auf den Prüfstand gestellt.

Text: Katharina Manzke

 

John Gabriel Borkman

Leben nach dem Größenwahn: Henrik Ibsens Stück über einen betrügerischen Bankier kommt auf die Bühne des Schauspielhauses.

Als Henrik Ibsen in den 1890er Jahren John Gabriel Borkman schrieb, beschäftigte er sich intensiv mit Friedrich Nietzsches Thesen vom Übermenschen und dem Willen zur Macht – und auch mit deren gefährlicher Kehrseite. Es geht in dem Stück um einen betrügerischen Bankier, der nach einer verbüßten Haftstrafe zurück an die Spitze der Wirtschaft gelangen möchte. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, die ihm nahestehenden Menschen zu instrumentalisieren und entfremdet sich so mehr und mehr von seiner Außenwelt. Ibsen orientierte sich bei der Entwicklung seines Protagonisten an einem realen Fall, der in den 1850er Jahren die norwegische Gesellschaft bewegte: dem gesellschaftlichen Sturz eines namhaften Offiziers aus Kristiania, dem heutigen Oslo. Seitdem sind über 150 Jahre vergangen und viele neue Borkman-Figuren spukten mehr oder weniger unheilvoll durch die Schlagzeilen. Das Stück, das unter Regie von Karin Henkel ab September im Schauspielhaus zu sehen ist, ist somit nach wie vor ein kluger Spiegel der Schattenseite des Größenwahns.

Text: Katharina Manzke

 

Daniel Kehlmann

Der Autor kommt für das Harbourfront Literaturfestival nach Hamburg und spricht mit Bücherkenner Markus Gasser über Pflichtlektüren.

Lektion fürs Leben. Niemals den Schriftsteller Daniel Kehlmann (Foto) fragen: „Wo kommen Sie auf diese genialen Ideen?“ In seinem Roman Ruhm schuf er eine Figur namens Leo Richter, einen neurotischen Berufskollegen, der von eben diesem Satz so genervt ist, dass er, sein Gegenüber verfluchend, stets dieselbe karge Antwort hervorbringt: „Badewanne.“ Ob das autobiografische Züge hat? Der österreichische Literaturwissenschaftler Markus Gasser wird’s wissen. Schließlich hat er mit Das Königreich im Meer. Daniel Kehlmanns Geheimnis eine überaus interessante Studie über den Schriftsteller geschrieben. Im Rahmen des Harbourfront Literaturfestivals findet am 26. September ein Gespräch zwischen den beiden Männern der Worte statt. Austauschen werden sie sich auch über Markus Gassers neuestes Werk Das Buch der Bücher für die Insel, in dem er eine Auswahl von Romanen und Erzählungen aus unterschiedlichen Ländern und Epochen präsentiert, die Mensch gelesen haben sollte.

Text: Lena Frommeyer

 

Filmfest Hamburg

143 Filme aus 49 Ländern werden bis zum 4. Oktober in sechs Kinos gezeigt. Los geht es mit einem Beitrag über streikende Minenarbeiter und schwule Aktivisten.

Der kanadische Dokumentarfilmer Jean-Nicolas Orhon hat in Indien, Marokko, Frankreich, New Jersey und in seiner Heimatstadt Québec Menschen besucht, die in Armenquartieren, Zeltstädten und Barackensiedlungen leben – und dies mehrheitlich gerne tun. Sein Film Slums: Cities of Tomorrow preist „die Anpassungsfähigkeit und den Einfallsreichtum von Menschen, die ihre Behelfsbehausungen genau nach ihren Bedürfnissen bauen“. Leben wir bald alle in Slums? In Zeiten strapazierter öffentlicher Kassen macht der Regisseur sich auf die Suche nach alternativen Modellen sozialer Kooperation und selbstbestimmter Mobilität. Sein Film, der beim Filmfest Hamburg seine Deutsche Erstaufführung erlebt, ist charakteristisch für eine Auswahl, die neben spektakulären Premieren – wie in diesem Jahr von Fatih Akins neuem Film The Cut – in einer bewährten Mischung aus Unterhaltung und Information neben Glamour immer auch Erkenntnisse liefert, indem es an die sozialen Brennpunkte des Planeten führt. Als programmatisch dafür kann bereits der Eröffnungsfilm am 25. September im Cinemaxx am Dammtor gelten: Pride (Foto) ist ein britisches Feelgood-Movie, das auf herzerfrischende Weise von der Solidarität zwischen streikenden Minenarbeitern und schwulen Aktivisten im Wales des Jahres 1984 erzählt. Der Film wird erneut am 27. September im Passage Kino gezeigt – für die Vorstellung gibt es noch Karten.

Text: Anna Reclam

 

Gareth Dickson

Der Glasgower Songwriter liebt die leisen Töne und weiß, wie man aus ihnen Welten zusammenbaut – diesmal puzzelt er in der Hasenschaukel.

Gareth Dicksons Musik eignet sich nicht für einen kleinen Moment zwischendurch. Wohl kaum einer, der seine Musik beim morgendlichen Kaffeezubereiten in der Küche mal eben laufen ließe oder während der folgenden Zahnpflegeroutine. Gareth Dicksons Songs sind etwas für die Momente, die frei umherwehen, in denen man nicht auf die Uhr gucken muss, sondern die Gedanken treiben lässt. Gerne wird er mit Songwritern wie Nick Drake verglichen, was in Bezug auf sein äußerst talentiertes Fingerpicking stimmen mag, jedoch nicht berücksichtigt, dass Dickson vor allem die sich langsamen entwickelnden, tagträumenden Melodielandschaften schätzt, in denen sich wohl jeder verliert, wenn er es einmal geschafft hat, jedwede Eile beiseite zu legen und schlichtweg zuzuhören. Selbstredend ist die Hasenschaukel für dieses Konzert ein passender Ort und der Glasgower wird den plüschigen Raum bis in die letzte Sitzecke in seinen Bann spielen.

Text: Miriam Metz

 

Ulla Hahn

Mit „Spiel der Zeit“ findet dieser Tage der neue Roman von Ulla Hahn seinen Weg in die Buchläden. Zudem stellt sie ihn persönlich im Literaturhaus vor.

Die Geschichte von Hilla Palm beginnt in der Nachkriegszeit, in der katholischen, rheinländischen Provinz. In den ersten beiden Teilen der Trilogie erzählt Ulla Hahn von der erdrückenden Enge einer streng katholischen Familie, von der rettenden Kraft der Fantasie und von dem Versuch, einen Weg in die eigene Freiheit zu finden. Spiel der Zeit setzt die Geschichte des mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichneten Das verborgene Wort und des Nachfolgers Aufbruch an der Stelle fort, wo Palm den Schritt in das Köln der 68er-Jahre wagt, die Provinz hinter sich lässt, die neuen Freiheiten auskostet und der ersten großen Liebe begegnet. Wie schon in den beiden Vorgängern verknüpft Hahn autobiografische Elemente mit fiktiven Momenten, das große Zeitgeschehen mit einer ganz persönlichen Geschichte. Am Donnerstagabend feiert mit Spiel der Zeit der letzte Teil dieser Trilogie mit der Lesung Ulla Hahns seine Premiere. Dorothea von Törne führt durch diesen Abend – für den leider bereits alle Tickets vergriffen sind.

 

NSU: Blick in den Abgrund

Info-Veranstaltung zu antidemokratischen Inlandsgeheimdiensten, unkontrollierten V-Männern und fragwürdigen Ermittlungsmethoden.

Der Prozess um die Morde der neonazistischen Terrorzelle NSU ist wahrscheinlich einer der gruseligsten Justiz-Fälle der deutschen Nachkriegsgeschichte. Und bis es zu einer für alle Klägerparteien wirklich befriedigenden Aufklärung kommt, werden wohl noch Jahre vergehen – wenn auch die volle Wahrheit niemals ans Licht kommen wird. Zu einem Blick in den Abgrund lädt DIE LINKE am 25. September in das Restaurant Feuervogel nach Altona, wo der NSU-Prozessbeobachter Friedrich Burschel in seinem Vortrag dem wohl größten Geheimdienstskandal in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Grund gehen und über antidemokratische Inlandsgeheimdienste, unkontrolliertes V-Mann-Unwesen, eine brutale Nazi-Terror-Szene und fragwürdige Ermittlungsmethoden berichten wird. Des Weiteren wird die Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider ihre Argumente für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Mord an dem Hamburger Süleyman Taşköprü vortragen, den sich der Hamburger Senat bis heute weigert einzurichten.