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Garageville

Surf-Instrumentals, Garagen-Rock und Sixties-Pop: The Splashdowns und The Richmen versetzen den Hafenbahnhof zurück in die 1960er-Jahre.

Auf zum Hafenbahnhof, bevor der Sommer endgültig vorübergeht. Am 25. September lassen es dort nochmal zwei Bands krachen, deren Liebe zu Surf-Instrumentals und Sixties-Sounds nicht zu überhören ist. The Splashdowns sind eine Hamburger Retro-Institution, die zwar schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und einige Besetzungswechsel hinter sich hat, aber immer noch frisch und locker klingt. The Richmen sind ebenfalls in den Sechzigern verhaftet. Ihr Repertoire umfasst zum Beispiel Songs wie American Ruse von den MC 5 oder Solomon Burkes Stupidity. Damit blickt das Quartett eindeutig über den Surf-Rock-Tellerrand hinaus. Ein launiger Abend mit Twang und Rumms ist also garantiert. Wenn dann noch das Wetter mitspielt, dürfte sich der Hafenbahnhof ein Mal mehr als eine der charmantesten Ausgehorte Hamburgs empfehlen…

 

„Pfeffersäcke im Zuckerland“

Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier wandelt in ihrem Theaterstück auf den Spuren von (unbeholfenen) deutschen Auswanderern in Brasilien.

„Zucker nach Deutschland, Deutsche nach Brasilien!“ Der Hamburger Kolonisationsverein war ein großangelegtes Auswanderergeschäft. So entstand 1849 im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina eine deutsche Kolonie namens Dona Francisca, der Ursprung der heutigen Stadt Joinville. Und auch im Bundesstaat São Paulo, in Limeira oder Araraquara, war der deutsche Zuzug groß. Viele „Hamburger Pfeffersäcke“ machten sich in dem sonnengeküssten Land in Südamerika Fremdes zu eigen, nicht selten übergriffig und unbeholfen. Das erweckte das Interesse von Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier. Gemeinsam mit ihrem Team begab sie sich auf eine Expedition nach Brasilien, um dort Spuren deutscher Auswanderer zu entdecken. So entstand Pfeffersäcke im Zuckerland, eine Menschenausstellung. Nicht nur thematisch treffen darin zwei Kulturen aufeinander. Es wirken sowohl deutsche als auch brasilianische Künstler mit und in São Paulo wurde das Stück bereits sehr erfolgreich unter dem Titel Brasilien. 13 Caixas auf die Bühne gebracht. Weitere Blickwinkel auf das Thema eröffnet ein extra für das Stück verfasster Text von der österreichischen Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. In Strahlende Verfolger geht die Schriftstellerin – sicher gewohnt angriffslustig – dem deutschen Wesen auf den Grund.

Die Uraufführung am 20. September ist ausverkauft.

Text: Katharina Manzke

 

Malala Yousafzai

Das Stück über die jüngste Menschenrechtsaktivistin der Welt feiert heute Premiere im Jungen Schauspielhaus in der Gaußstraße.

Einer der mutigsten Menschen unserer Zeit ist ein gerade einmal 16-jähriges Mädchen. Folgende Worte beweisen es: „Die Terroristen dachten, sie könnten unsere Ziele ändern und unsere Ambitionen stoppen, aber in meinem Leben hat sich nichts verändert, außer: Schwäche, Angst und Hoffnungslosigkeit sind gestorben. Stärke, Kraft und Mut sind geboren. Ich bin die gleiche Malala. Meine Ambitionen sind die gleichen. Meine Hoffnungen sind die gleichen. Meine Träume sind die gleichen.“ Seit 2008 setzt sich Malala Yousafzai für die Menschenrechte in ihrer Heimat Pakistan ein, indem sie, auf einem Blog für die BBC, über sie schreibt. Im Alter von 15 Jahren wurde sie von Taliban-Kämpfern niedergeschossen. Dennoch hielt sie an ihrem 16. Geburtstag vor den Vereinten Nationen eine Rede mit den zitierten Worten. Das Junge Schauspielhaus würdigt die wohl jüngste Menschenrechtsaktivistin der Welt mit dem Stück Malala – Mädchen mit Buch von Erfolgsautor Nick Wood in einer deutschsprachigen Erstaufführung. Hauptfigur des Stückes ist nicht etwa Malala selbst, sondern eine Autorin, die sich aus westlicher Perspektive mit dem Thema Mut und dem tapferen Mädchen, das 2013 für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, auseinandersetzt.

Text: Katharina Manzke

 

Die deutschsprachige Erstaufführung am 24. September ist ausverkauft. Weitere Termine: 26., 30. September.

 

Soviet Soviet

Klingen wie Joy Division, aussehen wie The Cure: Ein junges italienisches Trio pflegt das Erbe von einflussreichen britischen Post-Punk-Gruppen weiter.

Na, das ist doch mal wieder ein erfrischender Bandname… Soviet Soviet haben sich 2008 in der italienischen Hafenstadt Pesaro gegründet. Ihre Mission: das Erbe von stilprägenden Post-Punk-Gruppen wie Joy Division und The Cure zu pflegen. Und das gelingt ihnen ganz gut. Hört man sich zum Beispiel den Song No Lesson aus ihrem Debütalbum Fate an, könnte man sich fast ins Jahr 1978 zurück versetzt fühlen: treibender Beat, knochiger Basslauf, bis dort hinaus verhallte Gitarre, dünne Knabenstimme. Auch der Style der drei schmalen Jungs – enge Jeans, Shirts oder bis oben zugeknöpfte Hemden, typische Wave-Frisuren – wirkt halbwegs überzeugend beziehungsweise einigermaßen geschmackssicher kopiert. Über MVHS, Soviet Soviets Support an diesem Abend, ist nicht viel bekannt. Ihr Name schreit nicht gerade nach einer Suchmaschine, die bei Soundcloud abgelegten Tracks tragen Titel wie Modestadt, Tempo und Neunzehnvierundachtzigeinhalb, und, tja, das Ganze klingt irgendwie auch ganz schön original, um nicht zusagen: alt. Aber „alt“ ist ja bekanntlich das neue „neu“…

 

Jacques Palminger liest

Im Rahmen des Habourfront Literaturfestivals klären der Musiker und das Künstlerkollektiv barner 16 über Ur- und Buchstabensuppe auf.

Hat mal jemand mitgezählt wie viele Geschichten auf dieser Welt schon erzählt wurden? Oder hat jemand einen Überblick darüber, wie viele neue wöchentlich, täglich oder stündlich dazukommen? Vermutlich nicht. Auch deswegen, weil sie doch alle irgendwie zusammenhängen, irgendwo gibt es doch immer diese Wendepunkte und Verstrickungen, wo dann doch alles wieder aneinanderklebt. Wenn man nun also nichts vernachlässigen möchte, bliebe nur eine Lösung: Man widmet sich einfach gleich der Weltgeschichte, also dem Handlungsstrang, in dem Raum und Zeit, Urknall und Urgroßväter, die Erfindung des Rollators und die der Buchstabensuppe zusammenfinden. Genau das haben das Künstlerkollektiv barner 16 und Jacques Palminger in Kooperation mit EUCREA Verband Kunst und Behinderung e.V. getan. In einer szenischen Lesung werden Fakten und Fiktion so lange gemischt und neu portioniert, bis alles einen Sinn ergibt. Oder keinen.

Text: Miriam Mentz

 

Spandau

Die Band lädt einmal mehr zur Hafenrundfahrt mit Punkrock-Beschallung auf die MS Hedi. Ob da auch ein bisschen Hamburger Schule mitschippert?

Sie sind eine dieser Bands, die es geschafft haben, sich über viele Jahre hinweg gleichzeitig einen festen Platz in der Hamburger Musiklandschaft zu sichern und sich dennoch völlig aus dem großen Szenezirkus raus zu halten. Bereits in den späten 1990ern gründete sich das Quartett Spandau, plantschte immer mal wieder vergnügt im Nebenbecken der Hamburger Schule umher, brachte Alben raus, scharrte einen festen Fankreis um sich herum, veröffentlichte Alben und verzichteten auf jede Glitzerhaube, die sich anbot. Kennt man sie nicht, wäre es wohl am hilfreichsten zu lesen, dass sich ihre Musik zwischen Indie-Rock und so etwas wie Emo-Punk (im besten Sinne) bewegt. Hat man ihre Bandgeschichte weiter verfolgt, weiß man sowieso schon längst, dass ein regelmäßiges Konzert auf der MS Hedi schon feste Tradition ist und die Zeit für eine weitere beschallte Hafenrundfahrt wieder gekommen ist.

 

Dreikampf der Künste

Patrick Salmen und Jan Philipp Zymny schmettern Wörter, Melodien und bewegte Bilder gegeneinander. So muss Poetry Slam!

Während sportlich bewanderte (oder vom Schulsport gezwungene) Personen im Rahmen des Dreikampfs für gewöhnlich sprinten, springen und Bälle oder Kugeln durch die Gegend werfen, widmen sich die Wettbewerbsteilnehmer dieses Abends lieber den drei bewegungsärmeren, jedoch keineswegs anspruchsloseren Disziplinen Film, Musik und Text. Während die beiden Gegenspieler Patrick Salmen, dessen Bart sich ausschließlich auf „hart“, keineswegs auf „zart“ reimt, und Jan Philipp Zymny, der eine besondere Begabung im Satzbau mit Futur III und Ultimativ mitbringt, in der filigranen Textarbeit nach unzähligen Poetry Slams bereits Meister ihres Faches sind, dürften die anderen beiden Kategorien für die ein oder andere Überraschung sorgen. Bewertet werden beider Mühen im übrigen von einer willkürlich aus dem Publikum zusammengestellten Jury, die nach Belieben über Ruhm und Abgrund entscheiden darf. Lasst die Spiele beginnen!

Text: Miriam Mentz

 

Bad Braids

Megan Biscieglia alias Bad Braids aus Philadelphia spielt zarten Songwriter-Folk-Pop in der Hasenschaukel.

Wie war das gleich? Über Musik zu schreiben funktioniert in etwa so gut wie zu Architektur zu tanzen? Dann würfeln wir die Zusammenhänge doch einfach einmal neu und versuchen über Musik zu schreiben, während wir an Architektur denken. Zum Beispiel an ein fast leeres Haus, das irgendwo an einem windstillen See steht, selbstredend in der Dämmerung, vermutlich in der abendlichen. Und nun stellen wir einen Stuhl und eine Gitarre in eines der Zimmer und warten ab was passiert. Möglicherweise könnten Melodien erwachen, wie sie Megan Biscieglia auf ihrem ersten Album vereint. Eben solche Melodien, die zwischen Songwriter-Pop und Folk, zwischen Gedankenverlorenheit und völliger Klarheit schwirren, und die es sogar schaffen könnten, dem Blick aus der Hasenschaukel auf die Silbersackstraße, auf Passanten und Bierdosen etwas geheimnisvoll Beruhigendes zu verleihen.

Text: Miriam Mentz

 

Luke Sital-Singh

Auf dem Weg nach oben macht der junge Singer/Songwriter aus London einen kurzen Halt in der Prinzenbar, um seine neuen Gitarrensongs vorzustellen.

Der junge Londoner veröffentlicht im September sein lange ersehntes Debütalbum The Fire Within, nachdem mehrere EPs seit 2012 vor allem zwei Dinge lehrten: Zum einen, dass im überfüllten Singer-Songwriter-Segment immer noch Platz für eine besondere neue Stimme ist, und zweitens, dass man unbedingt eine ganze Platte von dem Typen hören will. Luke Sital-Singh hat auf The Fire Within seine Palette behutsam erweitert, ohne gleich den ganzen Tuschkasten auf die Leinwand zu kippen – wenn seine Gitarrensongs jetzt ein bisschen aufwändiger arrangiert daherkommen, klingt das vor allem gut, nicht überladen. Beim Haldern-Pop-Festival musste Sital-Singh neulich spontan für den Durchstarter George Ezra einspringen, dem der ganze Rummel gerade ein bisschen zuviel wird. Wir wollen es nicht beschreien, aber: Ein Zuviel an Aufmerksamkeit kann demnächst ebensogut ihn treffen.

Text: Michael Weiland

 

„Visualleader 2014“

Vom Autounfall bis zu Zschäpes Zwangsehe: Das „Beste aus Zeitschriften, Zeitungen und Internet“ ist in den Deichtorhallen/Haus der Photographie zu sehen.

Wer für gutes Editorial Design etwas übrig hat und sich für spannende Magazinstrecken, innovative Kampagnen, packende Fotografie und eindrucksvolle Websites erwärmen kann, der sollte sich unbedingt die Ausstellung der Lead Awards in den Deichtorhallen/Haus der Photographie besuchen, die jedes Jahr das Beste aus Zeitschriften, Zeitungen und Internet krönen. Daniel Josefsohns umwerfend ironische Selbstbespiegelung mit dem Titel Am Leben, in der er im Zeit-Magazin sein Leben nach seinem Schlaganfall zeigt, ist hier ebenso zu sehen wie Steven Kleins Porträts des US-amerikanischen Pop-Musikers Kayne West, die Titanic mit ihrem Cover Zwangsehe für Zschäpe wie die Geschichte im SZ-Magazin 45 Prominente befragen Jogi Löw und die erschreckende Car Crash-Serie Zerstörend von Nicolai Howalt aus der Dummy Nr. 41.

Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Oktober zu sehen.

Text: Sabine Danek